Wer als Projektmanager seitens des Auftraggebers agiert, muss keineswegs Expertise als Softwareentwickler mitbringen oder gar mit allen Buzz-Words der Entwicklerzunft vertraut sein. Die Rolle als Projektmanager ist vielmehr auf die Entwicklung eines konsistenten Sets von Anforderungen ausgerichtet, die effiziente Kommunikation an das Entwicklungsteam und die Moderation eines ausgewogenen Entwicklungspfads zwischen praxisrelevanter Funktionalität, Bedienkomfort, Budget- und Termintreue. Hilfreich für ebendiese Aufgabe als Projektmanager ist dabei allerdings ein gutes Verständnis des Projektmanagements von Softwareprojekten. Darum geht es in diesem Artikel beziehungsweise in dem Buch von Roman Pichler („SCRUM – Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen“, dpunkt.verlag, 180 Seiten, 30 EUR).
Ja, es gibt sie noch, die Pflichtenhefte-bis-aufs-i-Tüpfelchen. Dem liegt das Wasserfall-Modell zugrunde. Die Anforderungen werden anfangs detailliert ausdefiniert, anschließend mit eiserner Disziplin umgesetzt. Vorteil: Hohe Planungssicherheit. Dieses Wasserfall-Modell ist allerdings ungeeignet für Projekte, wo viele unvorhersehbare Faktoren bestehen, die flexible Anpassungen benötigen. Demgegenüber steht das sogenannte agile Projektmanagement, wo Anforderungen zu Beginn eines Projektes nur grob ausformuliert werden und erst im Verlauf des Projektes verfeinert und re-priorisiert werden. Eine beliebte Variante des agilen Projektmanagement ist SCRUM. Typisch für den SCRUM-Prozess sind Sprints, heißt: kurze Bearbeitungszyklen von bis zu 30 Tagen, in denen je ein Set von Anforderungen umgesetzt und getestet wird.
Das Buch kann man in zwei Tagen gut lesen, es ist gut aufgebaut und gibt einen guten Überblick (ohne allzu viele Details), die für Projektmanager als Auftraggeber vollkommen ausreichend ist. Hier werden alle wichtigen Begrifflichkeiten erläutert, etwa: Product Owner, Scrum Master, Story Points, Sprint Burndown, Burn Rate, Product Backlog, Scrum Backlog, timeboxing, Retrospektive oder Story Card. Ein Werk wie jenes von Boris Gloger („Scrum: Produkte zuverlässig und schnell entwickeln“, 40 EUR, 380 Seiten, Hanser Verlag) richtet sich eher an Entwickler. Das Buch enthält keine Füllkapitel, ebenso wenig sonstige Abschweifungen vom Thema. Auch als Nachschlagewerk ist es geeignet, der Index am Ende des Buches erleichtert das schnelle Nachschlagen.
Ob SCRUM oder Wasserfallmethode: Ein Projektmanager muss ein klares Verständnis davon haben, wie und wann er sich im Verlauf eines Softwareentwicklungsprojektes einbringen kann und sollte. Bei der Wasserfallmethode findet die Anforderungsspezifikation in der ersten Phase des Projektes statt; SCRUM sieht eine Aktualisierung und Re-Priorisierung von Anforderungen nach jedem Sprint vor („Sprint Review“), und Roman Pichler formuliert in Richtung des Endkunden: „Eine ideale Form der Einbindung ist beispielsweise die Einladung der Interessenvertreter zu einem Workshop zur Anforderungsbeschreibung und zum Spring-Review. So können Endkunden und Interessenvertreter direkt mit Teammitgliedern interagieren, Feedback geben und ihre Bedürfnisse erläutern.“
Im Übrigen wird der Entwicklungsprozess sehr plastisch auch für Nicht-Techniker greifbar, wenn man Scrum-Teams besucht und dort an einer (Stell)Wand Anforderungen und Projektfortschritt klar strukturiert auf Karteikarten sehen kann. An einer solchen (Stell)Wand sind auf einer Karteikarte beispielsweise die Anforderungen erfasst (Spalte „Anforderung“), auf anderen Karten in der gleichen Zeile die einzelnen Aufgaben (Spalte „Zu erledigen“), in der nächsten Spalte „In Arbeit“ sieht man, was gerade bearbeitet wird und in der Spalte „Erledigt“ die fertigen Ergebnisse. Es kommen Karteikarten mit „Hindernissen“ dazu und so weiter. Das Buch von Roman Pichler hilft, diese teamorientierte Methodik des SCRUM sehr gut zu verstehen und die Dynamiken und Herausforderungen eines Projektes besser zu verstehen.
Tolles Buch. Viel Spaß beim Lesen und bei den vielen Aha-Effekten!