Passen die Zahlen? Es ist typischerweise das Erste, worauf potentielle Käufer einen Blick werfen. Beim etablierten Player die Profitabilität – beim StartUp die Burn Rate bis zum Break-Even Point. Die Messlatte liegt je nach Geschäftsmodell mal höher, mal niedriger. Je nach Geschäftsmodell.
Digitale Geschäftsmodelle fallen naturgemäß sehr unterschiedlich aus (vgl. den Blogpost Geschäftsmodelle in der Digitalen Ökonomie: Von Fake Tech bis unendlich skalierbar). Kaum überraschend, dass auch die Profitabilität stark variiert, vgl. dazu den Blogpost So profitabel sind Digitale Geschäftsmodelle – eine Übersicht.
Über finanzielle Kennzahlen bei Unternehmen mit Digitalen Geschäftsmodellen kann man zweifelsohne Doktorarbeiten schreiben (und dazu gibt es Dutzende Doktorarbeiten). Dieser Artikel richtet sich auch weniger an langjährige Vollprofis, vielmehr an Projektmanager im Dealmaker-Business, die frisch einsteigen und einen sanften Einstieg brauchen.
Wichtige Key Performance Indicators
Fünf Prozent EBITDA-Marge bei einem Digitalen Geschäftsmodell ist wenig, 30 Prozent ist sehr gut und selbst 50 bis 60 Prozent sind bei sehr gut gemanagten Nischenplayern möglich. Soweit zur Spannbreite.
Ein Klassiker ist außerdem der Umsatz pro Kopf. In der Championsleague spielt Apple, das einen Umsatz pro Mitarbeiter von über 2 Mio. Euro aufweist. Kein Wunder, die Provision für Umsätze aus dem Ökosystem APP-store liegen bei 30 Prozent, die Hardware-Produkte sind ausnahmslos im Hochpreisbereich. Zum Vergleich: Auf einen Google-Mitarbeiter entfällt ein Pro-Kopf-Umsatz von rund 1,2 Mio. Euro. Bei SAP sind es etwa 250.000 EUR, bei Volkswagen (andere Branche) und Deutsche Telekom rund 350.000 Euro. Und der Deutsche Maschinenbau liegt im Schnitt bei ca. 220.000 Euro pro Kopf.
In der Gewinn- und Verlustrechnung achte ich immer darauf, ob die Position Aktivierte Eigenleistungen auftaucht. Das ist eine legitime Methode, den ausgewiesenen EBITDA „aufzublähen“, in der Praxis kann die Erhöhung in der Größenordnung 20 bis 50 Prozent liegen. Ich schreibe (etwas negativ konnotiert) „aufblähen“, da Kreditgeber oder Investoren diese künstliche Bilanzkosmetik ohnehin rechnerisch wieder in Abzug bringen – auf das Kreditrating oder die Unternehmensbewertung hat dies keinen Einfluss.
Aktivierte Eigenleistungen von Softwareentwicklungen bringen andererseits Arbeit mit sich: Entwicklungsaufwände für „aktivierbare“ Produktfeatures (im Gegensatz zu Customizing, Support, Services) sind zu erfassen, kostenmäßig zu bewerten, zu aktivieren und müssen schließlich noch abgeschrieben werden. Wo eine gut strukturiertes und automatisiertes Zeiterfassungssystem vorliegt, dort hält sich der Mehraufwand in Grenzen. Die Frage ist: Was steht diesem Aufwand tatsächlich an Mehrwert für den Finanzchef gegenüber? – Bottom Line erlauben Aktivierung, Abschreibung und (aufgepasst!) Sonderabschreibungen im gewissen Rahmen Möglichkeiten zur Ergebnisgestaltung – etwa um Ergebnisse im Zeitverlauf zu glätten. In Einzelfällen mag das nachvollziehbar sein, grundsätzlich sollte man dieses Instrument zur Bilanzkosmetik mit Vorsicht genießen.
Der Business Plan
Der Business Plan ist ein Bereich, auf den man typischerweise sehr viel Zeit verwendet. Auch deshalb, weil ich es in einer zunehmenden Anzahl von Softwaredeals erlebt habe, dass Gründer/Eigentümer die Unternehmensbewertung nicht allein auf Vergangenheitswerten kalkulieren, sondern zukünftige Erwartungen mit einpreisen. Bei Start-Ups ist das natürlich. Aber es lässt sich beobachten, dass dies auch etablierte Unternehmen machen, wenn diese eine hohe Wachstumsdynamik erwarten. Der Käufer zahlt also bereits im Hier und Jetzt für die Goldene Zukunft des Unternehmens. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass diese Erwartungshaltung der Verkäufer viel Reibungsfläche bietet und Stoff liefert für zähe Verhandlungen.
(Abhängig von der Verhandlungsposition) ist es übrigens nicht unüblich, dass der „zukünftige Unternehmenswert“, der aus einer überdurchschnittlichen (erwarteten) Wachstumsdynamik kommt, in eine Earn-Out-Regelung einfließt: Wenn diese Wachstumserwartungen eintreffen, dann wird der Earn-Out ausgezahlt – sonst nicht. Das Risiko eines allzu sportlichen Business Plans wird damit an den Verkäufer zurückgespielt.
Unabhängig von einer solchen Earn-Out-Risikoklausel ist ein Business Plan natürlich immer auf Herz und Nieren zu prüfen. Wer auf eine Hockey-Stick-Planung trifft, der sollte der Validierung eines Business Plans besonderes Augenmerk schenken. Was ich hierbei gerne mache: Ich lasse mir einen Überblick über den Planungsprozess an sich geben, über die Planungstemplates – bei mittelständischen Unternehmen zumeist Excel-Sheets. Hieraus lässt sich ebenfalls schnell erkennen, wie belastbar Planzahlen tatsächlich sind. Dazu ein Beispiel aus der Umsatzplanung: Werden die TOP30 Kunden etwa detailliert durchgeplant mit Break-Down auf Projekte und geknüpft an Umsatztreiber, dann weisen Planzahlen eine vergleichsweise hohe Belastbarkeit auf. Wo die Umsatzentwicklung pauschal mit einem Wachstumsfaktor in den Planungshorizont extrapoliert wird, dort ist Vorsicht geboten.
Marktprognosen, die häufig für Umsatzprognosen herangezogen werden, können ebenfalls – wie sollte es anders sein – mal mehr, mal weniger belastbar sein. Gerade bei neuen Märkten gibt es eine erhebliche Prognoseunsicherheit. Dazu gibt es eine lehrreiche Geschichte, die die Autorin Spiedermann in ihrem Buch „Digitale Ethik“ erzählt. Die Autorin war Anfang der Nuller-Jahre Business Intelligence Verantwortliche in einem Silicon-Valley-Hype-Unternehmen namens Apenwaze. Apenwaze hatte als Pionier des mobilen Internets 2 Milliarden USD (sic!) Börsengeld eingesammelt. Von Zukunftsanalysten wurde damals das Nokia-Betriebssystem Symbian hoch gelobt, folglich setzte Apenwaze auf eben diese Zukunftsprognose. Spiekermann traute den Zahlen nicht und “warf all die Zukunftsanalysen der Analysten weg. (…) Ich engagierte einen Studenten, der in wochenlanger mühseliger Kleinarbeit die Läden aller Telekomanbieter in Europa besuchte (online oder physisch) und überprüfte, welche Handys in der Auslage angeboten wurden, die Zugang zum Internet boten, und welches Betriebssystem sie hatten. Und was kam heraus? Nokia spielte kaum eine Rolle (…).“ Das Ende der Geschichte: Der Chef glaube ihr nicht, man trennte sich, das Unternehmen Apenwaze gibt es heute nicht mehr.