“Digital-X: Weltausstellung der Digitalisierung“ – Das ist selbstbewusst, und das ist vor allem auch das (neue) Selbstbewusstsein des Ausrichters, nämlich der Telekom. Die Veranstaltung gibt es seit 2018, die Ergänzung „Weltausstellung der Digitalisierung“ seit 2021. Und das Selbstbewusstsein hat Gründe.
Zum einen hat sich die Veranstaltung selbst in punkto Messebesucher, Qualität und Line-Up an Redner gegenüber der hub.berlin (Digitalmesse der bitkom) als führende digitale Leitmesse in Deutschland durchgesetzt (vgl. Blogpost: Hub.berlin 2022 – Review zur Digitalmesse); in 2022 finden sich unter den Rednern etwa Allianz-Chef Oliver Bäte, Apple-Mitgründer Steve Wozniak oder Hollywoodstar und Unternehmerin Jessica Alba; der Erfolg der Veranstaltung spiegelt sich in zahlreichen Awards, gerade auch wegen eines innovativen Veranstaltungskonzepts außerhalb von Messehallen, inmitten des Stadtkerns von Köln.
Zum anderen spiegelt sich hier das (neue) Selbstbewusstsein der Telekom selbst. Das wird in der Eröffnungsrede von Timotheus Höttges deutlich, der als einer der besten Rednern unter den CEOs der großen Unternehmen in Deutschland gilt – zu Recht. Eine wirklich gute Rede (sobald die Rede in der Mediathek verfügbar ist, stelle ich den Link dazu auf diesem Blogpost bereit). Er stellt kritisch (und provokativ) fest, dass „made in Germany“ ramponiert sei, benennt (die aus seiner Sicht) wichtigsten Ursachen dafür und formuliert Forderungen bzw. einen Appell als Lösungsansätze. Dabei ist er ganz und gar nicht zimperlich, und er tragt das Ganze mit glaubhafter emotionaler Wucht vor. Etwa ein Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis, der stolz auf rund 1.500 digitalisierte Verwaltungsdienstleistungen in Griechenland verweisen konnte. Deutschland: 35 – ein „Skandal“. Höttges ist fassungslos (und wir natürlich auch). Und immer seien die anderen Schuld – Berlin zeige auf die Bundesländer, und die Länder auf Berlin. (Zugegebenermaßen: Ein solches verantwortungsloses Vor-sich-Hinwursteln gäbe es natürlich auch in Unternehmen). Die Grundsteuer nennt er als weiteres Beispiel aus dem Schwarzbuch der gescheiterten Politikprojekte über Bundesländergrenzen hinweg. Sein Fazit: Wir brauchen eine grundlegende Reform der politischen Governance.
Aber zurück zum neuen Selbstbewusstsein der Telekom. Als Ursachen für eine geschwächte Position der Deutschen Wirtschaft benennt Höttges (neben oben genannter Verantwortungslosigkeit) einen Mangel an Investitionen, auch das „Innovators Dilemma“ und etwas, das er das „Roulette-Symptom“ nennt: Unternehmen setzten auf zu viele Themen, statt die Kräfte (und Investitionen) auf ein Thema zu bündeln – und zwar aus Angst, auf das falsche Thema zu setzen. Das Ergebnis: Dann ist man eben nicht mehr ganz vorne mit dabei. Und eben hier habe die Telekom – so Höttges – konsequent die Kräfte darauf gebündelt, bei Infrastruktur ganz vorne mitzuspielen. Und gemessen an Marktkapitalisierung ergibt sich für die Telekom in der Tat eine bemerkenswerte Success-Story:
In der Amtszeit von Höttges als CEO (2013 bis 2022) wurde die Telekom klar zum Europäischen Marktführer, und zwar mit einer Marktkapitalisierung, die inzwischen über jener von Vodafone, Telefónica und Orange in Summe liegt; in der Erzählung von Höttges erscheint der Aufstieg der T-Mobile US (auch nach Marktkapitalisierung) gerade märchenhaft: Von Rang 6 oder 7 (genau habe ich mir das nicht gemerkt) auf … Platz 1! Die einstige #1, nämlich AT&T, rutschte ab (vergleiche etwa folgende Quellen zur Verifizierung: Marktkapitalisierung T-Mobile US, Marktkapitalisierung AT&T). Im Übrigen wird die Telekom nach Handelsblatt-Recherchen in diesem Jahr sogar den höchsten Nettogewinn in ihrer Firmengeschichte einfahren.
Bei näherem Hinsehen darf man die Lesart von Timotheus Höttges zur Success Story der Telekom vermutlich etwas relativieren: Ein Telekom-Konzern ist vom Unternehmenszweck ganz grundsätzlich ein Infrastruktur-Konzern, ein strategischer Fokus auf Infrastruktur ist also eigentlich selbstverständlich. Aber Höttges dürfte auf Eskapaden wie die von AT&T anspielen, die 2016 den Medienkonzern Times Warner erwarben, nur um eben diesen Konzern Anfang 2022 wieder abzustoßen. Im Übrigen probiert auch die Telekom durchaus mal das ein oder andere aus, etwa den Smartspeaker Magenta (der in Deutschland ca. 2% Marktanteil hat). Wie auch immer man die strategische Stringenz der Telekom bewertet: Die Marktposition ist Fakt. Und eben darin liegt das Selbstbewusstsein begründet.
Es dürfte sicherlich auch ein wenig diese Position der Stärke sein, die die Telekom befähigt hat, mal ein neues Veranstaltungskonzept auszuprobieren. Was dafür spricht: Der Zusatz „Weltausstellung der Digitalisierung“ wird just in dem Jahr hinzugefügt, als das dezentrale Messe-/Eventkonzept ausprobiert wird. Chapeau. Ich halte die Digital-X für eine durchweg gelungene Veranstaltung – die Messe profitiert, Köln profitiert.
In diesem Jahr konnte ich mir leider nur einen Tag Zeit nehmen für die Messe, aber ich habe eine Reihe von Impulsen und Geschäftskontakte mit Potential mitgenommen. Und ich hatte eine Menge Spaß; hier bin ich etwa mit einer HoloLens-Brille, die eine Mixed Reality erschafft. In diesem Fall stand ich vor einem Formel 1 – Rennwagen, den ich von allen Seiten betrachten konnte … Reinsetzen funktioniert natürlich noch nicht:
Und das Beste zum Schluss. Mich gibt’s jetzt als fotorealistischen Avatar. Die Firma doob group AG (Webseite: www.doob.eu) erstellt Avatare; dazu hatte doob ein Scan-Studio auf der Digitalmesse aufgebaut, eine große Zylinder-förmige Kabine, wo ein Ganzkörperscan erfolgte. Der Scan dauerte mit Vorbereitung gerade mal drei Minuten. Die Daten wurden für die Erstellung dreier Standard-Emojis genutzt, und die Daten wurden DSGVO-konform direkt im Anschluss gelöscht. Hier ist das Ergebnis: