Es sind die META-Themen, die unsere Zukunft definieren: (1) Das Ausmaß der Klimakrise und unsere Antwort darauf, (2) Die Disruptionen auf Arbeitsmarkt und Produktivität durch die KI-Entwicklung und (3) die geopolitische Dynamik durch den Aufstieg der neuen Großmacht China.

Hier im Überblick.

Künstliche Intelligenz (KI)

Die Dynamik der Entwicklung von KI-Anwendungen hat viele überrascht … viele Experten von KI wohlgemerkt. Unter anderem den Philosophen Nick Bostrom, der an der Universität Oxford lehrt und 2014 einen Bestseller zu KI (und den damit verbundenen Risiken) geschrieben hatte: „Superintelligenz. Szenarien einer kommenden Revolution“ (Eine Buchvorstellung bzw. Executive Summary gibt es HIER)

In einem jüngst veröffentlichten Handelsblatt-Interview gibt Bostrom auf die Frage ” Wann wird Ihrer Meinung nach die Künstliche Intelligenz die menschliche übertreffen?“ folgende Antwort: “Ich habe da keine bestimmte Jahreszahl im Sinn, es gibt zu viele und zu unsichere Faktoren. Aber ich denke, dass die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass wir das in eher naher Zukunft erleben. Als ich 2014 „Superintelligenz“ geschrieben habe, hätte ich nicht gedacht, dass die Entwicklung so rasch voranschreitet.“

Während Bostrom eher verschiedene Missbrauchs-Szenarien (durch aggressive, repressive Regime) vor Augen hatte, beschäftigte sich der Buchautor, Ökonom und Wirtschaftshistoriker Carl Benedikt Frey (ebenfalls Universität Oxford) mit dem Impact von KI auf dem Arbeitsmarkt; seine Veröffentlichung THE FUTURE OF EMPLOYMENT: HOW SUSCEPTIBLE ARE JOBS TO COMPUTERISATION? (Download: HIER) erfolgte vor ziemlich genau 10 Jahren und zählt zu den meistzitierten wissenschaftlichen Papieren, wenn es um die Diskussion des Arbeitsmarktes in der Digitalen Ökonomie geht. In der Studie untersucht er etwa 700 Jobprofile und kommt zu dem Schluss, dass 47 Prozent der Jobs in absehbarer Zukunft automatisiert werden können bzw. könnten. Diese Studie löste damals eine Welle von ähnlichen Studien diverser Institutionen, Beratungshäuser und Verbände aus. Und die Diskussion ist nun wieder da – mit voller Wucht. Man denke nur an Axel Springer, IBM, British Telecom.

Sie haben vielleicht auch verfolgt, das führende KI-Unternehmer auf regulatorische Rahmenbedingungen drängen. So hat etwa Sam Altman, Co-Gründer von Open AI, eine globale Kontrollinstanz für KI gefordert. Auf dem jüngst veranstalteten G7-Gipfel erklärten die in Hiroshima versammelten Staats- und Regierungschefs, künftig gemeinsam Regeln für die Entwicklung von KI aufstellen zu wollen. Etabliert wurde dafür eigens ein Ministerformat, genannt. „Hiroshima-KI-Prozess“

Für den HIstoriker und Bestsellerautor Yuval Harari besteht das Risikopotential von KI, oder spezifischer: von Generativer KI in Folgendem. Zum einen kann KI inzwischen Intimität mit Menschen herstellen, und zwar mit Hunderten von Millionen Menschen. Wenn es zukünftig einen „persönlichen (KI) Assistenten gibt“, dann übt dieser einen enormen Einfluss auf Kaufentscheidungen und politische Ansichten aus. Zum anderen steht KI an einem Punkt, wo KI über deren Zugang zu Sprache und Bildsprache die kulturellen Artefakte von Gesellschaften erschließen kann, als da wären Religion oder das Rechtssystem. Das Worst Case Szenario von Harari sieht wie folgt aus: ”AI takes over culture. (…) AI could eat the whole of human culture, digest it and start gushing out a new flood of cultural creations. (…) And remember, we humans have never direct access to reality, we are always cocooned by culture and we always experience reality through a cultural prism.”.

Harari führt dies aus in einem sehr sehenswerten Vortrag mit dem Titel AI and the future of humanity (YouTube, Englisch, 40 min):

Ich möchte mit einem halbwegs versöhnlichen Schluss enden. Auszügen aus einem Interview mit Marc Andreesen, einer der bekanntesten Tech Investoren. In einem jüngst veröffentlichten und vielbeachteten Artikel formuliert er (Auszüge):

Will AI take all of our jobs?
Andreesen: “(…) technology empowers people to be more productive. This causes the prices for existing goods and services to fall, and for wages to rise. This in turn causes economic growth and job growth, while motivating the creation of new jobs and new industries. In short, no. AI is likely going to increase productivity by automating certain tasks, while allowing us to pursue newer ones.”

The actual risk of not pursuing AI
Andreesen: “China has a vastly different vision for AI than we do – they view it as a mechanism for authoritarian population control, full stop. The single greatest risk of AI is that China wins global AI dominance and we – the United States and the West – do not.“

Klima

Zum Klima ist eigentlich alles gesagt, und die kompakteste Zusammenfassung liefert meiner Meinung nach der Meteorologe Sven Plöger in einem Handelsblatt Podcast – und zwar auf die Frage, wie eine Welt aussieht, die 4 Grad wärmer ist:

“Wie war die Situation, wenn es vier Grad kälter ist. Und da gucke ich einfach ans Ende der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren. Wie sah‘ die Welt aus? Eine vier Grad kältere Welt, das ist eine Welt, wo Sie zum Beispiel keine Alpentäler mehr finden, weil alles voller Eis ist. Da lebt dann kein Mensch. Berlin: 500 Meter unter Eis. (…) Skandinavien: Zwei-Komma-Drei Kilometer unter Eis. Boston, New York, solche Städte: Anderthalb Kilometer unter Eis. Das heißt, der Satz geht ganz einfach: Eine vier Grad kältere Welt hat mit der heutigen Welt nichts zu tun. Und dann ist es auch klar, dass auch eine vier Grad wärmere Welt mit der heutigen Welt nichts zu tun hat.“

Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto größer erscheint die Herausforderung. Aber Aufgeben ist keine Lösung, Pessimismus ist eine Art Denkfaulheit, ich halte es hier mit Tim Jackson, Professor of Sustainable Development: “Optimismus ist ein Akt des Willens. Optimismus ist etwas, das sich ein Fußballteam bis zum Ende erhalten muss, wenn es gewinnen will … auch wenn es ein Tor zurückliegt.“

Bei der Bewältigung der Klimakrise wird Technologie eine Rolle spielen, weit bedeutender dürften aber Kulturtechniken sein. Unter „Kulturtechniken“ fallen etwa Hygiene (die maßgeblich für die Verlängerung der Lebenserwartung verantwortlich ist); auch (stabilie) politische Regime fallen darunter, die in Kerneuropa für eine lange Friedenszeit gesorgt haben; und ein weiteres Beispiel: das Rechtssystem etabliert funktionierende Märkte. Schauen wir uns das Paar Technologie und Kulturtechnik näher an:

Trotz der Zunahme Erneuerbarer Energien, wird Energie – auch langfristig!! – ein knappes Gut bleiben. Ein Gesprächspartner erklärte mir demgegenüber jüngst triumphierend, der Fusionsreaktor würde ja bald alle Probleme lösen … aber das ist natürlich hoffnungslos naiv. An der Stelle genügt ein Blick auf den Bau des modernen Druckwasserreaktors (ERP) in Olkiluoto (Finnland), um ein Gefühl für die Herausforderungen mit High-Tech im Kraftwerksbau zu erhalten: Der EPR mit einer Leistung von 1.600 Megawatt sollte bei Baubeginn 2005 drei Milliarden Euro kosten und ab 2009 Strom erzeugen – Fakt ist: Das AKW ging aufgrund diverser Probleme / Herausforderungen 12 Jahre später ans Netz, die Kosten explodierten von angesetzten 3 Milliarden auf 10 Milliarden. Kurz: Fusionsenergie wird frühestens in 30 oder gar 50 Jahren zur Verfügung stehen.

Wir müssen also eine Antwort auf die Klimakrise mit den heute vorhandenen und nutzbaren Technologien finden, und dürfen unsere Zukunft nicht auf einen deus ex machina bzw. deus ex Forschungslabor setzen. Wer auf Technologien setzt, darf zudem den Rebound-Effekt nicht vernachlässigen, der Effizienzgewinne eben dieser Technologien in vielen Fällen durch Mehrkonsum (über)kompensiert; zur Erläuterung dieses Effekts vergleiche HIER.

Welche Kulturtechniken könnten relevant werden? – Zunächst lässt sich feststellen: Wohlstand löst auf bequeme Weise Verteilungsfragen. Ich habe beispielsweise Zwillinge, und vielfach wäre es einfacher, Streit um Spielzeug zu lösen, indem man solche Spielsachen zwei Mal vorhält; ganz analog dazu gibt’s in vielen Haushalten zwei Fahrzeuge (oder mehr), das Flächen-/Raumangebot in Haushalten steigt, undsoweiter. Verteilungsfragen lassen sich mit Wohlstand lösen, aber eben auch mit Regeln des Miteinander, die auf eine echte „Sharing Economy / Society“ ausgerichtet sind – da sind wir heute noch lange nicht – so allgegenwärtig dieses Buzz-Word auch sein mag. Den diese „soziale Lösung“ ist anstrengend … das Potential wiederum ist gewaltig. Umgekehrt schafft Sharing auch Wohlstand! Wenn ich das Auto des Nachbarn für einen Einkauf ausleihen kann, wenn meine Kinder im Garten des Nachbarn spielen können, dann ist das ein Zugewinn an Komfort, Lebensqualität – kurz: Wohlstand.

Der Begriff von Lebensqualität (und Lebensglück) jedes Menschen ist dabei sehr individuell; klar ist auch, dass wir keinen „ressourcen-schonenden“ Begriff von „Lebensqualität“ verordnen können, denn Lebenssinn und Lebensstile entziehen sich in freiheitlich-demokratischen Gesellschaften staatlicher Einflussnahme. Gerade weil etwa im Zusammenhang mit Investitionen in eine klima- und ressourcenschonende Wirtschaft aktuell diskutiert wird, dass dies „Wohlstand koste“, sollte man sich den hier verwendeten Wohlstandsbegriff, und die Genese unserer Vorstellung von Wohlstand und Lebensqualität mal genauer anzuschauen. Unser je individueller Begriff von Lebensqualität und Wohlstand entsteht auf Social Media, beim Medienkonsum, beim Konsum von Werbung, beim Gespräch mit Freunden und Nachbarn. Und natürlich, unsere Vorstellung von Lebensqualität wird natürlich auch von den Möglichkeiten beeinflusst, vor allem von technologischen Möglichkeiten (im Übrigen beeinflusst Technologie auch in anderer Weise unsere Vorstellungen von Wohlstand, Lebensglück … oder Schönheit: Man verfolge nur einmal die Diskussion um Filter auf Twitter, TicToc & Co. … wo technologische Spielereien den Schönheitsbegriff – ja, so kann man das sicher sagen – „verschärfen“; mit teils unglücklichen Folgen vor allem für jüngere Frauen, deren Selbstbild noch nicht gefestigt ist).

Unser Vorstellungen von Lebensqualität, unser Begriff von Wohlstand ist also ein gesellschaftliches, gleichzeitig ein individuelles Konstrukt, das sich aus Diskursen speist (und auch aus Welterfahrung – aber auch Welterfahrung wird diskursiv gefiltert und vorstrukturiert). Nun, gerade aktuell wird klar, dass mit Generative AI ein Werkzeug zur Verfügung steht, mit dem auf massive Weise Diskursbeiträge generiert werden können, und zwar auf Individuen maßgeschneidert zugeschnitten. Ein vieldiskutiertes Risiko ist die „Desinformation“. Gerade angesichts dieser Verschiebung im Kräfteverhältnis der Diskursteilnehmer sollten wir eben das Ergebnis solcher Diskurse kritisch hinterfragen. Und das kritische Hinterfragen von Wohlstandsgewohnheiten und Wohlstandsbildern sollte durchaus auch anhand des (für die Zukunft eminent wichtigen) Kriteriums der Nachhaltigkeit erfolgen. Denn letztlich finden diese unsere Wohlstandsbilder/-wünsche/-träume immer auch Eingang in Wirtschaftspolitik, Rechtssysteme, Produktdesign, Werbungsnarrative und so Vieles mehr.

China

Wir erleben seit Jahren eine zunehmende Spannung zwischen der „alten“ Großmacht USA und der „neuen“ Großmacht China. Die Felder, auf denen um Vorherrschaft gerungen wird sind vielfältig: KI-Technologie, Elektromobilität, Solarindustrie, Chipindustrie. Die Mittel der Wahl reichen von Zollerhöhungen bis Exportverboten von High-Tech. Diese Spannung werden in absehbarer Zeit nicht abnehmen, denn diese gehen zwangsläufig mit der Neuordnung der weltpolitischen Machtverhältnisse einher; gleichwohl muss es Ziel internationaler Diplomatie sein, eine Eskalation zu vermeiden.

China hat in vielen Industrien zu den Industrieländern aufgeschlossen, ist bisweilen gar führend (z.B. Elektromobilität, 5G Telekomtechnologie), gleichzeitig vollzieht das Land unter dem gegenwärtigen Präsidenten Xi Jinping eine politische Kurskorrektur. Der China-Kenner und ehemalige Chefredakteur des Handelsblatts, Bernd Ziesemer ordnet diese neue politische Ausrichtung in der historischen Entwicklung wie folgt ein: “Deng Xiaoping setzte Ende 1978 ein völlig anderes Wirtschaftsmodell durch, das über 30 Jahre lang hielt: Befreiung der Bauern, Freiräume für private Unternehmer, eine exportorientierte Wachstumsstrategie. Seit seinem Machtantritt 2012 wendet sich Xi Jinping Schritt für Schritt von dieser Politik Dengs ab. Die neue politische Linie lautet: im Zweifel lieber Stabilität als Dynamik, lieber weniger Wirtschaftswachstum als zu viel Einfluss großer privater Konzerne wie Alibaba oder Tencent. (…) Und noch ein sehr großer Unterschied fällt auf: Alle Parteiführer redeten stets von der Rückkehr Taiwans in die „Arme des Mutterlands“ und schlossen dafür auch niemals den Einsatz von militärischer Gewalt aus. Aber erst unter Xi Jinping setzt sich eine Kriegsökonomie durch.“

Für Deutschland ist diese Entwicklung zweifellos eine Herausforderung, die Gefahren für den Freihandel sind gerade für eine Exportnation wie Deutschland kritisch; die BRD wäre klar ein Verlierer von Ent-Globalisierung. Die Suche nach Antworten läuft, nicht zuletzt auf europäischer Ebene. De-Coupling, De-Risking lautet gegenwärtig die wirtschaftspolitische Devise.

Das naive Vertrauen in „Wandel durch Handel“ ist passé. China wird seine autokratischen Strukturen behalten, und zur Festigung dieser Strukturen etwa auch KI-Technologie einsetzen (Stichwort: Social Scoring). China ist Systemrivale – und gleichzeitig als „Werkbank der Welt“ wichtiger Handelspartner sowie Lieferant wichtiger Bausteine für den Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft (z.B. Elektrobatterien, Solarmodule). In der wirtschaftspolitischen Praxis erfordert das einen Balanceakt mit viel Fingerspitzengefühl.

Kennen Sie übrigens die 4K-Regel? …

So, die 3K-Regel kennen Sie nun. Von der 4K-Regel haben Sie bestimmt auch schon gehört, oder? Wenn nicht: Hier geht’s um die Kernkompetenzen für einen Arbeitsmarkt in der digitalen Ökonomie. Nämlich. Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und Kritisches Denken.

Mehr dazu in diesem Blogartikel: Kompetenzanforderungen im Zeitalter der Digitalisierung und notwendige Rahmenbedingungen

Zum Weiterlesen (je 3 Artikel zu Klima, KI und China)

  • ”How the world really works” von Vaclav Smil
  • Erziehung zur Nachhaltigkeit: Ein Dad packt aus
  • Wo ist die Produktivitätsrevolution der 4ten Industriellen Revolution? Oder: Wie Effizienzgewinne aufgefressen werden
  • „Menschenversteher. Wie Emotionale Künstliche Intelligenz unseren Alltag erobert“ – Buchempfehlung
  • Buchempfehlung: „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“
  • Blick in die Zukunft: Der „Tech Trend Report 2023“ des Future Today Instituts
  • Warum Xi Jinping Chinas politische Ökonomie radikal ändert (im: Handelsblatt)
  • Internationale Politik: „Aus Chinas Sicht ist Europa auf dem falschen Weg“
  • Warum China bei generativer KI weit zurückliegt
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    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.