Digitalisierung ist ohne Zweifel ein Imperativ für alle Unternehmen geworden. Der digitale Transformationsprozess ist dabei allerdings kein Selbstläufer: Es geht darum, eine agile Denkweise zu etablieren, die richtigen Ideen zu verfolgen und die erforderliche IT-Infrastruktur und digitalen Prozesse einzurichten. Eine der vielen Herausforderungen: Die Mehrheit der IT-Entscheider gibt an, dass die größte Herausforderung bei der digitalen Transformation ihres Unternehmens darin besteht, dass es zu wenige Softwareentwickler gibt. Hier ein paar Zahlen: In Großbritannien sind etwa 10.000 Stellen für Softwareentwickler unbesetzt, in Deutschland etwa 100.000 Stellen für IT-Fachleute.
Könnten sogenannte Citizen Programmer dabei helfen, diesen Engpass an Personal zu überwinden? – Bei „Citizen Programmierern“ handelt es sich um technikbegeisterte Personen, die ohne formale technische Ausbildung mit Hilfe von Drag-and-Drop-Anwendungskomponenten auf No-Code-Plattformen Geschäftsautomatisierungen erstellen können. Das Start-up Capto (www.wearecapto.com) bietet für einen solchen Ansatz ein leistungsfähiges Werkzeug. Der Claim des Unternehmens: „Macht, was Dich begeistert – Automatisiere den Rest“.
In diesem Interview spreche ich mit Capto Co-Founderin Marchela Georgieva (Zum LinkedIn Profil) über Ihre Vision für das Unternehmen Capto und für das digitalisierte Unternehmen der Zukunft.
Das Interview habe ich auf Englisch geführt und mithilfe DeepL übersetzt. Die Originalversion des Interviews gibt’s hier: Co-Founder Marchela Georgieva from RPA Start-Up Capto on the future of hyperautomation
Sebastian: Hi Marchela, danke, dass Du Dir Zeit für dieses Gespräch genommen hast – trotz eines vollen Terminkalenders als Gründerin eines Start-Ups. Vielleicht würden in 10 Jahren unsere Avatare im Metaverse dieses Gespräch führen, aber heute machen wir das noch ganz Old School. Aber bevor ich mich in digitalen Zukunftsphantasien verliere, lass‘ uns erstmal einen Sprung in die Vergangenheit machen. Und zwar zu dem Moment, wo Du beschlossen hast, Dein Unternehmen zu gründen. Angesichts der Tatsache, dass es bereits zahlreiche weit verbreitete RPA-Lösungen gibt, was wolltest Du mit Capto noch besser machen, welchen Pain Point wollt ihr lösen?
Marchela: Zunächst einmal vielen Dank, dass Du mich zum Gespräch eingeladen hast, Seb. Du hast völlig Recht, dass es RPA schon seit einiger Zeit gibt, und die meisten Unternehmen werden zumindest von Unternehmen wie UiPath und Automation Anywhere undsoweiter gehört haben. Und das aus gutem Grund. Diese Lösungen haben Unternehmen dabei geholfen, viele Geschäftsprozesse zu automatisieren … Aus unserer persönlichen Arbeit mit diesen Lösungen kann man jedoch sagen, dass diese eben solange eine gute Lösung sein können, als man mit dem Kleingedruckten einverstanden ist, das mit dem Paket einhergehen. Ich sollte an dieser Stelle hinzufügen, dass ich vor der Gründung von Capto über 200 Stunden in UiPath-Schulungen investiert habe und dass mein Mitbegründer Alexis Chevallot mehrere Jahre lang mit traditionellen RPA-Plattformen gearbeitet hat.
Was ich mit „Kleingedrucktem“ meine, ist, dass diese Plattformen in der Implementierung bekanntermaßen sehr teuer sind. Das bedeutet, dass man, um die Investition zu rechtfertigen, in der Regel eine Pipeline mit vielen komplexen Prozessen haben muss, die man automatisieren möchte, um einen angemessenen ROI zu erzielen. Andernfalls würde kein Budgetverantwortlicher, der 1 und 1 zusammenzählen kann, die Investition bewilligen. Das führt natürlich dazu, dass die meisten kleinen und mittleren Unternehmen keine Lösung haben, an die sie sich für die Digitalisierung ihrer Abläufe wenden können.
Wir haben also eben deshalb Capto gegründet: Weil wir eine Automatisierungslösung auch für kleinere Unternehmen bereitstellen wollten, die sich nicht von Anfang an auf ein intensives und teures Automatisierungsprojekt festlegen wollten. Wir tun dies, indem wir ihnen Zugang zu maßgeschneiderter, flexibler Automatisierung zu einem fairen Preis bieten, der es ihnen ermöglicht, die Lösung genau an ihre Bedürfnisse und ihren Anwendungsfall anzupassen – und nicht umgekehrt.
Sebastian: Wie würdest Du also die USPs Eurer Lösung im Vergleich zu den Robotern von UIPath oder BluePrism zusammenfassen?
Marchela:Eines unserer wichtigsten Verkaufsargumente ist zweifelsohne die geringere Anzahl defekter Roboter. Alle unsere Roboter werden mit Open-Source-Bibliotheken gebaut, was bedeutet, dass keine unaufgeforderten Updates eingespielt werden, die die Roboter zum Absturz bringen. Dies reduziert zum einen die Zeit, in der die Roboter ausfallen, und zum anderen den Wartungsbedarf, was sowohl für unser Wartungsteam als auch für unsere Kunden von Vorteil ist.
Was unsere Kunden auch sehr schätzen, ist, dass wir sie nicht an einen bestimmten Zeitraum binden, beispielsweise 3 Jahre, wie es oft der Fall ist. Außerdem geben wir den Code an den Kunden weiter, wenn er sich entscheidet, die Wartung der Roboter mit eigenen Ressourcen zu organisieren. Das ist ein großer Unterschied zu herkömmlichen Plattformen, bei denen man, sobald die Lizenzen auslaufen, effektiv den Zugang zu den Robotern verliert.
Schließlich müssen wir noch den Preis erwähnen, der nur einen Bruchteil dessen beträgt, was herkömmliche RPA-Lösungen kosten, sowie die Flexibilität unserer Lösungen, die es uns ermöglicht, sie genau auf den Anwendungsfall des Kunden zuzuschneiden. Im Wesentlichen konzentrieren wir uns ausschließlich darauf, unsere Kunden so zu bedienen, dass ihr Problem zu 100 % gelöst wird, anstatt uns auf Wachstum zu konzentrieren und generische Lösungen zu entwickeln, die einige sehr spezifische Kundenszenarien lösen.
Sebastian: Capto ist eine Open-Source-Lösung. Inwiefern ist das ein entscheidender Vorteil für Eure Kunden? Und wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell mit diesem Open-Source-Ansatz?
Marchela: Da wir alle unsere Roboter mit Open Source entwickeln, haben wir die volle Kontrolle über die Endkundenlösung, da wir den Code selbst schreiben – im Gegensatz zur Entwicklung von Lösungen auf Drag-and-Drop-Plattformen, bei denen man normalerweise keinen Zugriff auf den Code selbst hat. Aus Sicht der Kunden bedeutet dies auch, dass sie jederzeit Einblick in den Code haben und ihn überprüfen können, um beispielsweise Datensicherheitsrichtlinien oder Audits zu erfüllen.
Lass‘ mich auch klarzustellen, dass Capto ein Dienstleistungsunternehmen ist, das nicht nur berät, was und wie automatisiert werden sollte, sondern auch die Roboter baut und sie dann hostet und wartet. Alle unsere Kunden loben uns in den höchsten Tönen dafür, dass wir einen End-to-End-Prozess anbieten, der ihnen die Gewissheit gibt, dass das gesamte Automatisierungsprojekt von einem einzigen Unternehmen durchgeführt wird und nicht, wie es oft der Fall ist, von mehreren Lieferanten und Dienstleistern.
Sebastian: Kann die Capto-Lösung in jeder Branche und in Unternehmen jeder Größe eingesetzt werden? Oder habt Ihr einen Sweet Spot in Bezug auf den Zielkunden?
Marchela: Da wir den gesamten Dienstleistungsprozess im eigenen Haus abwickeln geht das mit dem Vorteile einher, dass wir Lösungen für Unternehmen aller Größen, Branchen und Anwendungsfälle entwickeln können. Wir haben jedoch festgestellt, dass die Unternehmen, die uns – zumindest derzeit – am meisten brauchen, mittelständische Unternehmen mit einer Fülle manueller Aufgaben sind, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Was die von uns bedienten Branchen betrifft, so arbeiten wir vor allem mit Anwaltskanzleien sowie mit Unternehmen aus dem Bereich Logistik und Fertigung zusammen. Wie Du Dir vorstellen kannst, macht dies die Arbeit für uns äußerst interessant und persönlich.
Sebastian: Softwareunternehmen profitieren heute von der Verfügbarkeit einer ganzen Reihe von Open-Source-Bibliotheken, die auch für das maschinelle Lernen eingesetzt werden: Tensorflow, PyTorch und so weiter. Wie würdest Du Eure Tech Strategie beschreiben, um schnelle Feature-Entwicklung, Nachhaltigkeit des Technology Stacks und hohe Robustheit der Lösung zu erreichen?
Marchela: Genau diese Frage ist der Grund, warum wir Capto ausschließlich auf der Idee von Open-Source-Robotern aufgebaut haben. Wir wollten Lösungen anbieten, die robust und nachhaltig sind und von der Open-Source-Community unterstützt werden. Wenn man sich die heutigen Automatisierungslösungen ansieht, haben die meisten eine geschlossene Architektur, die nicht update-resistent ist und stark von der Wartung durch ein Unternehmen, gar durch ein einziges Team abhängt. Dies führt zu vielen Engpässen, die wir vermeiden wollten. Aus all diesen Gründen und um den bestmöglichen Service für alle unsere Kunden zu gewährleisten, haben wir uns für ein Modell entschieden, bei dem alle unsere Roboter Open Source sind und in einer Cloud-Architektur mit lokaler Datenspeicherung gehostet werden. Dadurch können wir eine robuste und sichere Automatisierung bieten, die für den Kunden vollständig sichtbar und steuerbar ist.
Sebastian: Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Softwaredesigns für Eure Roboter?
Marchela: Die größte Herausforderung bestand darin, die richtigen Talente zu finden, die nicht nur über die technischen Kenntnisse von Python verfügen, sondern auch das erforderliche Geschäftsverständnis mitbringen, um eine Lösung zu liefern, die benutzerfreundlich und für den Kunden leicht zu überprüfen, zu verstehen und zu verwenden ist. Es war schwierig, Entwickler zu finden, die sich nicht nur auf das eine technische Ergebnis konzentrieren, an dem sie arbeiten, sondern auch die erforderliche Qualität und Robustheit eines Codes liefern, der später für andere maßgeschneiderte Automatisierungen genutzt werden kann. Mit anderen Worten: Der Aufbau generischer Bibliotheken für maßgeschneiderte Lösungen ist nach wie vor die Herausforderung, an der wir täglich arbeiten, um unsere Lösungen weiterhin schnell und zu einem fairen Preis anbieten zu können.
Sebastian: Geht man aus von GARTNER-Berichten und von Artikeln im CIO-Magazin, steht die Automatisierung ganz oben auf der Agenda der IT-Manager. Aus der Perspektive eines Vertriebsmitarbeiters stellt sich die Sache jedoch manchmal anders dar. Welche Erfahrung macht ihr? Wie viel Zeit verbringt ihr damit, Geschäftsinhaber von der Notwendigkeit der Automatisierung und der digitalen Transformation zu überzeugen?
Marchela: Das ist eine sehr gute Frage und eine, die wir alle in der Automatisierungsbranche sehr gut nachvollziehen können, denke ich. Wenn man die Berichte liest und sich mit Geschäftsinhabern unterhält, hört man schnell, wie wichtig die Automatisierung ist und dass sie zu den fünf wichtigsten Prioritäten der Unternehmen gehört, insbesondere nach der Pandemie. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus, denn es ist sehr mühsam, die Budgetverantwortlichen davon zu überzeugen, dass ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Aufgabe es wert sind, automatisiert zu werden, oder dass sie überhaupt automatisiert werden können.
Ich glaube, dass viele Geschäftsinhaber an die Notwendigkeit der Automatisierung glauben, aber vorgefasste Meinungen darüber haben, was mit Automatisierung erreicht werden kann, wie schnell und zu welchem Preis. Dies erfordert viel Aufklärungsarbeit von unserer Seite, um die Menschen auf den neuesten Stand zu bringen, wie schnell sich die Automatisierung entwickelt und wie einfach, kostengünstig und leistungsstark die Automatisierung nicht nur komplexe, sondern auch kleine – aber sich stark wiederholende – Prozesse und Aufgaben lösen kann.
Sebastian: Wie sieht der Fahrplan für Dein Unternehmen in den nächsten 5 Jahren aus?
Marchela: Die Welt der Automatisierung verändert sich zu schnell, um vorherzusagen, wie sich die Technologie in den nächsten fünf Jahren entwickeln wird. Sicher ist jedoch, dass wir weiterhin hart an unserem Ziel arbeiten werden, eine Milliarde Stunden (sic!) für unsere Kunden einzusparen und ihnen zu ermöglichen, ihre Pipelines, Teams und Umsätze mit Hilfe unserer praktischen Roboter zu steigern. Wir werden uns weiterhin darauf konzentrieren, enge Beziehungen zu unseren Kunden aufzubauen, unser Fachwissen branchenübergreifend weiterzuentwickeln und Unternehmen weiterhin über die Bedeutung und Machbarkeit der Implementierung von Automatisierung im gesamten Unternehmen aufzuklären.
Sebastian: Liebe Marchela, das klingt hochspannend, ich werde Eure Entwicklung sicherlich weiter verfolgen. Alles Gute und auch das erforderliche Quentchen Glück für Euer Unternehmen und für Dich persönlich!