50 Prozent der M&A Deals erzielen nicht die erhofften Ergebnisse (einige Marktbeobachter sind sogar noch pessimistischer). Umso wichtiger, ein Maximum an Informationen in den M&A Entscheidungsprozess einfließen zu lassen und mithilfe von maximaler Markttransparenz wirklich das passende Target auszuwählen. Gleichzeitig gilt, dass die Anforderungen an M&A wachsen: Mehr Deals, weniger Kosten, mehr Compliance … . Ohne digitale Tools lassen sich diese Erwartungen an M&A de facto nicht mehr erfüllen. Hier ein Überblick nützlicher Tools, die ich mir angeschaut habe und von denen ich einige nutze – andere wiederum sind auf der „Watch-List“.

Was heißt eigentlich Markttransparenz? – Ganz einfach: Allein im DACH-Raum gibt es jährlich etwa 20.000 On-Market Targets, und es gilt: Die Zahl der sogenannten „Off-Market Targets“ – (noch) nicht im Offering – ist demgegenüber nochmals deutlich größer. So wird etwa die Zahl der Unternehmen, die unter gewissen Marktsituationen verkaufen, auf rund 85.000 geschätzt. Und wer den geographischen Scope über den DACH-Raum erweitert, ist schnell im sechsstelligen Bereich. Gleichzeitig gilt, dass der M&A Beratermarkt außerordentlich fragmentiert ist, allein im DACH-Raum gibt es mehrere Tausend Berater.

Der erste sinnvolle Schritt für ein möglichst breit angelegtes Deal Sourcing ist – neben einem guten Netzwerk an M&A Beratern – die Registrierung bei einer „Matchmaking“-Plattform. Beta Systems Software AG ist bereits registriert bei DealCircle; dabei handelt es sich um eine Plattform (ein Start-Up), das es seit 2018 gibt: www.dealcircle.com. Fokus ist hier klar der europäische Markt. Registrierung ist kostenfrei, das Geschäftsmodell basiert auf einer Erfolgsfee für den Fall der erfolgreichen Vermittlung.

Die Plattform www.dealsuite.com gibt es etwas länger, seit 2017. Vergleiche auch das Interview auf diesem Blog mit dem Managing Director für DACH, Alexandre Narayanin: Interview mit Alexandre Narayanin über Dealsourcing mit DealSuite. Der Prozess zur Evaluierung von DealSuite ist Work-In-Progress; DealSuite setzt auf eine jährliche Nutzungsgebühr im niedrigen 5-stelligen Bereich – für Corporates und M&A Berater gleichermaßen.

Deal Sourcing ist natürlich mehr als Abwarten, was M&A Berater an uns herantragen. Entweder man beauftrag eine M&A Boutique mit Target-Search, oder man macht das selber. Methodik und Quellen sind vielfältig: Das reicht von Google-Search bis hin zur Nutzung von unternehmens-internem KnowHow über das Wettbewerbsfeld, die Lieferanten und Technologie-Partner. Und es gibt inzwischen zahlreiche Company Search Engines, die allesamt mit mehr oder weniger KI arbeiten. Ein deutscher Anbieter ist www.delphai.com. Das Berliner StartUp wurde 2020 gegründet, die Bedienoberfläche ist sehr intuitiv. Es werden alle öffentlich verfügbaren Daten ausgewertet, Pressemitteilungen, Unternehmenswebseiten und Ähnliches. Das Unternehmen setzt dabei – in Abgrenzung zu Mitbewerbern – NICHT auf eine wie auch immer gearbeitete Taxonomie von Unternehmensaktivitäten, sondern: Nutzer können Keyword-basiert Suchen starten, so dass etwa auch feingranulare Suchen durchgeführt werden können. Vergleiche auch das Interview auf diesem Blog mit dem Head of Sales and Strategy: Interview mit Nikolaus Grefe über Dealsourcing mit delphai.

Was alle Anbieter solcher Company Search Tools anbieten, sind diverse Filtermöglichkeiten, angefangen von Geographie, Unternehmensgröße und Ähnlichem. Auch Infos/Daten zu Patenten sind verfügbar. Anbei ein Blick auf die Bedienoberfläche von Delphai:

Ein US-Player, der deutlich länger im Markt ist: Das Unternehmen www.cyndx.com. Es wurde bereits 2013 gegründet, die Datenbasis ist dabei deutlich breiter als beim Berliner Wettbewerber. Die Datenbank umfasst über 20 Mio. Unternehmen weltweit, nebst Financials und Patentdaten gibt’s auch eine Sentiment Analyse oder Infos zu Events / Messen, wo Unternehmen präsent sind. Eine Besonderheit von cyndx: Es verfügt über ein proprietäres algorithmisches Modell, das große Datensätze auswertet, um private Unternehmen zu finden, die innerhalb der nächsten sechs Monate Kapital aufnehmen könnten; nach eigenen Angaben trifft eine solche Vorhersage mit einer Rate von 86% tatsächlich auch ein (vgl. nachfolgenden Artikel: Cyndx’s Projected to Raise Solution Delivers Over 86% Precision in Predicting the Next Private Companies to Raise Capital).

Nachfolgend ein Screenshot zur Bedienoberfläche:

Ein weiterer Player in diesem Bereich ist das niederländische Start-Up www.gain.pro (Gründung: 2018). Hier wird ein völlig anderer Ansatz verfolgt: Über 100 Analysten werten (von einer KI eingesammelten Unternehmensdaten) aus, entwickeln daraus ein Invest-Profil/-Rating. Dieser Ansatz lässt sich verständlicherweise nicht über mehrere Millionen Unternehmen skalieren, darum fokussiert das Unternehmen klar auf Europa, zum anderen auf Unternehme mit einem EBITDA größer 5 Mio. Hier ein Blick auf die UI:

Nach einem ersten Test habe ich den Einsatz eines solchen Company Search Tools zurückgestellt bzw. auf die Watch-List gesetzt: Für unsere aktuelle Strategische M&A Roadmap sind wir im Bereich der Deal Origination ausreichend gut aufgestellt, die Tools würden aktuell keinen signifikanten Mehrwert liefern. Eine Prüfung der Tools habe ich allerdings auf Wiedervorlage in der zweiten Jahreshälfte 2023. Auf der Watchliste stehen übrigens auch folgende Kandidaten: S&P CAPITAL IQ PRO, Pitchbook, CrunchBase und Grasp AI.

Wer Distressed M&A im Scope hat, dem empfehle ich das www.insolvenz-portal.de. Hier werden sämtliche Insolvenzen in Deutschland konsolidiert, eine Suche ist nach diversen Kriterien (Wirtschaftszweig, Geographie, Unternehmensgröße, etc.) möglich. Zudem gibt es eine Benachrichtigungsfunktion: Etwa jeden zweiten Tag erhalte ich aktuell ein Mailing mit Infos zu Insolvenzen, die meiner voreingestellten Suche entsprechen. Hier ein Blick auf die Bedienoberfläche:

Sonst noch was? Nur der Vollständigkeit halber erwähne ich noch die Tools für Virtuelle Datenräume, die sich schon länger durchgesetzt haben. Wir haben etwa öfter www.netfiles.com genutzt, das unter anderem auch unsere Compliance-Kriterien erfüllt, die sich aus DSGVO und unserer ISO27001 Zertifizierung ergeben. Als Nutzer im Rahmen von DD-Prozessen habe ich – um nur ein weiteres zu nennen – www.idealsvdr.com als sehr praktisch im Handling wahrgenommen.

Ein Software für die Abbildung des gesamten M&A Workflows setzen wir bei Beta Systems nicht ein, also etwa Tools wie www.midaxo.com. Wir nutzen besonders geschützte Laufwerke für den Austausch von Dokumenten rund um M&A, auch unser Austausch mit externen Partnern im Rahmen von Due Diligence Prozessen erfolgt hochsicher. Zumindest Stand heute ergäbe der Einsatz eines M&A Workflow Tools keinen Mehrwert; aber natürlich prüfe ich regelmäßig, ob eine Ergänzung unserer Toolbox Sinn machen könnte …

Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.