Entscheidend für den Erfolg bzw. Misserfolg eines Softwareprojektes ist häufig die Frage, ob Kommunikation zwischen der fachlichen und technischen Seite funktioniert – oder eben nicht. IT Projekte scheitern in der Regel hieran – selten an technischen Hürden. Umso wichtiger, sich mit eben diesem Aspekt von IT Projekten zu beschäftigen und sich hierfür Verbesserungsimpulse aus Gesprächen mit Experten sowie aus der Fachliteratur zu holen. Mit ebendieser Motivation habe ich mir das Buch „Soft Skills für IT-Führungskräfte und Projektleiter – Softwareentwickler führen und coachen, Hochleistungsteams aufbauen“ der Autoren Uwe Vigenschow, Björn Schneider und Ines Meyrose gekauft (dpunkt.verlag, 36,90 EUR, Erscheinungsjahr der dritten Auflage 2016, 330 Seiten).
Das Buch ist in verschiedene thematische Aspekte gegliedert mit Kapiteln wie „Erfolgreiche Besprechnungen“, „Zeitmanagement“, „Kontakt und Motivation“ oder „Voraussetzungen für Spitzenteams“. Ich habe hiervon drei Kapitel gelesen, von den ich mir Anregungen erhofft hatte – hiernach habe ich die Lektüre des Buches abgebrochen. Meine erste Hypothese war, dass ich vermutlich nicht zur Zielgruppe des Buches zähle; doch das Vorwort führt aus: „Die Zielgruppe des Buchs sind angehende, neue und gerade auch erfahrene Führungskräfte und Projektleiter“. Eigentlich falle ich in die Zielgruppe („gerade auch erfahrene Führungskräfte“), wobei die Heterogenität dieser maximal breit definierten Zielgruppe bereits stutzig macht.
Ich könnte einfach schreiben, das Buch wäre nicht empfehlenswert. Fertig. So einfach will ich es mir allerdings nicht machen, schon allein deshalb nicht, weil ich durchaus zugestehe, dass ich mich mit einem Urteil irren kann oder vielleicht einfach nur einen schlechten Tag hatte. Darum will ich diese harsche Buchkritik begründen bzw. mit konkreten Beispielen unterfüttern. Auf der Basis kann jeder selbst entscheiden, ob er meine Kritik teilt oder nicht. Zur besseren Nachvollziehbarkeit hier der Hinweis, dass ich folgende drei (3) Kapitel gelesen habe: „Erfolgreiche Besprechungen“, „Kontakt und Motivation“ sowie „Gruppendynamik in Teams“.
Was mir sehr bald aufgefallen ist: Das Buch hat streckenweise die Schwerfälligkeit einer wissenschaftlichen Dissertation, Thesen bleiben vergleichsweise lange zu abstrakt, bevor diese konkretisiert werden. Zur Schwerfälligkeit tragen etwa Sätze wie nachfolgender mit doppelter Verneinung bei (dieser Satz steht im Zusammenhang mit der Besetzung einer freien Rolle in einem Team): „Manchmal soll auch nur verhindert werden, dass eine ganz bestimmte Person die freie Rolle nicht einnimmt.“ (S. 286) Hier kann man lange über den Sinn grübeln (und die Vermutung, ob sich hier jemand einfach nur vertan hat). Dann etwas später die abstrakte Einführung in das Konzept des „Wertequadrats“, die mit einem Satz endet, der mit Thomas Mann’scher Wucht daherkommt: „Wert und Gegenwert schaffen eine Balance, ohne die ein Wert in seine entwertende Übertreibung entarten würde.“ (S. 286).
Solche schwerfälligen Sätze stehen wiederum neben Sätzen von verblüffender Banalität bzw. Selbstverständlichkeit. Zum Smalltalk heißt es etwa: „Gerade wenn Sie Ihr Gegenüber noch nicht so gut kennen und Schwierigkeiten auf der Sachebene befürchten, bietet sich Smalltalk zum ersten Kennenlernen an. Also, fangen Sie jetzt gleich mal an! Fragen Sie, wie das Wochenende war, wie alt eigentlich die Kinder inzwischen sind usw.“ (S. 144). Im Zusammenhang mit Hochleistungsteams wird beschrieben, dass Führungskräften die Aufgabe zufällt darauf zu achten, dass die gegenseitige Wertschätzung im Team nicht verloren geht: „Für uns als Führungskraft oder Teammitglied bedeutet das, genau darauf zu achten, wenn einzelne Personen in ihrem Verhalten die gegenseitige Wertschätzung vermissen lassen oder sich nicht mehr loyal gegenüber ihren Kollegen und dem Team verhalten. Das sind Warnsignale, auf die wir unbedingt reagieren müssen, um das Team weiter erfolgreich auf seinem hohen Level arbeiten zu lassen.“ Ok, jetzt wird’s spannend. Leider, leider, hier endet das Kapitel.
Man lernt gerade für solche kritischen Führungsaufgaben von Fallbeispielen. Wie hat eine Führungskraft eine spezifische Herausforderung gelöst? Aber genau solche Fallbeispiele fehlen. Das Buch bleibt zu abstrakt. Wo das Buch im Zusammenhang mit Motivation doch einmal auf ein illustrierendes Beispiel zurückgreift, ist dies erstens arg konstruiert, und zweitens inhaltlich völlig schief. Es geht hierbei um das Thema Prämien, die für einen Projektleiter namens Paul an den Firmenumsatz gekoppelt werden. In den ersten drei Jahren läuft das „hervorragend“, im vierten Jahr werden die Prämien spürbar geringer aufgrund eines Umsatzrückgangs. Im fünften Jahr geht der Umsatz weiter zurück, die Prämien entfallen. Das Beispiel endet wie folgt: „‘So kann ich hier nicht arbeiten. Das hat ja keinen Sinn mehr hier, und Spaß macht es erst recht nicht!‘ Paul kündigt und geht zur Konkurrenz.“ (S. 152).
In der Argumentation des Buches ersetzt die extrinsische Motivation („Prämie“) die intrinsische Motivation. Das Beispiel illustriert, dass nach der Substitution der intrinsischen Motivation durch die extrinsische Motivation („Prämie“) das Risiko besteht, dass die Motivation ganz entfällt, wenn die Prämie wegfällt. Das ist holzschnittartig und völlig praxisfremd. Zum einen ist es (in meinem Erfahrungshorizont) üblich, dass der variable Gehaltsanteil von Führungskräften zu einem Teil (!) vom Gesamterfolg des Unternehmens abhängt. Zu diskutieren wäre: Ab welcher Führungsebene macht das Sinn und: Wie hoch sollte auf jeder Führungsebene dieser Anteil der Gesamtprämie sein. Diese Schwarz-Weiß-Argumentation aus dem Beispiel mit Paul beleidigt die Intelligenz einer (zukünftigen) Führungskraft. Man sollte in dem Kontext einmal die Frage stellen, unter welchen Bedingungen die intrinsische Motivation erhalten bleibt trotz Prämie (und das ist ja in der Praxis der Normalfall). Man sollte im Kontext dieses Beispiels auch eher die Frage stellen, wie Loyalität in schwierigen Phasen der Unternehmensentwicklung (und die gibt es ja durchaus, man vergisst das im Jahr 2019 bisweilen nach 8 Jahren Wirtschaftswachstum) aufrechterhalten werden kann.
Inhaltlich nachvollziehbar war genauso wenig eine andere Ausführung zum Thema intrinsische Motivation. Gemäß dem Job Characteristics Model nach J. Richard Hackman und Greg. R. Oldham ergibt sich eine hohe intrinsische Arbeitsmotivation durch die Faktoren Erlebter Sinn im Handeln (Ganzheitlichkeit der Arbeitsinhalte, Unterschiedlichkeit der Arbeitsinhalte, Bedeutung der Arbeit), und Erlebte Verantwortung (Autonomie im eigenen Arbeiten) und Sichtbarkeit der Ergebnisse der eigenen Arbeit (Rückmeldung über die eigene Arbeit). Alles plausibel und gut nachvollziehbar. Völlig irritierend ist hingegen die im Buch behauptete Rolle der Führungskraft im Hinblick auf diese Motivation: „Der Führungsrolle kommt daher beim Thema Motivation nur die Aufgabe zu, mögliche Demotivatoren, die Hygienefaktoren, zu erkennen und weitestgehend zu eliminieren. Für ihre (…) intrinsische Motivation sind die Teammitglieder selbst verantwortlich.“ (S. 150). Da regt sich bei mir Widerspruch. Denn ich bin als Führungskraft natürlich für eine unternehmerische Vision und deren glaubhafter und schlüssiger Vermittlung zuständig (Erlebter Sinn im Handeln), ich gestalte als Führungskraft den Zuschnitt der Arbeit und die Zuteilung von Verantwortung (Ganzheitlichkeit und Unterschiedlichkeit der Arbeitsinhalte, Autonomie im eigenen Arbeiten), ich gebe vor allem als Führungskraft Feedback (Rückmeldung über die eigene Arbeit). Ich bin als Führungskraft in ganz erheblichem Maße für die intrinsische Motivation mitverantwortlich. Ich verstehe solche Sätze also nicht. Und darum habe ich die Lektüre dieses Buches auch abgebrochen.