Der Business Plan ist ein Bereich, auf den man im Rahmen einer Due Diligence viel Zeit verwendet. Zu Recht. Nicht nur bei kühn-optimistischen Hockeystick-Planungen. Sondern auch deshalb, weil ich es in einer zunehmenden Anzahl von Deals erlebt habe, dass Gründer/Eigentümer die Unternehmensbewertung nicht allein auf Vergangenheitswerten kalkulieren, sondern zukünftige Erwartungen mit einpreisen. Bei Start-Ups ist das der Standard – aber es lässt sich beobachten, dass dies auch etablierte Unternehmen machen, wenn diese eine hohe Wachstumsdynamik (in bestimmten Geschäftsbereichen) erwarten. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass diese Erwartungshaltung der Verkäufer viel Reibungsfläche bietet und Stoff liefert für zähe Verhandlungen.

Nachfolgend ein Überblick zu Leitfragen und Prüfkriterien für einige ausgewählte Aspekte von Business Plänen, um eine Einschätzung über die Belastbarkeit zu bekommen. Im besten Fall ist der Business Plan grundsolide oder wird „nachgebessert“, so dass Kaufpreisverhandlungen auf einer soliden Datengrundlagen erfolgen können. Außerdem gibt es jeweils einige Hinweise, die in besonderer Weise auf Start-Ups zutreffen.

Bewertung des Planungsprozesses, der Planungsmethodik

Was ich hierbei gerne mache: Ich lasse mir einen Überblick über den Planungsprozess an sich geben, über die Planungsvorlagen/-masken (bei mittelständischen Unternehmen zumeist Excel-SpreadSheets). Auch hieran lässt sich schnell erkennen, wie belastbar Planzahlen tatsächlich sind.

Beispiel Umsatzplanung: Werden die TOP30 Kunden etwa detailliert durchgeplant mit Break-Down auf Projekte und geknüpft an Umsatztreiber, dann weisen Planzahlen eine vergleichsweise hohe Belastbarkeit auf. Wo die Umsatzentwicklung pauschal mit einem Wachstumsfaktor in den Planungshorizont extrapoliert wird, dort ist Vorsicht geboten.

Zur Planungsmethodik zählt etwa auch, in Szenarien zu denken. Die meisten Unternehmen agieren in einem Markt- und Wettbewerberumfeld, das in mehr oder minderem Ausmaß von Unvorhersehbarkeit und Volatilität geprägt ist – kurz: VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity). Ein solches Marktumfeld erfordert nicht nur ein agiles Mindset in Strategie und Operations, sondern legt auch das Denken in Szenarien im Planungsprozess nahe.

Zu Start-Ups: Die Planung in Szenarien liegt insbesondere für Start-Ups nahe. Diese Szenarien lassen auch gut erkennen, wo die Risikofaktoren liegen: In der Umsatzentwicklung, in der zeitigen Fertigstellung eines (Haupt)Produktes oder etwa im Recruiting der erforderlichen Fachkräfte.

Leitfragen und Prüfkriterien für die Umsatzplanung

Wie im Zusammenhang mit der Planungsmethodik bereits erwähnt, ist die Umsatzplanung umso belastbarer, je weniger pauschal bzw. je näher die Umsatzplanung am Kunden erfolgt. Gerade bei Unternehmen im B2B-Markt orientiert man sich etwa an einer 80:20 Regel (oder 70:30 Regel), nämlich: Für Kunden, mit denen 80% (oder 70%) des Umsatzes generiert wird, erfolgt die Umsatzplanung je Kunde. Und ebenjener geplante Kundenumsatz wird auf Projekte heruntergebrochen oder auf den Umsatz mit Produkten eines Unternehmens. Wo eine solche kunden-differenzierte Planung keinen Sinn macht (B2C-Business oder hohe Anzahl von Kleinstkunden), dort liegt eine Planung nach Vertriebsregionen, nach Produkten, nach Vertriebsmitarbeitern nahe. Wird die Planung dergestalt heruntergebrochen, dann lässt sich die Planung sinnvoll validieren.

Unternehmen leiten bisweilen die Umsatzentwicklung aus den Prognosen für spezifische Märkte ab (z.B. für den Markt für Dokumentenmanagementsysteme). Derartige Marktstudien gibt es von einschlägigen Institutionen, etwa von Gartner, Forrester, AIIM und derlei mehr. Solche Studien sind – je nach Reife des Marktes – ebenfalls mal mehr, mal weniger belastbar. Gerade bei neuen Märkten gibt es eine erhebliche Prognoseunsicherheit. Dazu gibt es eine lehrreiche Geschichte, die die Autorin Spiekermann in ihrem Buch „Digitale Ethik“ erzählt:

Die Autorin war Anfang der Nuller-Jahre Business Intelligence Verantwortliche in einem Silicon-Valley-Hype-Unternehmen namens Apenwaze. Apenwaze hatte als Pionier des mobilen Internets 2 Milliarden USD (sic!) Börsengeld eingesammelt. Von Zukunftsanalysten wurde damals das Nokia-Betriebssystem Symbian hoch gelobt, folglich setzte Apenwaze auf eben diese Zukunftsprognose. Spiekermann traute den Zahlen nicht und “warf all die Zukunftsanalysen der Analysten weg. (…) Ich engagierte einen Studenten, der in wochenlanger mühseliger Kleinarbeit die Läden aller Telekomanbieter in Europa besuchte (online oder physisch) und überprüfte, welche Handys in der Auslage angeboten wurden, die Zugang zum Internet boten, und welches Betriebssystem sie hatten. Und was kam heraus? Nokia spielte kaum eine Rolle (…).“ Das Ende der Geschichte: Der Chef glaube ihr nicht, man trennte sich, das Unternehmen Apenwaze gibt es heute nicht mehr.

Zu Start-Ups: Für Start-Ups hat diese Anekdote natürlich eine besondere Relevanz. Die Lessons Learned hieraus sind einfach: Die Prämissen für ein Start-Up-Geschäftsmodell sollten so systematisch und gründlich wie möglich überprüft werden. Wie kommt ein bestimmtes Service-/Produktangebot an? Wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft der Zielkunden? – Im Optimalfall kann ein Start-Up seine Annahmen für die Planung und die Umsatzerwartung mit bewährten Tests untermauern. Inspiration für derartige Tests des Business Modells gibt es in folgendem Buch, das ich einem Blogpost kurz vorgestellt habe: Testing Business Ideas

Leitfragen und Prüfkriterien für die Personalplanung

Es besteht aktuell (und zweifelsohne auch mittel- bis langfristig) ein IT Fachkräftemangel. Im mittel- bis langfristigen Trend werden Gehälter von IT Professionals ansteigen. Dies sollte berücksichtigt sein. Der Effekt ist etwas ausgeprägter bei der Einstellung neuer Mitarbeiter, die quasi mit einer „Wechselprämie“ gewonnen werden müssen.

Inwieweit das Gehaltsgefüge insgesamt im Unternehmen mittel- bis langfristig stabil ist, lässt sich einigermaßen zuverlässig überprüfen: Diverse Unternehmen, die die Entwicklung von Gehältern monitoren, können branchen- und regionalspezifische Durchschnittsgehälter bereitstellen; diese Gehälter werden je Position (Aufgabenbereich, Expertise in Jahren) sowie nach Unternehmensgröße (Großunternehmen bieten im Schnitt etwas höhere Gehälter) bereitgestellt. So lässt sich einfach ermitteln, ob das Gehaltsniveau eines Unternehmens ober- oder unterhalb des Marktes liegt; liegt dieses Gehaltsniveau merklich unter Markt, kann man das Szenario einer Gehaltskorrektur einpreisen.

Zu Start-Ups: Der Erfolg von Start-Ups hängt in besonderem Maße von der Motivation der Führungsmannschaft sowie Schlüsselpersonen ab. Gründer haben typischerweise einen signifikanten Anteil am Unternehmen, über Beteiligungsprogramme werden ebenfalls Schlüsselmitarbeiter beteiligt. Auch im Falle von Gründungen, die von „Company Buildern“ (z.B. die Berliner finleap im Bereich Fintech) konzipiert und strukturiert werden, muss die Motivation über eine angemessene Beteiligung gewährleistet werden. Venture Capital Investoren sehen hier eine Untergrenze von 20 bis 25% an Beteiligungskapital für Top-Management/Schlüsselpersonen (Phase: Series A Funding).

Leitfragen und Prüfkriterien für die Planung von Office Space

Nach den Erfahrungen der Corona-Krise stellt sich bei Unternehmen künftig die Frage, welche Rolle die Arbeit „vor Ort im Büro“ spielt und in welchem Maße „Home Office“ das Arbeiten von zuhause ermöglicht. Wo das „Home Office“ an Bedeutung zunimmt, kommen Konzepte wie das „Hot Desk“ ins Spiel; letzteres muss im Übrigen nicht zwingend bedeuten, dass die Raumkosten sinken – das zeigt die praktische Umsetzung in manchen Unternehmen.

Im Business Plan dürfte sich aber ablesen lassen, welches Konzept von Arbeit, von Kreativitätsräumen und von Entwicklung eines Gemeinschaftssinns das Unternehmen verfolgt. Der Entwicklungspfad der Unternehmen wird hier keineswegs einheitlich verlaufen, das zeigen die unterschiedlichen Positionen zu Home Office: Der Gründer Reed Hastings etwa positioniert sich klar gegen Home Office, während Twitter auch nach Corona noch erlaubt, „uneingeschränkt“ im Home Office zu arbeiten. In einer Ausgabe des Podcast „Handelsblatt Disrupt“ (21.05.2021) erklärt der Neurowissenschaftlicher Henning Beck, das Home Office sei ein Kreativitätskiller.

Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.