Es ist ein no-brainer: Wir steuern auf die Digitale Ökonomie zu, und damit auf einen beispiellosen Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt (Stichworte: Automatisierung, RPA, Robotik, Künstliche Intelligenz). Wer die Entwicklungsdynamik kennt, fordert Bildungsinvestitionen: Der CTO von Microsoft, Kevin Scott, in seinem kürzlich erschienen Buch Reprogramming the American Dream. Die Zukunftsforscherin Amy Webb in ihrem Buch The Big Nine („making America’s public education great again“). Elon Musk geht sogar soweit zu behaupten, angesichts einer zunehmenden Umgebungsintelligenz müsse sich der Mensch „aufrüsten“, Musk investierte darum in das israelische Unternehmen Neuralink, das Brain-Machine-Interfaces entwickelt. Man mag die Position des Silicon-Valley-Serienunternehmers für überzogen halten, aber seiner Haltung liegt die gleiche Analyse zur Zukunft des Arbeitsmarktes zugrunde.

Der CEO von AT&T, Randall Stephenson, hat den Bildungsbedarf (für bereits Berufstätige) sogar beziffert. In einem Interview mit der New York Times (2016) erklärte er: Wer sich nicht mindestens 5 bis 10 Stunden pro Woche weiter-/fortbilden würde, “will obsolete themselves with the technology.” Die Kompetenzanforderungen im Zeitalter der Digitalisierung an den Angestellten sind klar: 4 K (Kollaboration, Kommunikation, Kritik und Kreativität), der Umgang mit Big Data, Kompetenz an der Schnittstellen mit intelligenten Maschinen und Software:. Natürlich braucht es nicht nur Programmierer, Softwarearchitekten und Ingenieure – sondern auch Polizisten, Pflegekräfte, Ärzte, Friseure und derlei mehr – aber Technik- und Datenkompetenz wird zunehmend relevant auf dem Arbeitsmarkt.

Es ist nicht übertrieben, eine Bildungsrevolution einzufordern.

Digitalisierung und Weiterbildung: Die Rolle von Staat und Unternehmen

2009 hatte Angela Merkel in einer Rede erklärt, wir seien auf dem Weg in eine Wissensgesellschaft. Diese Diagnose ist eine Binsenweisheit, und im Jahr 2009 ziemlich spät – zumal für eine Volkswirtschaft, deren Wohlstand nicht auf Rohstoffen basiert, sondern auf, tja, Wissen. Schon längst gilt: Das Wissen verdoppelt sich (je nach befragter Quelle) alle 10 Jahre, 5 Jahre oder – in manchen Bereichen – sogar in weit kürzerer Zeit (Computertechnologie, Medizin).

Und wer macht die Bildungs-/Weiterbildungsrevolution? – Der Ball liegt vor allem bei Staat und Unternehmen.

Kürzlich hat Achim Berg, Präsident des IT-Branchenverbandes bitkom, kritisch festgestellt, dass die Lehrmethoden seines Sohnes noch immer die Gleichen seien wie zu seiner eigenen Schulzeit; dass es hier Handlungsbedarf gibt, ist nicht zuletzt im Rahmen der Covid-19-Krise an den Schulen deutlich geworden: Digitalisierung schafft ja nicht nur Resilienz angesichts von Krisen wie Covid-19; es erschließt auch neue Möglichkeiten, das Lerntempo individueller auszurichten, Aufgaben mehr an Stärken-/Schwächen-Profilen von Schülern auszurichten; blended learning und Khan Academy sollten Teil des Schul- und Bildungsalltags werden.

Eine Wissensgesellschaft bedeutet in Konsequenz auch eine hohe Wertschätzung für diejenigen, die Wissen vermitteln: Professoren und Lehrer. Wertschätzung heißt auch angemessene Gehälter. Es wäre falsch zu behaupten, ein Lehrer mit Beamtenstatus im „Musterland“ Bayern wäre unterbezahlt – aber klar ist auch, dass ein guter Programmierer bei der Wahl zwischen einer Beamtenkarriere im bayerischen Schulsystem und einer Karriere in der Wirtschaft nicht lange überlegen würde. Wir brauchen keine Verhältnisse wie in Südkorea oder Honkong, wo bekannte (Nachhilfe)Lehrer zu Superstars avancieren und Millionen verdienen, aber der ernstgemeinte Anspruch auf eine Wissensgesellschaft wird sich mit der Frage der angemessenen Wertschätzung von Lehrern und Professoren auseinandersetzen müssen. Und natürlich auch mit der Frage nach blended learning und Bildungsgerechtigkeit.

Lebenslanges Lernen – noch ein no-brainer. Und das bedeutet, die Weiter- und Fortbildung geht in den Unternehmen weiter. Auch hierzu muss der Staat seinen Beitrag leisten, und mit dem Qualifizierungschancengesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung gelungen: Weiterbildungs-/Anpassungsfortbildungsmaßnahmen werden gefördert: Teilweise Kostenübernahme durch die Arbeitsagentur, gestaffelt nach Unternehmensgröße sowie unter bestimmten Bedingungen wie etwa Durchführung der Bildungsmaßnahme durch einen zugelassenen Träger der Maßnahme. Es bleibt ein erster Schritt.

In zunehmendem Maße sind Unternehmen gefordert, in Rahmenbedingungen zu investieren, die den Anforderungen an den kreativen, neugierigen und technikaffinen Mitarbeiter der Zukunft gerecht werden. Orientiert man sich am eingangs erwähnten CEO von AT&T, Randall Stephenson, dann sollten Unternehmen die Rahmenbedingungen für 5 bis 10 Stunden Weiter-/Fortbildung je Mitarbeiter pro Woche schaffen. Das entspricht ca. 30 bis 60 Arbeitstagen im Jahr. Allein Mitarbeitern die dafür notwendige Zeit einzuräumen, dürfte einen massiven Kulturwandel bedeuten; zu fragen ist hierbei, welchen Anteil dieser Lernzeit vom Unternehmen beigesteuert wird, welcher Anteil vom Mitarbeiter. Wie sichern Unternehmen (größere) Investitionen in Mitarbeiter ab zu einer Zeit steigender Mitarbeiterfluktuation (WP-Gesellschaften vereinbaren hier etwa Rückzahlungsquoten bei Unternehmenswechseln vor Ablauf einer bestimmten Frist). Hat ein Mitarbeiter mit hohem Anteil an repetitiven Aufgaben mehr Anspruch auf Fort-/Weiterbildungsmaßnahmen als Mitarbeiter mit einer hohen Learning-on-the-job-Lernkurve, und wie misst man das? Wer definiert Lernziele, ein Innovationsbeauftragter, der Vorgesetzte oder der Mitarbeiter – und wie eng sollte die Wirksamkeitsmessung sein? Wie hoch darf der nicht-projektbezogene Lernanteil sein?

Zum anderen geht es um Zugang zu Fort-/Weiterbildungsangeboten. Das reicht von Lernplattformen wie lecturio, Online-Universitäten wie udemy oder Udacity und auch herkömmliche Weiterbildungsseminare. Auch die sogenannten MOOC („Massive Open Online Courses“) können hier eine Rolle spielen, vergleiche das Angebot des Hasso Plattner Instituts für kostenfreie MOOC.

Es mangelt keinesfalls an bewährten Lernangeboten und Trainingskonzepten. Es ist wie beim Klimawandel: Die Herausforderung ist nicht die Erkenntnis, sondern die Umsetzung.

„Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als derjenige, der alle Antworten weiß.“ Zhuangzi

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Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.