Wolfsburg, Canberra, Chongqing oder Brasília: Es handelt sich hierbei allesamt um Städte, vom Reißbrett. Die Größe solch stadtplanerischer Projekte mag unterschiedlich sein (Wolfsburg: 125.000 EW vs Chongqing mit 30 Mio. EW), aber immer ging es darum, Lebensraum als Antwort auf moderne Herausforderungen zu schaffen. Für vergleichbare heutige Projekte ist dies nicht anders: Das Städteprojekt „Neom“ (Saudi-Arabien) will die sicherste, effektivste und modernste Stadt der Welt schaffen; in „Maidar City“ (Mongolei) sollen künftig Menschen ökologisch und klimafreundlich leben.
Gerade angesichts des Klimanotstands, angesichts neuer Technologien (Autonomes Fahren, Home Delivery mit Drohnen, …) und der Option zu ortsunabhängigem Arbeiten (Home Office) stellt sich die Frage nach dem (wünschenswerten) Lebensraum der Zukunft neu. Und wo das Elternhaus steht, ist nicht mehr zwangsläufig der Wunsch-Wohnort, zumal nicht für diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation hochmobil sind: Heute München, morgen Stuttgart oder auch mal im ländlichen Raum zwischen Stuttgart und Frankfurt. Bei der Frage „Wo will ich leben?“ (damit verbunden: WIE will ich leben?) geht es vor allem um Lebensqualität, Zugang zu attraktiven Arbeitsplätzen und zunehmend der Möglichkeit für einen ökologischen Lebensstil. Aber unsere Mobilität hat natürlich auch (emotionalen) Grenzen – unsere (gefühlte) Heimat ist eng damit verbunden, wo unsere Familie und Freunde leben.
Wie würde Deutschland eigentlich aussehen, wenn man einmal von „gewachsenen Strukturen“ absieht, wenn man also Deutschland auf dem Reißbrett neu entwirft? Das ist schon ein kühnes Gedankenexperiment, natürlich, aber daraus leiten sich vielleicht Impulse für politische Weichenstellungen ab. Ich habe übrigens nicht den Anspruch, dieses vielschichtige Thema in allen Aspekten zu betrachten, sondern vereinfache dies etwas holzschnittartig auf „Metropole vs Leben auf dem Land“. Wie ihr sehen werdet, ist aber alleine diese Betrachtung unglaublich spannend.
Ich lebe übrigens gerade in Berlin (nach: Passau, Stuttgart, Hannover, Bangalore), eine grüne Stadt mit sehr gutem ÖPNV (wir leben seit 5 Jahren autofrei), einem breiten kulturellen Angebot und gut erreichbaren Naherholungsgebieten. Hier leben 4,7 Mio. Einwohner in einer Agglomeration auf einer Fläche von 3.700 Quadratkilometer. Wenn man – ganz als Gedankenexperiment – überschlägt, wie Deutschland aussähe, wenn alle Bewohner Deutschlands in einer solchen Agglomeration lebten, dann würden sich die 84 Mio. Einwohner auf 18 solcher Ballungsräume verteilen. Der Flächenbedarf läge bei insgesamt 66.600 Quadratkilometer – ca. 19% der gesamten Fläche in Deutschland (nämlich: 357.000 Quadratkilometer).
Ich stamme selbst aus dem ländlichen Raum, bin also mit beiden Lebensräumen sehr gut vertraut. Die Frage nach dem „idealen“ Lebensraum auf der Achse Stadt-versus-Land lässt sich natürlich nicht binär beantworten: Die Antwort hängt von Alter, Familienstand, persönlichen Präferenzen und vielerlei mehr ab. Trotzdem ist es spannend, einmal einen Blick auf das Szenario von 100% Urbanisierung zu werfen – und das in Vergleich mit dem Landleben zu setzen. Das Fazit dieses Blogbeitrag wird keine Empfehlung für eine Umsiedelungspolitik sein – aber der historischen Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass Umsiedelungen eine Konstante in der Menschheitsgeschichte sind. Auch in jüngerer Vergangenheit, in Deutschland: Allein für den Braunkohlebergbau wurden mehr als 300 Siedlungen aufgegeben und rund 100.000 Menschen umgesiedelt. Und wenn wir etwa nach China blicken, so gilt: Rund 6 Mio. Menschen (!) mussten dem Drei-Schluchten-Staudamms weichen (unter Zwang); und seit 1949 wurden in diesem Land für den Bau von Staudämmen gar über 20 Millionen Menschen umgesiedelt.
Metropole vs Leben auf dem Land: Lebensqualität
Wie eingangs erwähnt: In verschiedenen Lebensphasen (Alter, Familienstand) hat Lebensqualität je eine andere Bedeutung, zudem gibt es persönliche Präferenzen (Stadtmensch, Landmensch; Opernbesuch vs Waldspaziergang). Nichtsdestotrotz lässt sich Lebensqualität an einigen objektiven Kriterien festmachen.
Ganz zentral steht die Metropole für die Verfügbarkeit qualifizierter und gut bezahlter Arbeitsplätze. Städte bieten zahlreiche Freizeitmöglichkeiten (Oper, Theater, Musikschulen, Clubs, Restaurants, Museen, Ausstellungen, Sportveranstaltungen, Bibliotheken, öffentliche Schwimmbäder, sonstige Events, …) und stellen eine gute Infrastruktur (ÖPNV, Einkaufsmöglichkeiten, Internetzugang, Funknetz, …): Die dichte Besiedlung führt in der Regel dazu, dass Anbieter (Einkaufsmöglichkeiten, E-Roller, etc.) eine hohe Kunden-Reichweite und damit Nutzungsfrequenz haben; eben darum bietet die Stadt ja so zahlreiche Optionen.
Die Vorteile des Landlebens sehen demgegenüber wie folgt aus: Sehr einfacher Zugang zur Natur (eigener Garten, Waldspaziergänge, Outdoor-Sport wie Mountainbiking, …), eine Wohnsituation sehr nahe an der Natur. Die Immobilienpreise sind in der Regel günstiger als in der Stadt (und es ist darum auch kein Wunder, dass die Pro-Kopf-Wohnfläche auf dem Land höher als in der Stadt liegt – und zwar rund 10 Quadratmeter mehr).
Dies sind die typischen Pro-Contra-Argumente, die wir aus Gegenüberstellungen von Stadt- und Landleben kennen. Die Lebensqualität unterliegt dabei immer einer gewissen Dynamik (und natürlich auch: Moden), die sich nicht zuletzt durch technische Neuerungen ergibt. So verschwanden seit der Jahrhundertwende 1900/1901 die „dreckigen“ Industrien aus der Stadt (Berlin ist ein gutes Beispiel); in jüngerer Zeit erlebten wir den Trend zum „Home Office“, der vielen White Collar Jobs das Arbeiten von zuhause ermöglicht – egal ob auf dem Land oder in der Stadt (Voraussetzung: gute Internetverbindung): Das verbessert den Zugang zu gut bezahlten Arbeitskräften auch für Remote Worker mit Wohnsitz im ländlichen Raum (Natürlich nur für einen Teil der Berufsbilder). Städte wiederum profitieren vom Trend zu Elektroautos, was sowohl Luftqualität verbessert als auch Autolärm massiv reduziert.
Ganz grundsätzlich gilt, dass im Zuge der Virtualisierung der Arbeits- und Freizeitwelt der Ort irrelevant wird, von dem aus ich mich einlogge: Das gilt für das Home Office genauso wie für Medienkonsum (Netflix, YouTube, …), das Gaming (Roblox, Fortnite, …) und auch das Metaverse (wobei hier noch unklar ist, welche Relevanz das Metaverse spielen wird). Klar ist aber auch, dass die Digitale Infrastruktur hier eine Grundvoraussetzung ist – und die ist (leider) in vielen ländlichen Gebieten noch unzulänglich.
Abschließend zur Betrachtung des Aspekts „Lebensqualität“ einen launischen Blick auf das Landleben vom Kabarettisten Christian Ehring; er karikiert hier die „Romantisierung“ des Landlebens, die eben nicht immer mit heimeliger Dorfgemeinschaft, blühender Natur und Eigenheimidylle gleichzusetzen ist (Videolänge: 4 min):
Metropole vs Leben auf dem Land: Umweltbilanz
Immer wenn ich per Zug von Berlin aus Familie auf dem Land besuche, genieße ich natürlich einerseits die Weite vor der Haustür, den Blick auf den Wald … andererseits geht nicht viel ohne Auto: Einkaufen im 10 km entfernten Supermarkt, zum einen Arzt 15 km nach links, zum anderen Arzt 20 km nach rechts und-so-weiter. Der öffentliche Nahverkehr ist – auch das keine Neuigkeit – ziemlich ausgedünnt. Bei Doppelverdienern stehen in der Regel zwei Fahrzeuge vor der Tür.
Die Konsequenz ist einfach: Das Autofahren macht im Schnitt etwa ein Viertel des ökologischen Fußabdrucks eines jeden aus; nicht zuletzt darum kommt Daniel Bleher der beim Öko-Institut, einem privaten Umweltforschungsinstitut in Freiburg, zum Schluss: „In der Stadt ist es einfacher, umweltfreundlich zu leben, als auf dem Land“.
Es klingt zunächst paradox, dass umwelt-nah eben nicht umwelt-freundlich ist. Neben der deutlich höheren Nutzung von Autos ist etwa auch die Wohnfläche auf dem Land größer (ca. 10 qm pro Kopf), damit einher geht ein höherer Verbrauch fürs Beheizen. Insgesamt gilt, dass Häuser auf dem Land mehr CO2 verbrauchen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil mehr Leute dort in Einfamilien- statt in Mehrfamilien- oder Reihenhäusern wohnen. Edward Glaeser, Ökonomieprofessor an der amerikanischen Elite-Universität Harvard, stellte in seinem Buch „Triumph of the City“ eine Berechnung für Haushalte in den USA an, derzufolge ein Haushalt auf dem Land fast sechs Tonnen CO2 mehr verbraucht als in der Stadt. Das genannte Buch erschien zwar schon vor über zehn Jahren (im Jahr 2011), die plausible Argumentation jedoch hat an Aktualität nichts verloren.
Die höhere Verdichtung in der Stadt hat eine Reihe von Effekten für die Umweltbilanz: Der Flächenverbrauch (und die Versiegelung) ist pro Kopf gerechnet niedriger. Hohe Verdichtung und hohe Nutzungsfrequenz sorgen auch dafür, dass sich ÖPNV-Infrastruktur bei hohem Kostendeckungsgrad betreiben lassen. Und es gilt: Je dichter, desto kürzer die Strecken und desto geringer der Mobilitätsbedarf.
Apropos Mobilität: Deutschland hat heute insgesamt rund 11.000 Gemeinden, und zwar bei folgender Verteilung auf verschiedenen Größencluster (Quelle: Statista):
Das Straßennetz, das in Deutschland all diese Gemeinden miteinander verbindet (inkl. Autobahnen), hat eine Gesamtlänge von über 231.000 km. Dieses „überörtliche“ Straßennetz steht einem Gemeindestraßennetz mit ca. 413.000 km gegenüber.
Dabei gilt: Infrastruktur ist mit Kosten verbunden: Geld zum Bau und für die Erhaltung/Reparatur, ökologische Folgen; und es gilt auch: Verdichtung minimiert den Infrastrukturbedarf und die Infrastrukturkosten. Es macht eben einen Unterschied, ob ich ein Haus im Stadtkern baue oder einen Kilometer jenseits der bisherigen Stadtgrenze: Denn im letzteren Fall brauche ich 1.000 Meter Zufahrtstraße, Frischwasser- und Abwasserrohre, Gas, Breitband, etcetera.
Lassen Sie mich mal das Gedankenexperiment zu Beginn fortführen (Alle Bewohner Deutschlands in 18 Agglomerationen): Wenn man jede einzelne Agglomeration mit jeder anderen Agglomeration per Straße miteinander verbindet und diese Verbindungsstraße im Schnitt 500 km lang ist, dann ergibt das ein überörtliches Straßennetz von (17+ 16 + 15 + … +1)*500km = 76.500 km. Das ist deutlich weniger als das heute überörtliche Straßennetz von 231.000 km, nämlich etwa ein Drittel. Das ist natürlich alles sehr theoretisch, aber diese rechnerische Fingerübung macht klar, welche Relevanz Verdichtung hat für den Bedarf an Infrastruktur.
Urbane Verdichtung wäre auch ganz im Sinne von Umweltschützern, die vielfach die „Zersiedelung der Landschaft“ beklagen. Und bei einer geringeren Besiedelung des ländlichen Raumes wäre die Diskussion um die Errichtung von Windkraftparks deutlich einfacher zu führen. Die 10H-Regel etwa (Abstand eines Windrads zum nächsten Wohngebiet muss dem 10-fachen der Windradhöhe entsprechen) wäre unkritisch, das NIMBY-Mindset würde nicht zum Stolperstein für den Ausbau Erneuerbarer Energien (NIMBY = Not in my backyard).
Kaum überraschend: Es gibt keineswegs einen Konsens unter Umweltschützern für das Stadtleben. Der Umweltschützer und Autor Ernst Paul Dörfler hat in seinem Buch “Aufs Land – Wege aus Klimakrise, Monokultur und Konsumzwang “ (erschienen: 2021) ein Plädoyer fürs Landleben formuliert. Darin schwärmt er vom eigenen Garten, von der Freiheit in der Natur und propagiert einen Lebensstil, der auf Unnötiges verzichtet. Das Buch hat zweifelsohne seine Berechtigung, denn es wirbt für einen Lebensstil, der klimaschonend ist – aber der Lebensstil (z.B. mehr oder weniger Konsum) ist nicht zwingend (oder: nicht in allen Fällen) mit der Frage nach dem Lebensort verbunden (Land- oder Stadtleben).
Die Lebensstil-Frage ist – kaum überraschend – ist also entscheidend: Wer zwei Mal im Jahr Fernreisen macht, jedes Wochenende shoppen geht und jeden Tag ein 500g-T-Bone-Steak auf dem Teller hat, der pflegt eben einen klimaschädlichen Lebensstil. Mal abgesehen von den günstigen Rahmenbedingungen für ein klimafreundliches Leben in der Stadt gilt auch: Gerade in der Stadt leben viele Gutverdiener, die auch einen verbrauchsintensiven Lebensstil haben. Eben das muss man in der Diskussion um Stadt vs Land differenzieren.
Abschließend noch der Hinweis: Wenn sich heute Städte und kleinere Gemeinden auf die Folgen des Klimanotstandes vorbereiten, dann stehen alle vor der gleichen Herausforderung. Es geht um den Umbau zu sogenannten „Schwammstädten“, es geht um die Förderung von „Urban Gardening“, Ent-Siegelung, mehr Grünflächen (zur Kühlung, zur Wasserspeicherung – vgl. Stichwort „Schwammstädte“), Ausbau von Fahrradewegen, auch Technologie kann eine Rolle spielen (vgl. die Smart City Barcelona).
Urbanisierung: Von Kleinstädten bis Millionenmetropolen
Deutschland ist ein hoch urbanisiertes Land, die Urbanisierungsrate liegt hier bei ca. 77,5 Prozent. Urbanisierung im Sinne dieser verbreiteten Statistiken bezeichnet den „Anteil der Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung“. Dabei ist der Begriff „Stadt“ hier eher weit gefasst: Und wärend eine „Kleinstadt“ mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern unter „Urbanität“ fällt, würde ein solcher Wohnort gemäß der der obigen Betrachtung zu Lebensqualität und Umweltbilanz ziemlich klar in die Kategorie „Leben auf dem Land“ fallen. Hier noch Anekdotenhaftes aus dem Artikel Stadt auf Wikipedia: “Die kleinste Stadt Deutschlands ist mit 278 Einwohnern (2014) Arnis. Es wurde 1934 zur Stadt ernannt, da die Ortsbezeichnung Flecken in Schleswig-Holstein abgeschafft wurde. Die kleinste Stadt mit altem Stadtrecht (verliehen 1326) ist Neumark in Thüringen mit 453 Einwohnern (2014). Andererseits haben unter anderem Haßloch mit über 20.000[1] und Seevetal mit über 40.000 Einwohnern kein Stadtrecht.“
Fazit: Dieser Urbanisierungsbegriff aus den herkömmlichen Statistiken zu „Urbanisierung“ ist folglich nur bedingt hilfreich für die oben geführte Diskussion. Viel interessanter ist folgende statistische Betrachtung aus dem Wikipedia-Artikel Urbanisierung:
“Die elf Agglomerationsräume mit mehr als einer Million Einwohnern zählen allein rund 25,6 Millionen Menschen. Der weltweit nicht einheitlich verwendete Begriff der Agglomeration entspricht der Stadt im geographischen Sinn ohne Beachtung der Verwaltungsgrenzen. Die nach Verwaltungsgrenzen gerechneten 82 Städte über 100.000 Einwohner in Deutschland im Jahr 2004 besitzen 25,3 Millionen Einwohner, das sind bereits über 30 % der Gesamtbevölkerung von 82 Millionen. Die elf Metropolregionen Deutschlands mit 44,3 Millionen Einwohnern sind räumlich [wiederum] wesentlich weiter gefasst und beinhalten auch große ländliche Gebiete.“
Sonstige Überlegungen zum Lebensraum der Zukunft
Hier noch einige Aspekte zu Wohnraum, die nicht in dem Spannungsfeld von Stadt versus Land einzuordnen sind. Da ist zum einen das Stichwort effiziente Wohnraumnutzung; Wohngemeinschaften (im weiteren Sinne, also auch: Familien) unterliegen immer einer gewissen Veränderungsdynamik. Ziehen etwa die Kinder eines Einfamilienhauses aus, bleiben die (beiden) Eltern in einem 200 Quadratmeter-Wohnhaus zurück. Ein solches Haus ist natürlich „Heimat“, ein Ort der Erinnerung, ein Teil der Biographie – da zieht man nicht einfach aus in ein „altersgerechtes“ 120 Quadratmeter-Appartement; und Untermieter sind in diesen Situationen keineswegs die Regel. Das Ergebnis: Es gibt Tausende von Ein- oder Zwei-Personenhaushalten mit einer überdurchschnittlichen Wohnfläche; aus volkswirtschaftlicher Sicht zumindest nicht pareto-optimal.
Wenn man über „Verdichtung“ nachdenkt, dann kommen einem Wohngemeinschaften in den Sinn, auch Genossenschaften. Hier geht es vor allem darum, eine gemeinschaftlich nutzbare Infrastruktur (Wohnzimmer, Küche, Badezimmer, Garten, …) auch tatsächlich gemeinschaftlich zu nutzen und Infrastrukturkosten zu minimieren. Volkswirtschaftlich erstrebenswert, aber in der Praxis eine Riesen-Herausforderung. Es „menschelt“ eben überall, und je enger wir aufeinander leben, desto wichtiger werden Selbstdisziplin, Empathie, Konfliktfähigkeit, Gemeinschaftssinn und derlei mehr. Jeder, der schon mal in einer WG gelebt hat, kann davon ein Lied singen: Manche einer bzw. manch eine sind eine echte Bereicherung, andere wiederum fallen durch eklatanten Mangel an Gemeinschaftssinn auf (und fliegen schnell wieder raus). Und machen wir uns nichts vor: Unser westliches, individualistisches (Wohlstands-)Lebensmodell schafft häufig eine denkbar schlechte Grundlage für die Sharing Community. Als ich vor drei Jahren an einem verlängerten Wochenende tiefen Einblick in das Ökodorf Siebenlinden nehmen durfte (sehr empfehlenswert!), ist deutlich geworden, dass auch Menschen mit tiefer ökologischer Überzeugung im Miteinander mit Gleichgesinnten an Grenzen stoßen. Gerade Wohnprojekte (nicht nur in Siebenlinden) sind für eine Gemeinschaft eine Herausforderung. Aber es geht natürlich! Das gelang in Siebenlinden durchaus, und ein anderes gelungenes Genossenschaftsprojekt ist die Genossenschaft „Wagnis eG“ (Webseite: www.wagnis.org): Hier werden genossenschaftliche Bauprojekte im Raum München verwirklicht.
Wer über Lebensraum in der Zukunft nachdenkt, dem muss auch klar sein, dass bestimmte Lebensräume nicht mehr „zukunftsfest“ sind. Die relevanten Stichworte sind „Anstieg des Meeresspiegels“, „Zurückgehende Regenmenge“, „Flutkatastrophe Ahrtal“. Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, “ Ralph Tiesler , erklärt unlängst: “Als Bevölkerungsschützer sage ich, dass manche Flächen aufgrund des Klimawandels und der akuten Bedrohung durch Unwetterkatastrophen und Flutkatastrophen nicht wiederbesiedelt werden sollten. Auch an den Küsten stellt sich diese Frage“
Und last but not least ein Faktum zur Abrundung des Gesamtbildes: Während die aktuelle Bundesregierung als Antwort auf explodierenden Immobilienpreisen und Wohnraummangel (in Großstädten) jährlich 400 000 neue Wohnungen bauen will, bietet sich in Teilen Ostdeutschlands ein anderes Bild: Seit der Jahrtausendwende wurden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hunderttausende Wohnungen abgerissen; Tausende von Wohnungen stehen weiterhin leer, der Rückbau geht also weiter.