Die „Digitalisierung der Deutschen Wirtschaft“ ist für viele noch eine abstrakte Idee. Dabei lässt sich dieses Schlagwort auf zwei Kernfragen herunterbrechen?

  • Erstens, welcher Anteil an Arbeitsprozessen und Entscheidungen wird bereits mit digitalen Tools vereinfacht und beschleunigt?
  • Zweitens, welcher Umsatzanteil wird mit Digitalen Produkten bzw. Serviceangeboten realisiert?
  • Für viele Unternehmen mag ein „Digitales Produkt“ keine oder nur eine eingeschränkte Rolle spielen (z.B. für den Heizungsinstallationsbetrieb). Aber Digitale Prozesse sind ein Muss für alle. Zu Beginn der „Digital Roadmap“ steht dabei häufig ein Dokumentenmanagementsystem (im Folgenden: DMS). Dokumente werden systematisch digitalisiert, digital bearbeitet und abgespeichert. Für jeden Dokumententyp lassen sich Bearbeitungsprozesse (Workflows) definieren, so dass Dokumente zielgerichtet zum zuständigen Bearbeiter gelangen und die vorgegebenen Bearbeitungs-/Freigabeprozesse durchläuft. Die Archivierung ist revisionssicher. Die Volltextsuche macht die Suche nach Dokumenten blitzschnell. Mit Kunden- oder Auftragsakten werden Daten / Informationen systematisch zusammengeführt.

    Über Entwicklungen im Markt der Dokumentenmanagementsysteme (DMS) spreche ich mit Martin Fecker (Zum LinkedIn-Profil). Er ist Geschäftsführer der PROXESS GmbH (www.proxess.de): Vor über 25 Jahren wurde das Unternehmen aus der Taufe gehoben und zählt zu den Pionieren in dem Marktsegment. Mit über 2.800 Kunden ist das Unternehmen am Puls der Zeit.

    Sebastian Zang: Hallo Martin, dem Marktsegment der DMS werden in Studien etwa sechs Prozent Wachstum zugetraut in den nächsten Jahren. Kommt das Wachstum vor allem von Unternehmen, die ein solches System erstmalig einführen? Oder sind Modernisierungsinvestitionen die wichtigeren Wachstumstreiber?
    Martin Fecker: Nun, wir als DMS-Anbieter profitieren eindeutig vom pandemiebedingten Digitalisierungsboom. Bei uns teilt sich der Umsatz der letzten 12 – 18 Monate in etwa auf 70 % Bestandskundengeschäft und 30 % Neukundengeschäft auf. Viele Bestandskunden erweitern jetzt ihre vorhandene DMS-Lösung um neue Module, wie zum Beispiel den digitalen Freigabe- und Prüfungsprozess von Kostenrechnungen. Bei unseren Bestandskunden ist die mentale Hürde zur DMS-Investition wesentlich geringer; die Entscheidungsprozesse sind dadurch kürzer. Man kennt sich, hat schon Erfahrung im Bereich DMS-Projektmanagement gesammelt und hatte diese Erweiterungsprojekte oft sowieso schon geplant. Aber auch das Neukundengeschäft hat durch Corona eindeutig an Fahrt aufgenommen.

    Sebastian Zang: Unternehmen führen ja ein DMS ein, um das Chaos bei der Dokumentenablage zu bewältigen und lange Suchzeiten zu minimieren. Workflows vermeiden zudem die Odyssee von Dokumenten durch diverse Postfächer. Habt ihr konkrete Zahlen, wieviel Arbeitszeit durch ein solches System eingespart wird? Wenn ja, wie schnell amortisiert sich dann die Einführung eines DMS?
    Martin Fecker: Eine Quantifizierung ist sehr schwierig. Das liegt daran, dass die meisten Unternehmen gar nicht wissen bzw. nicht sagen können, wie groß ihre „Kostenstelle Suchen“ aktuell überhaupt ist. Je nach Einsatzbereich im Unternehmen und dem dort „herrschenden Chaos“ sind daher die Amortisationszeiten extrem unterschiedlich. Der Hauptsächliche Benefit eines DMS liegt neben der eingesparten Zeit für Ablage und Suche von Dokumenten in den schlankeren und transparenteren Prozessen. Viele Unternehmen spüren diese Entlastung sofort ab dem ersten Tag an. Doch spätestens nach 12 bis 18 Monaten haben sich nach unseren Erfahrungen die durchschnittlichen Investitionskosten für ein DMS amortisiert.

    Martin Fecker – Geschäftsführer der Proxess GmbH

    Sebastian Zang: Welche Unterschiede beobachtest Du zwischen Lösungen für den Enterprise Markt einerseits und klein- bis mittelständische Unternehmen andererseits?
    Martin Fecker: Kleine bis mittelständische Unternehmen achten natürlich mehr auf den Preis. Daher sind hier Standardlösungen gesucht, gerne auch als flexible SaaS-Lizenz mit geringen Startinvestitionen. Im Enterprise-Markt stehen dagegen vorhandene Integrationen zu den eingesetzten Drittsystemen wie ERP/CRM/FiBu und individualisierbare DMS-Lösungen als Schlüsselkriterien ganz weit oben. Mit PROXESS können wir glücklicherweise beiden gerecht werden. Denn PROXESS gibt es skalierbar von der kleinen fix- und fertig konfigurierten Standardlösung bis hin zur Enterprise-Edition für verteilte Standorte, große Belegvolumina und mit vielen vorhandenen Integrationen beziehungsweise mit offenen Standard-Schnittstellen.

    Sebastian Zang: Was sind neue Entwicklungstrends rund um Systeme für das Dokumentenmanagement?
    Martin Fecker: Wir sind ja bereits seit den Anfängen der digitalen Archivierung Anfang der 90er Jahre im DMS-Markt aktiv. Anfangs ging es den Unternehmen hauptsächlich darum, wie ein Papierarchiv durch ein gesetzeskonformes digitales Archiv ersetzt werden kann und um einen schnelleren Zugriff auf die Dokumente. Die Umwandlung von Papierdokumenten in digitale Unterlagen war damals das bestimmende Thema.

    Heute sind viele Dokumente bereits digital vorhanden und der Focus liegt auf der Prozessoptimierung. Durch die nahtlose Integration und Zusammenarbeit mit anderen IT-Systemen wie ERP, FiBu HR oder CRM-Systemen können viele Standardprozesse heute komplett automatisiert werden.

    Ein weiterer Trend sind Workflowlösungen für spezielle Unternehmensbereiche wie HR oder Vertragsmangement. Diese Lösungen sind durch passende Standardvorlagen, Prozesstemplates und Reportingmodule besonders schnell und leicht in der Praxis einsetzbar.

    Aktuell werden die DMS-Lösungen für neue Technologien wie cloudbasierte Plattformen technologisch fit gemacht. PROXESS bietet beispielsweise einen reinen cloudbasierten und installationsfreien Client an. Auch Apps für mobile Clients sind ein wichtiger Trend, oft auch mit einem speziellem Funktionsumfang, wie zum Beispiel Rechnungsprüfung und -freigabe von unterwegs.

    Die zunehmenden Hackerangriffe schärfen übrigens auch im DMS-Markt das Bewusstsein für Sicherheitsfeatures wie integrierter Zugriffsschutz, Datenverschlüsselung und Datensicherheit.

    Sebastian Zang: Welche neuen Features sind für die Software PROXESS in naher Zukunft zu erwarten?
    Martin Fecker: Es wird in naher Zukunft einige interessante neue Funktionen zur intelligenten Dokumentverknüpfung geben. Dokumente, die logisch zusammengehören, werden von PROXESS so automatisch miteinander verknüpft, so dass der Anwender sehr bequem und geführt “von einem Beleg zum nächsten Beleg wandern” kann.

    PROXESS wird aktuell um eine neue App erweitert, die speziell auf die Bedürfnisse von mobilen Arbeitsplätzen ausgerichtet ist. Beispielsweise können mit der App Belege mit dem mobilen Endgerät fotografiert und ins Archiv hochgeladen werden.

    Der Ausbau von PROXESS als Cloud-Plattform ist ebenfalls im Focus. Ziel ist ein SaaS-Lizenzmodell, bei dem Kunde selbstständig neue Lizenzen oder Funktionen hinzubuchen und bei Bedarf auch wieder kündigen kann.

    Sebastian Zang: Ein DMS ist ja in manchen Fällen auch Antwort auf gesetzliche Anforderungen. Was sind typische Regularien und gesetzlichen Anforderungen, die Eure Kunden mit der Einführung eines Dokumentenmanagementsystems erfüllen wollen?
    Martin Fecker: Richtig ist, dass manche, meist kleinere und mittelständische Unternehmen, ihre Belege als Dateien auf Fileservern ablegen, was natürlich nicht rechtskonform ist. Kleinere ERP-Lösungen haben solche Fileablage-Systeme manchmal bereits im Standard integriert, mit dem Ziel der schnellen Beauskunftung aus dem System heraus. Aus gesetzlichen Gründen müssen alle Unterlagen dann aber zusätzlich auch noch in Papierform in Aktenordnern abgeheftet werden.

    Abhilfe schafft hier ein sogenanntes GoBD-konformes DMS. In den GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“) stehen alle gesetzlichen Anforderungen, die für den Einsatz von DMS-Systemen relevant sind. Wir von PROXESS lassen uns vom TÜV regelmäßig prüfen und bestätigen, dass unsere beiden aktuell eingesetzten Lösungen PROXESS DMS und HABEL DMS „GoBD-konform“ sind.

    DMS-Systeme helfen natürlich auch dabei, die DSGVO-Anforderungen zu erfüllen. Hier denke ich insbesondere an das individuelle Auskunftsrecht und Löschrecht.

    Sebastian Zang: Wie hoch ist eigentlich die Bereitschaft im Deutschen Mittelstand, Dokumente in der Cloud abzulegen? Heißt: Dokumentenmanagement-as-a-Service. Gibt es bestimmte Branchen, die als „early adopter“ agieren? Und einige Branchen, die besonders skeptisch sind?
    Martin Fecker: Auch wenn das Thema in den Medien stark „gehypt“ wird, kann ich als Hersteller sagen: Die meisten Unternehmen setzen aktuell noch auf die klassische On-Premise-Variante. Aus dem Bereich Großkunden und großer Mittelstand erreichen uns einige zarte Anfragen hierzu. Doch der inhabergeführte Mittelstand ist hier eher noch zögerlich, das zeigen unsere Erfahrungen.

    Sebastian Zang: Lieber Martin, vielen Dank für Ihre Zeit und dieses Gespräch! Vor allem aber wünsche ich PROXESS weiterhin viel Erfolg und Dir die besten Wünsche für die Gesundheit!

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    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.