Wer kennt das nicht, das Moore’sche Gesetz, der Inbegriff des Produktivitätsfortschritts in der Digitalindustrie. Nämlich: Verdopplung der Chipleistung alle zwei Jahre.

Im Ergebnis heißt das etwa, dass Kosten für Speichermedien (Speicherchips) dramatisch zurück gegangen sind. In harter Währung gerechnet nämlich wie folgt: Kostete die Speicherung von einem Megabyte an Daten in 1965 noch 85.000 US-Dollar (inflationsbereinigt), so liegen diese Kosten heute nurmehr bei 0,00002 US-Dollar (sic!). Und das heißt auch. Heutige Smartphone-Hauptchips rechnen Millionen Male schneller als der riesige Computer, mit dem die Nasa die Mondlandung bewältigte.

Die Kosten für den Endverbraucher etwa für Smartphones oder Computer sind natürlich nicht in gleicher Weise zurückgegangen. Das hat mehrere, einfach nachvollziehbare Gründe:

  • Erstens, eine so massive Kostendegression wie bei Chips gab es nicht bei allen Komponenten von digital gadgets. Prozessoren machen etwa nur rund 15 bis 25% der reinen Produktionskosten (ohne Marge) eines Laptops aus.
  • Zweitens, das Leistungsprofil von Smartphones oder Computern hat sich dramatisch verändert, diese Geräte sind im Zeitverlauf schlicht nicht mehr miteinander vergleichbar – denn einen Computer mit dem Leistungsprofil aus den 1980er Jahren gibt es heute nicht mehr; und ein Smartphone wiederum gab es 1980 noch gar nicht.
    Zudem gilt das Diktum des Tech-Investors Marc Andreesen: “Software is eating the world“. Das Smartphone etwa übernimmt inzwischen eine Reihe von Funktionen, die vorher von verschiedenen Geräten oder Hardware-Produkten abgebildet wurden: Walkman, Wecker, Navigationsgerät, Diktiergerät; (Web)Radio, Kreditkarte und Vieles mehr.
  • Drittens, die Programme, die auf der Software laufen, sind um zahlreiche Komfortfeatures angereichert (u.a. eine graphische Bedienoberfläche), was Chip-Kapazität verbraucht und nicht unmittelbar die „Kernfunktionalität“ erweitert (es gilt im Übrigen, dass Software – auch aufgrund der abnehmenden Hardwarerestriktionen – auch „ineffizienter“ programmiert wird); dieser (wie ich das nenne) „Slack“ ist gedanklich zu trennen von einer Erweiterung der „Kern-Funktionalität“. Ein schönes Beispiel für deutlich umfangreichere Anforderungen an Arbeitsspeicher und Hardware im Zeitverlauf liefert das Microsoft-Betriebssystem (dabei lässt sich freilich nicht abgrenzen, was von dem gestiegenen Arbeitsspeicherbedarf zurückzuführen ist auf neue Kern-Funktionalitäten und „Slack“):
    Das erste Betriebssystems Windows 1.0 (von 1985) hatte noch einen Arbeitsspeicherbedarf von 256 KByte (=0,000256 Gigabyte). Die aktuelle Version des Betriebssystems Windows 11 hat einen Arbeitsspeicherbedarf von 4 GB. Man muss kein promovierter Mathematiker sein, um zu erkennen, dass hier Welten dazwischen liegen.
  • Kurz, eine klare Kostenentwicklung (bzw. Kostendegression) mit vollständiger Vergleichbarkeit über den Zeitverlauf ist de facto nicht möglich. Es lohnt dennoch, sich die Entwicklung bestimmter Hardware, Software sowie von digital gadgets anzusehen. Insbesondere, wenn man den Invest zum verfügbaren Einkommen ins Verhältnis setzt (das heißt dann: affordability = Kosten / verfügbarem Einkommen).

    Kostenentwicklung für ausgewählte digital gadgets

    Beginnen wir einmal mit dem Personalcomputer, bzw. kurz: PC. In 1985 war ein IBM PC XT das Kraftpaket unter den Heimcomputern und kostete 4.395 Dollar (sic!). Die Ausstattung: zwei Diskettenlaufwerke, eine 10-Megabyte-Festplatte. Das mittlere Haushaltseinkommen (Bruttoeinkommen, also VOR Steuern) in den USA lag 1985 bei 23.620 Dollar. Die Kosten des vorgenannten PC beliefen sich damit auf rund 19% des jährlichen Bruttoeinkommens. PCs waren – kaum überraschend – nicht sonderlich stark verbreitet; nicht nur aufgrund des hohen Preises; so viele Anwendungsmöglichkeiten gab es damals auch nicht, das Internet kam ja erst in den 1990ern auf.

    Das sieht heute bekanntermaßen ganz anders aus. Einen Laptop erhält man für rund 700 US-Dollar (Ausstattung: 512-Gigabyte-Festplatte, 14-Zoll-Bildschirm). Das mediane Haushaltseinkommen lag in 2022 bei 74.580 Dollar. PC-Kaufpreis in Relation zum Brutto-Haushaltseinkommen: 1%. Und wie gesagt, das Leistungsprofil des heutigen Laptops liegt Hundertfach über dem eines Rechners aus den 1980ern (nur Festplattenvergleich: 10 MB vs 512.000 MB).

    Beim Fernseher ist der Preisverfall nicht weniger beeindruckend. Kaufte man 1985 einen 20-Zoll-Farbfernseher, kostete das rund 500 Dollar. Unsere „affordability“-Kennzahl liegt bei 2,1% (vom jährlichen Brutto-Haushaltseinkommen). Ein 24-Zoll-Fernseher heute kostet gerade mal 150 Dollar – bezogen auf das Brutto-Haushaltseinkommen ergibt sich eine affordability von 0,2%.

    Und noch einer: Der 1979 erfundene Walkman kostete 1985 zwischen 70 und 100 Dollar. Und heute? – Hier gilt das der bekannte Ausspruch des Tech-Investors Marc Andreesen, “Software is eating the world“: Wer kauft sich noch einen MP3-Player, wenn er bereits ein Smartphone hat? Ich nicht. Und wenn doch, dann muss man mit Kosten von 30 Dollar aufwärts rechnen – bezogen auf das heutige Brutto-Haushaltseinkommen auch noch ein signifikanter Kostenrückgang.

    Kostenentwicklung für ausgewählte Software

    Betrachten wir einmal den Bereich Software, und greifen wir gleich einmal jene Software auf, die ich eingangs schon erwähnt habe: Das Windows Betriebssystem.

    Das erste Windows Betriebssystem Windows 1.0 kostete 1985 99 US-Dollar. Heute kostet die Windows 11 Home-Edition 126 EUR (PC Aktivierungscode per Email, Amazon), die Windows 11 Pro Version 220 EUR. Auch hier gibt es gemessen am Kriterium der affordability eine Kostendegression – diese fällt aber nicht dramatisch aus. Und das dürfte im Wesentlichen damit zusammenhängen, dass wir es hier mit dem Pricing eines Quasi-Monopolisten zu tun haben. Grundsätzlich sind im Übrigen Margen im Software-Produkt-Geschäft außerordentlich hoch.

    Aber dieser Preispunkt verstellt den Blick auf eine Entwicklung, die sehr wohl auf eine dramatische Kostendegression bei Software hinausläuft.

    Zum einen spielt heute OpenSource-Software in zahlreichen Bereichen eine wichtige Rolle (vgl. auch meinen Blog-Artikel Open Source Software). Das beginnt bei Betriebssystemen (z.B. Linux) und hört nicht auf bei Anwendungsprogrammen (z.B. Office-Software wie OpenOffice, LibreOffice) oder Musiksoftware (z.B. Garage Band).

    Auch im Bereich Gaming haben sich Preismodelle durchgesetzt, die zunächst einmal zu einem kostenfreien Zugang zu Spielsoftware führen (natürlich nicht für alle Spiele, aber für eine zunehmende Anzahl an Gaming-Angeboten): Sogenannte In-App-Purchases.

    Zum Weiterlesen

  • Open Source Software: Crash Kurs zum richtigen Umgang mit Compliance Anforderungen
  • Blick in die Zukunft: Der „Tech Trend Report 2022“ des Future Today Instituts
  • Digitalisierung: 7 spannende RPA Start-Ups
  • Author

    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.