Das Thema benötigt keine Intro. Jeder kennt das Problem. Jeder kennt die Herausforderung. Eine Herkulesaufgabe. Hier stelle ich 7 vielversprechende ClimateTech Start-Ups aus Deutschland vor, die einen Beitrag leisten. Mit Digitaltechnologie. Junge Unternehmen, nicht älter als 7 Jahre. Viel Spaß beim Schmökern!
Optimismus ist ein Akt des Willens. Optimismus ist etwas, das sich ein Fußballteam bis zum Ende erhalten muss, wenn es gewinnen will … auch wenn es ein Tor zurückliegt. – Tim Jackson, Professor of Sustainable Development
Vilisto
Gebäude tragen zu etwa 30% zu den CO2-Emissionen bei, das Einsparpotential hier ist enorm. Dieses Einsparpotential abzuschöpfen, dafür ist Vilisto angetreten. Und zwar mit dem Versprechen, bis zu 32% der Heizkosten zu reduzieren. In Nichtwohngebäuden. Wie geht das? Stichwort: Selbstlernendes Heizkörperthermostat mit integrierter Präsenzerkennung. Hier stellen die Gründer selbst ihr Produkt vor (YouTube, 2:30 min):
Gründung in 2016. In Hamburg. Webseite: www.vilisto.de
Planetly
Das noch sehr junge Unternehmen ist inspiriert vom Pionier der modernen Managementlehre, Peter Drucker: „Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken.“ Folgerichtig unterstützt das Start-Up Planetly seine Mandanten darin, den CO2-Fußabdruck ihres Unternehmens differenziert zu erfassen – so einfach wie möglich. Benchmarks für spezifische Industrien und Unternehmensgrößen helfen, den Status Quo einzuordnen. Im nächsten Schritt geht’s schließlich darum, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Und wo die Reduktion an Grenzen stößt, bietet Planetly Ausgleichsmaßnahmen an.
Zu den Kunden zählt etwa der Kochboxen-Provider HelloFresh: Planetly hat das Unternehmen bei der Berechnung des CO2-Fußabrucks mit einer TÜV Rheinland Group-zertifizierten Methode unterstützt sowie Ausgleichmaßnahmen zur Kompensation initiiert.
Gründung in 2019. In Berlin. Webseite: www.planetly.org
Plan A
Im gleichen Atemzug muss man das junge Unternehmen Plan A nennen: Ebenfalls in Berlin gegründet, ebenfalls darauf ausgerichtet, den CO2-Fußabdruck von Unternehmen zu ermitteln und zu reduzieren. Die Methodik ist TÜV-zertifiziert.
Gründung in 2017. In Berlin. Webseite: www.plana.earth
Klima
Ebenso wie Planetly oder Plan A geht es bei dem Start-Up Klima zunächst einmal darum, den eigenen CO2-Fußabdruck zu bestimmen. Während Planetly / Plan A diese Bestandsaufnahme für Unternehmen macht, fokussiert Klima auf den Endverbraucher. Und dann? – Der Nutzer kann dann direkt Ausgleichsmaßnahmen buchen.
In nur zehn Schritten bestimmt der Nutzer in der aktuellen Version (1.7.0) den eigenen Fußabdruck anhand von Fragen zum Mobilitätsverhalten, Essgewohnheiten oder auch dem eigenen Shoppingrhythmus. Eine Version der APP, die eine differenziertere Erfassung ermöglicht, befindet sich noch im Entwicklungsprozess; aber für eine erste Einschätzung reicht dieser Ansatz aus. Man sollte zudem die Geduld von Nutzern für eine solche Ersteinschätzung nicht überschätzen – ich finde das sehr gelungen. Die App ist im Übrigen auch visuell sehr ansprechend, es macht wirklich Spaß, die APP zu nutzen. Einfach mal downloaden …
Gründung in 2016. In Berlin. Webseite: www.klima.com
infarm
Das Start-Up infarm dekliniert „Indoor Farming“ konsequent durch. Das Ergebnis: Im Vergleich zu konventioneller Landwirtschaft ergibt sich ein massiv reduzierter Flächenverbrauch, ein massiv reduzierter Wasserverbrauch, geringerer Pestizideinsatz. Und lange Transportwege entfallen ebenso.
Das Ökosystem wird mithilfe von Digitaltechnologie (IoT, KI, Cloud) gesteuert und optimiert: Luft, Wasser, Licht und Nährstoffgehalt. Die schrankähnlichen Infarms werden bereits an zahlreiche Supermärkte und Gastronomiebetriebe in Deutschland sowie in London, Kopenhagen und Seattle vermietet. Darin werden Kräuter angebaut, Salate, Microgreens, Pak Choi und derlei mehr. Die Ernte wird direkt vor Ort verkauft.
Gründung in 2013. In Berlin. Webseite: www.infarm.de
Für dieses Start-Up gilt die Regel von max. 7 Jahren seit Gründung nicht zugunsten einer höheren Diversität bei den Geschäftsmodellen in dieser ÜbersichtEnvelio
Die Energiewende gelingt nur, wenn das Stromnetz intelligenter wird. Millionen von Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen speisen Strom ein. Hierbei gilt: Je mehr Stromproduzenten und Prosumer ins Stromnetz einspeisen, desto komplexer wird die Steuerung eben dieses Netzes. Kurz: Die Balance zwischen Stromlieferanten und Verbrauchern. Die Elektromobilität (Stichwort: Ladesäulen) erhöht diese Komplexität nochmals.
Das Start-Up envelio hat deshalb die Intelligent Grid Platform entwickelt. Mit diesem Software-Assistenzsystem für Netzbetreiber können zukunftsfähige und flexible Netze in einem digitalisierten Prozess effizient geplant und betrieben werden. In 80 Sekunden erklärt:
Gründung in 2017. In Köln. Webseite: envelio.de
gridX
Die Vision: Eine Zukunft, in der alle dezentralen Energieressourcen miteinander verbunden sind, um erneuerbare Energien für jeden zugänglich und erschwinglich zu machen. Dafür bietet das Jungunternehmen eine Plattform für alle dezentralen Energieressourcen von der Photovoltaikanlage bis zur Ladesäule. Dadurch können die Nutzer Ladeinfrastruktur effizienter betreiben, mehr selbsterzeugte Energie nutzen, eigene Energieanwendungen entwickeln.
Das Start-Up wurde 5 Jahre nach Gründung, im März 2021, von E.ON akquiriert.
Gründung in 2016. In München. Webseite: www.gridx.ai
Eine Taxonomie der ClimateTech Handlungsfelder
CleanTech, GreenTech, ClimateTech … wie genau lässt sich ClimateTech eigentlich abgrenzen? Trägt letztlich nicht jede Effizienztechnologie zur Bewältigung der Klimakrise bei? – Per definitionem gilt: Technologien (oder: Produkte und Dienstleistungen), die sich explizit auf die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen bzw. auf die Auswirkungen der globalen Erwärmung beziehen.
ClimateTech beschreibt dabei innovative Produkte und Dienstleistungen in einer Vielzahl von Bereichen und Handlungsfeldern. Hierbei geht es um Speichertechnologien für Wärme und Strome, Biokraftstoffe, Batterietechnologie, Carbon Capture and Storage (CCS) und Vieles mehr. In meinem BLOG fokussiere ich mich dagegen auf jene Geschäftsmodelle, die auf Digitaltechnologie basieren.
Einen guten Überblick zur Vielzahl an Innovationsfeldern rund um ClimateTech bietet die PwC Studie The State of Climate Tech 2020 eine griffige Klassifzierung:
Kernenergie als Übergangstechnologie?
Der weltweite Stromverbrauch (der übrigens kontinuierlich ansteigt) liegt bei über 23 Petawattstunden. Anders ausgedrückt: 23.000.000.000.000.000. Also: 15 Nullen.
Damit man sich das besser vorstellen kann: Zur Produktion dieser Strommenge müsste man etwa das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern (ca. 23.300 Quadratkilometer) oder Hessen (21.100 Quadratkilometer) lückenlos mit Solarpaneln zupflastern. Baut man diesen Solarpark in einem sonnenreicheren Gebiet auf (z.B. Indien oder Afrika), dann genügt etwa die Hälfte der Fläche. Wollte man dagegen den Energiebedarf mit Kohlekraft decken, dann braucht man etwa 2.100 Kohlekraftwerke (das Hamburger Steinkohlekraftwerk Moorburg produziert jährlich ca. 11 Terawattstunden) oder 2.100 mittelgroße Atomkraftwerke (Beispiel AKW Emsland, das ebenfalls ca. 11 Twh Strom produziert). Damit wären wir schon beim Thema …
Ein Blick auf die globale Energieindustrie zeigt: Die Kohleindustrie ist weltweit auf Expansionskurs, um den steigenden Energiebedarf zu decken. Noch immer werden neue Kohlekraftwerke gebaut. Man reibt sich verwundert die Augen, gibt es doch inzwischen einen klaren Konsens unter Klimawissenschaftlern, dass … und den Rest kennen Sie.
Die Antwort heißt für Viele: Atomenergie. Zu den prominenten Befürwortern zählen Bill Gates oder Warren Buffett. Für Großbritannien bildet Atomenergie einen Baustein im „Aktionsplan zur Entkarbonisierung“. Neue AKWs entstehen in Europa außerdem in Finnland, Polen, Russland, Ukraine, Frankreich, Weißrussland und Slowakei. Weltweit sind über 50 AKW im Neubau; etwa 450 sind weltweit bereits in Betrieb.
Hauptargument der Befürworter von Kernenergie als „Übergangstechnologie“: Es handelt sich um eine CO2-neutrale Methode der Energiegewinnung. Dem stehen eine Reihe von Gegenargumenten gegenüber. Schauen wir beispielsweise auf die Kosten. Es gibt inzwischen zahlreiche Studien zu den Kosten der Stromgestehung (vgl. den Artikel Welche Art von Strom ist am günstigsten? – der Artikel ist auch Quelle der nachfolgenden Stromgestehungskosten). Hier gilt: Braunkohleanlagen haben Kosten (ohne externe Kosten) zwischen 4,59 bis 7,98 Cent pro Kilowattstunde. Große Solar-Freiflächenanlagen liefern Strom bereits ab Kosten von 3,71 Cent pro Kilowattstunde. Die Kosten von Onshore Windenergie liegen zwischen 3,99 und 8,23 Cent pro Kilowattstunde.
Die Kosten für Atomenergie liegen nach Auskunft des Energie- und Wirtschaftsministeriums bei 13 Cent pro Kilowattstunde. Die Ewigkeitskosten zur Lagerung von 10.500 Tonnen hochradioaktiven Atommüll und mehreren Hunderttausend Tonnen an schwach- und mittelradioaktiven Atommüll sind dabei noch nicht berücksichtigt. Die Gesetzgebung sieht die Lagerung für einen Zeitraum von 1 Mio. Jahre vor ( Die Halbwertzeit von Plutonium-239 beträgt 24.000 Jahre).
Im Übrigen gilt (immer noch): Atomenergie geht einher mit einem signifikanten Risiko: Czernobyl (1986), Fukushima (2011). Und die Naturschutzorganisation BUND rechnet vor: Sollten alle Pläne zu AKW-Neubauten weltweit Realität werden, wären die Uranvorkommen in 18 Jahren aufgebraucht.
Bei der Recherche zum Thema Atomkraft und Klimaschutz stößt man zudem noch auf eine Studie, die zu einen verblüffenden Fazit kommt. Die Studie wurde vom Wissenschaftler Benjamin Sovacool von der University of Sussex und Kollegen durchgeführt und letztes Jahr im Fachmagazin „Nature Energy“ veröffentlicht (Mehr dazu: HIER). Auf Basis einer Auswertung zu Daten von 123 Ländern kamen die Wissenschaftler zum (verblüffenden) Ergebnis: Kernkraft trägt nicht dazu bei, die Kohlenstoffdioxid-Emissionen eines Landes zu senken.
Dazu der Wissenschaftlicher Sovacool: „Dass wir wirklich keinerlei Effekt der Kernkraft auf eine Reduktion der Kohlenstoffdioxid-Emissionen gefunden haben, ist ziemlich überraschend. Wir haben darüber hinaus herausgefunden, dass sich Erneuerbare Energien und Kernkraft nicht gut ‚vertragen‘, eines scheint auf die Kosten des anderen zu gehen. Ein Land kann nicht Beides gleichzeitig gut machen.“
Für Deutschland analysiert der Handelsblatt-Ressortleiter für Unternehmen und Märkte, Jürgen Flauger: Eine Revision des Atomausstiegs in Deutschland wird es nicht geben – aus guten Gründen. Flauger konstatiert: “Wer jetzt am Atomausstieg rüttelt, die Laufzeiten der letzten sechs Atomkraftwerke noch verlängern will, würde sämtliche Vereinbarungen – die Schadensersatzregelungen und die zum Atomfonds – infrage stellen. (…). Viertens, und das ist der entscheidende Punkt, gibt es in Deutschland keinen Konzern mehr, der ein Interesse an der Atomkraft hat. Eon, RWE, EnBW und Vattenfall mögen sich lange gegen den Atomausstieg gewehrt haben, inzwischen haben sie sich aber nicht nur mit ihm arrangiert. Sie nehmen die Energiewende offensiv an.“
Kurz: Es sieht nicht danach aus, dass Atomkraft der Königsweg aus dem Dilemma von wachsendem Energiehunger und einer sich stetig verschärfenden Klimakrise ist.