Es ist inzwischen kein Insidertipp mehr: In der Datenökonomie der Digitalen Ära braucht es für erfolgreiche Geschäftsmodelle Daten, Daten, Daten. Ein allbekanntes Schlagwort: „Daten sind das Öl des 21.Jahrhunderts“.
Natürlich, aber das war vor 50 Jahren im Grunde nicht anders: Es waren (und sind) jene Unternehmen erfolgreich, die die Präferenzen ihrer Zielgruppe gut kennen (Kundendaten), die Nachfragetrends frühzeitig erkennen (Marktdaten) und / oder die Entwicklungen auf Rohstoffmärkten, in Logistikketten frühzeitig berücksichtigen (Risikodaten). Was ist heute anders? – Es ist offensichtlich: (a) Mithilfe des Internet of Things oder Trackern auf Internetseiten/Apps werden Daten in der Größenordnung von Petabytes generiert, (b) dank eines Preissturzes bei Datenspeichern kann Big Data kostengünstig gespeichert werden und (c) mithilfe von leistungsfähigen Analytics-Tools können diese Daten effizient ausgewertet werden.
Soviel zur Theorie. Wie können Unternehmen nun zu „datengetriebenen Geschäftsmodellen“ werden, wie gelingt die erfolgreiche Umsetzung einer Datenstrategie? – Darum geht es in diesem Blogpost. Wir schauen uns dazu zwei Dinge an. Erstens, welche Typen von „datengetriebenen Geschäftsmodellen“ gibt es heute? Zweitens, was sind Best Practices und Lessons Learned für die Umsetzung einer erfolgreichen Datenstrategie?
Typen von „datengetriebenen Geschäftsmodellen“: Data Trader, Datenspeicherung, Datenauswertung
Der Begriff „datengetriebene Geschäftsmodelle“ kommt meist etwas abstrakt daher; es lohnt darum, sich an konkreten Beispielen einmal zu verdeutlichen, was das in der Praxis eigentlich heißt. Um die Bedeutung von Daten zu differenzieren und sich ein Bild von „datengetriebenen Unternehmen“ zu machen, liegt eine erste Frage nahe: Verkauft ein Unternehmen die Daten an Dritte, oder nutzt es die Daten selbst?
Es gibt grundsätzlich rund um Daten ein großes Ökosystem an Anbietern, die von der Datenbeschaffung über die Datenspeicherung bis zur Nutzbarmachung in der „Datenökonomie“ tätig sind. Am Beginn dieser Wertschöpfungskette stehen die Unternehmen, die Daten sammeln, konsolidieren, auswertbar machen und verkaufen (und viele dieser Unternehmen gibt es natürlich bereits seit der vor-digitalen Ära): Marktdaten (Statista), Adressdaten (Postanschrift, Email), Wetterdaten; das Unternehmen HERE Technologies bietet Geo-/Kartendaten an; das Start-Up Hawa-Dawa wiederum hat sich positioniert als zentrale Datendrehscheibe rund um „Daten zu Luftqualität“ (Konsolidierung, Darstellung, Simulation). Das Jungunternehmen Start-Up Detector konsolidiert Daten zu Unternehmensgründungen und liefert damit ein Bild über Investitionsmöglichkeiten und Innovationstrends (Heatmaps). Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Gehen wir in der Wertschöpfungskette der Datenökonomie einen Schritt weiter: Die Public Cloud Provider ermöglichen die (skalierbare) Speicherung von Big Data, dazu bieten sie auch Plug&Play Algorithmen zur Auswertung. Die Auswertung von Big Data ist allerdings alles andere als trivial, darum werden die Dienstleistungen von Data Scientists immer häufiger in Anspruch genommen; der CEO des Daten-Unternehmens Palantir, Dr. Alexander Karp, geht in einem Handelsblatt-Interview gar so weit zu behaupten: „2030 werden Sie kaum noch Unternehmen mit großen eigenen IT-Abteilungen finden. Das wird künftig von Anfang bis Ende von Dritten geliefert. Der Umgang mit Daten wird einfach zu kompliziert.“ Das ist eine steile These, aber Fakt bleibt, dass Unternehmen wie Anacision mit Expertise in Data Science zukünftig immer wichtiger werden.
Typen von „datengetriebenen Geschäftsmodellen“: Umsatzoptimierung, Kostenminimierung und Neue Use Cases
Betrachten wir im nächsten Schritt die Unternehmen, die keine Dienstleistungen rund um Daten anbieten, sondern Daten intern nutzen. Hier sind einige Beispiele (keine abschließende Aufzählung): Die Drogeriekette Douglas hat ein exzellentes daten-basiertes Verständnis der Wünsche aller Kund*innen, um exzellente Kundenbeziehungen aufzubauen und Produkte optimal auf verschiedenen (digitalen) Kanälen zu vermarkten (Umsatzsteigerung). Andere Unternehmen nutzen Daten für effizientere Produktionsprozesse, Predictive Maintenance und derlei mehr (Produktivitätssteigerung). Auf Plattformen wie Spotify speisen die Nutzerdaten einen Algorithmus, der für kundenindividuelle Musikvorschläge sorgt und das Kundenerlebnis schafft (Datenbasiertes Kundenerlebnis).
Deutsche Unternehmen fokussieren vor allem darauf, digitale Technologien zur Kostenoptimierung zu nutzen: Zur Illustration des Potentials betrachten wir einmal das Konzept der Smart Factory bzw. Industrie 4.0: Materialströme werden optimiert, die Fehlerquoten werden minimiert, die Maschinenauslastung steigt, dazu weniger Maschinenausfälle dank Predictive Maintenance – und das alles bei hoher Automatisierung. Es ist verblüffend, welche Potentiale von sogenannten „Leuchtturmprojekten“ realisiert werden konnten – nachfolgend eine Übersicht, die ich einem Whitepaper von McKinsey entnommen haben:
Hier geht’s übrigens zum Download des referenzierten Whitepapers: Leveraging Industrial IoT and advanced technologies for digital transformation
Für die Maximierung von Umsatz durch datengetriebene bzw. datenbasierte Prozesse habe ich bereits ein Beispiel genannt: Die Drogeriekette Douglas. Dazu nennt CEO Tina Müller in einem Handelsblatt-Interview einige Zahlen: “Wir haben in 2020 vier Milliarden personalisierte Kommunikationsbotschaften verschickt. Über unsere Beauty-Card haben uns 44 Millionen Kund*innen die Erlaubnis gegeben, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie auf unterschiedlichen Wegen zu kontaktieren. In Italien zum Beispiel können wir viele per SMS kontaktieren. Wenn wir da personalisierte Botschaften versenden, sieht man minütlich, wie die Umsätze steigen.“.
Die Entwicklung neuer datenbasierter Produkte und Dienstleistungen ist natürlich die anspruchsvollste Disziplin. Dazu zählt etwa der Maschinenbauer, der seine Maschinen mit weiteren Sensoren aufrüstet, um optimale Wartungszeitpunkte zu melden (Preventive bzw. Predictive Maintenance). Hierunter fällt auch die Bereitstellung von Monitoring-Funktionen für eben diese Maschinen (Produktionsleitstand), so dass Anlagenbetreiber in Echtzeit Transparenz über Produktionsdaten (und Ausfälle) erhalten.
Spätestens an diesem Punkt dürfte deutlich werden, dass man auch hinsichtlich der Bedeutung von Daten in einem Geschäftsmodell feine Differenzierungen vornehmen kann: Das Geschäftsmodell der Drogeriekette Douglas funktioniert im Prinzip auch ohne einen Data Scientist – aber der Data Scientist kann ein erhebliches Optimierungspotential realisieren. Es handelt sich vermutlich also nicht um ein „datengetriebenes Geschäftsmodell“, sondern vielmehr um ein „Geschäftsmodell mit hohem Datennutzungspotenzial“ (so oder so ähnlich).
Das Geschäftsmodell von AirBnB wiederum basiert im Kern auf Daten: Primär geht es um die Identifikation eines Vermietungsanbieter (Adress-/Kontaktdaten); Zahlungsabwicklung und Versicherungsleistung sind Sekundär-Leistungen. Hierbei handelt es sich klar um ein „datenbasiertes Geschäftsmodell“, das ohne Daten gar nicht funktioniert. Das gilt im Übrigen für alle Netzwerk-basierten Geschäftsmodelle. Vergleiche dazu auch den Blogpost Netzwerk-Effekt. Betrachten wir abschließend Facebook: Wer eine Anzeige auf der Social Media Plattform schaltet, kauft nicht direkt Daten ein (wie bei einem Adressanbieter), aber natürlich erlauben erst diese Daten, eine Anzeige an die gewünschte Zielgruppe auszuspielen. Gleichzeitig speisen diese Daten die Hunderten von Algorithmen, die das Funktionieren dieser Social Media Plattform gewährleisten.
Wie nun deutlich geworden ist: Daten sind eben nicht nur erfolgsentscheidend für rein „datenbasierte Geschäftsmodelle“ (AirBnB, Facebook), sondern auch für traditionellere Geschäftsmodelle (Maschinenbauer, Drogeriemarktkette). Wie kommt man nun zu einer praktikablen Datenstrategie im Unternehmen?
Was macht eine erfolgreiche Datenstrategie aus?
Zunächst zur Definition: Bei einer Datenstrategie handelt es sich um einen langfristig orientierten Business Plan, um Daten gewinnorientiert zu nutzen. Dabei geht es um Daten aus unterschiedlichen (Unternehmens-)Bereichen. Eine Datenstrategie bezieht sich sowohl auf bereits vorhandene Daten als auch potentiell generierbare Daten.
Der Name „Datenstrategie“ lässt erkennen, dass es sich hierbei um das Ergebnis eines Strategiefindungsprozesses handelt. Es reicht nicht aus, einige Buzzwords in eine Mission-Vision-Statement einzubringen und dies im Intranet zu verkünden. Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der sich typischerweise über einige Monate erstreckt mit zahlreichen Analyse- und Ideation-Runden. Zu Beginn eines solchen Prozesses schafft das Management die Grundlage, indem die Bedeutung von Daten für den unternehmerischen Erfolg herausgearbeitet wird („Öl des 21ten Jahrhunderts“). Dies ist gleichzeitig die Initialzündung für die Entwicklung einer Information Culture: Daten spielen für den taktischen und strategischen Erfolg des Unternehmens eine entscheidende Rolle. Daten sollten wie ein Produkt oder Service verstanden werden, den man laufend verwaltet und optimiert. Dabei handelt es sich um einen Kulturwandel, der kein Selbstläufer ist; es kostet Zeit und viel Überzeugungsarbeit.
Schauen wir uns einige wichtige Schritte in diesem Strategieprozess genauer an:
Relevante Datenquellen: Welche Daten werden im Unternehmen bereits generiert, welche Daten werden bereits genutzt? Und: Wie lassen sich gegebenenfalls diese Daten gewinnbringend nutzen? Dann anwendungsorientierte Fragestellungen: Welche Herausforderungen bestehen für das bestehende Geschäftsmodell und wie können Daten hierbei zur Lösung beitragen? In diesem Schritt werden alle verfügbaren Datenquellen dokumentiert, auch die Qualität dieser Daten.
In diesem Schritt werden auch Fragen geklärt, die im Zusammenhang mit Datenschutz bzw. DSGVO stehen: Von Anfang an sollte man Datenpotenziale ganzheitlich und rechtssicher betrachten. Das Thema Datenschutz wird dabei von zahlreichen Unternehmen als Showstopper genannt; Datenschutz ist eine Hürde, das ist gar keine Frage. Aber man kann damit umgehen. Im bereits zitierten Handelsblatt-Interview erklärt dazu CEO Tina Müller: “Die Anforderungen an den Datenschutz sind hoch. Aber wir können sehr gut [sic!] mit den europäischen Regeln arbeiten. Wir haben mittlerweile einen sehr ausgefeilten Daten-Hub.“
Entwicklung von Use Cases: Aus Daten werden Informationen, aus Informationen wird Wissen (durch Betrachtung im bestimmten Kontext). Daten erfüllen keinen Selbstzweck, sondern sollen die Grundlage für Prozessoptimierung oder gar neue Geschäftsmodelle werden. In diesem Schritt arbeiten Mitarbeiter aus den Fachbereichen (Domain-Experten) eng mit Data Scientists und auch kreativen Querdenkern zusammen, um das tatsächliche Potential bei der Datenverarbeitung bzw. Wissensgenerierung abschätzen zu können. Das Ergebnis sind hierbei noch keine ausgearbeiteten Algorithmen oder das technische Design von Data Pipelines und Data Lakes; vielmehr geht es um eine Potentialanalyse. Was ist der Mehrwert? Gibt es einen Markt dafür, wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft?
Planung von Investitionen und Ressourcen: Um eine Entscheidung über die Umsetzung von Elementen einer Datenstrategie je Use Case zu treffen, ist die (im vorherigen Schritt erarbeitete) Potentialanalyse durch eine Abschätzung zu den erforderlichen (technischen, personellen) Ressourcen erforderlich. Welche Software-Lösungen, Datenbanken, technische Infrastruktur etc. brauchen wir dafür (beachte auch das Konzept von „self-service“ für Informationskonsumenten)? Welche Fähigkeiten und Experten benötigen wir im Unternehmen? Und gegebenenfalls ist auch die Frage zu stellen: Welche Partnerunternehmen brauchen wir, mit welchen (Forschungs)Institutionen müssen oder wollen wir zusammenarbeiten?
Datenstrategie: Die Entscheidung: Sobald die Grundlage an Informationen geschaffen wurde, müssen Entscheidungen getroffen werden. Dies bedeutet nicht zuletzt die Allokation von personellen Ressourcen, CAPEX und OPEX; finanzielle und personelle Ressourcen sind knapp, einige (Projekt)Ideen werden folglich nicht realisiert. In der Regel gibt es zudem für einige Projekte eine Entscheidung unter Unsicherheit; der Umgang mit dieser (unternehmerischen) Unsicherheit verrät viel über eine Unternehmenskultur und ist erfolgsentscheidend:
Im schlechtesten Fall wird bei risikoaverser Haltung die Entscheidung für ein (halbherzig ausgestattetes) Projekt zur Entwicklung eines Prototypen getroffen; wenn die Perspektive nach dem Prototypen nicht klar definiert ist (und gegebenenfalls die strategische Relevanz des Gesamtprojekts „Datenstrategie“ vom Management nicht klar formuliert ist), dann wird man in vielen Fällen nicht die richtigen Personen für das Projekt gewinnen können. Wer will schon in ein Projekt einsteigen, bei dem er/sie gegebenenfalls auf dem Abstellgleis landet?
Natürlich gehören Prototypen in einen Strategiefindungsprozess, ganz im Sinne von Design Thinking; es bedarf regelmäßiger Reviews zum Fortschritt, und gegebenennfalls einer Anpassung der Strategie (getreu dem Motto „Cut your losses short and let your winners run.“). Es muss aber vom Management deutlich gemacht werden, dass die Datenstrategie Bestand hat ungeachtet von Erfolg bzw. Misserfolg der ersten Prototypen; Prototypen liefern vielmehr als Bestandteil der Methodik zur Strategieentwicklung das Orientierungswissen für die weitere Ausarbeitung der Strategie.
Schlussendlich sind Entscheidungen zur Datenstrategie zu dokumentieren; die Vision, die der Datenstrategie zugrunde liegt, muss im gesamten Unternehmen transparent gemacht werden. Hier knüpfe ich an das bereits Gesagte an: Klarheit und Konsequenz schaffen die „Information Culture“ im Unternehmen, die entscheidend für den Erfolg einer Datenstrategie ist.