Warum Video? – Ganz einfach: In keinem anderen Format gelingt es, eine so hohe Informationsdichte zu transportieren (wenn es gut gemacht ist). Darum erzielt man auch auf Social Media Kanälen wie LinkedIn mit Videocontent die besten Reichweiten. Es kommt der Komfortfaktor hinzu: Es ist um ein Vielfaches wahrscheinlicher, dass sich ein Adressat ein 2-Minuten-Video anschaut, als dass er/sie sich durch Dutzende Seiten von PowerPoint-Slides durchkämpft.

Warum selber machen? Make or buy? Selbermachen oder Agentur? – Dafür sprechen mehrere Gründe. Beim Selbermachen erreicht man einen Grad der Agilität, der nach meiner Erfahrung mit einer Agentur nicht erreicht werden kann. Ich setze beispielsweise eine erste Idee um, teile das mit Kollegen. Das Feedback der Kollegen kann ich sofort umsetzen, wieder ausspielen. Nach meiner Erfahrung lassen sich solche eng getakteten Feedback-Überarbeitungs-Loops im Zusammenspiel mit einer Agentur nicht erzielen. Ein zweiter Grund fürs Selbermachen: Die heute verfügbaren Tools erlauben nach kurzer Einarbeitungszeit passable Ergebnisse. Hohe Informationsdichte mit einem Schuss Authentizität: Wem das reicht, der kann auf eine Agentur verzichten.

Agentur und Selbermachen sind nicht grundsätzlich in Konkurrenz zueinander. Zum einen kann man die Agentur durchaus für das Finishing vorsehen: Agile Storyentwicklung – dann High-Gloss-Finish durch die Profis. Oder man strukturiert seine Visuelle Kampagne von vornherein in einige aufwändig produzierte, zentrale Marketingvideos, die von eigenproduzierten Feature-Videos ergänzt werden. Mit den Eigenproduktionen kann man schnell auf Aktuelles reagieren und mit Low-Budget-Produktionen mehr visuellen Content generieren.

Wer sollte das machen? – Für Freelancer ist es im Grunde ein Must-Have. Auch Marketing-Abteilungen von mittelständischen Unternehmen sollten sich dieses Know-How erarbeiten. Da dort ohnehin diejenigen arbeiten, die gerne kreativ sind, sollte das eigentlich ein Selbstläufer sein.

Wie lange braucht man, um mit den erforderlichen Tools vertraut zu werden? – Nach meinem Dafürhalten sollten zwei (2) Tage für die Software zum Videoschnitt ausreichen. Ein bis eineinhalb Tage für die Themen Screen-Recording, Voice Recording. Das Aufwändigste an der Erstellung von Marketing-Videos sind ohnehin nicht die „technischen Aspekte“, sondern die Entwicklung einer kompakten Storyline, Finetuning des Sprechtextes, Aufbereitung von visuellem Content (z.B. PowerPoint) und das Einsprechen.

Hier einmal zwei Videos, die ich mit Adobe Premiere Pro erstellt habe (ca. ein Tag Video Tutorials, dann Ausprobieren). Voice Recording auf Live10 von Ableton. Screen Recording mit einer Webkonferenzen-Software.

“Entwicklung von Digitalen Produkten” (150 Sekunden):

“Produktvideo zu einer Kalkulationssoftware für die Baubranche” (5:30 min):

Die Storyline

Die größte Herausforderung besteht darin, in einem engen Zeitfenster die Message rüberzubringen. Für ein Marketing-Video sind 3 Minuten eine Obergrenze (vgl. das 150-Sekunden-Video). Für Produktdemos in einer späteren Vertriebsphase mit der Zielgruppe von Fachanwendern kann der Zeitrahmen wiederum großzügiger ausfallen (vgl. das Produktvideo mit 5:30 min). Hieran sollte man sich unbedingt orientieren.

An den zwei eingangs vorgestellten Videos sieht man, dass ich zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt habe: Das erste Video (150 Sekunden) inszeniert mich selbst als Vortragender. Hierbei ging es mir um zweierlei: Zum einen meine Vorstellung als Ansprechpartner für die vorgestellten Entwicklungsleistungen, die sich mit meiner Expertise decken. Zum anderen eine hohe Verbindlichkeit der Marketingversprechungen, für die ich persönlich einstehe. Im zweiten Video (5:30 min) wiederum wird ausschließlich das Produkt und dessen Features in den Fokus gerückt.

Die Storyline sollte den gesamten Textkorpus umfassen und in wenigen Stichpunkten den visuellen Content skizzieren, der das Gesprochene illustriert bzw. mit passenden Bildern / Abbildungen verständlicher macht. Angesichts der Zeitbegrenzung wird für jeden Videomacher auch schnell klar, dass die Zielgruppe klar definiert sein muss. In der Regel nur ein Botschaft, maximal drei (Erfolgsrezept von Steve Jobs).

Meiner Erfahrung nach ist das ein iterativer Prozess. Nicht selten startet man mit einer Idee, die schon mal 5 oder 8 Minuten braucht. Das findet man schnell heraus, wenn man den Text einmal vorträgt. Dann beginnt das Herausarbeiten der Kernbotschaft – und zwar konsequent, bis man sich innerhalb des Zeitrahmens (3 min) bewegt. Hierbei kann es erstens vorkommen, dass man Ideen vollständig verwirft. Oder dass aus einer Video-Idee plötzlich 4 Ideen werden.

Ich könnte hier noch viele Tipps geben, tolle Beispiele – ich beschränke mich aber auf einen schnellen Überblick. Wer einmal den Entschluss gefasst hat zum Do-it-yourself, der findet dann mit ein paar Klicks ohnehin schnell Hilfe. Mein Credo lautet: Einfach anfangen! Zwei, drei Marketingvideos anschauen, daraus eine Idee entwickeln, umsetzen. Man kann auch wochenlang Videotutorials anschauen und „Erfolgsrezepte“ lesen. Das kostet ziemlich viel Zeit und im schlimmsten Fall ist man nach 20 Tutorials zu Adobe Premiere Pro überzeugt, dass das nur ein Tool für die Profis ist, viel zu kompliziert. Stimmt aber nicht. Ich muss nicht alle Excel-Formeln kennen und lernen, bevor ich meine erste Excel-Tabelle aufbaue.

Der visuelle Content

Im einfachsten Fall nutzt man eine PowerPoint Präsentation. Diese kann man durch Screen Recordings ergänzen, wenn man etwa ein Softwareprodukt vorstellt. Und es gibt auf Webseiten wie www.stock.adobe.com“ oder www.istockphoto.com“ stundenweise Video Footage zu allen möglichen Themen. Hier findet sich immer etwas passendes – zu akzeptablen Preisen. Wer selbst Video Footage produzieren möchte, der muss allerdings deutlich mehr Zeit einplanen – und braucht auch das notwendige Equipment dafür. Ich habe bislang darauf verzichtet.

Wie eine gute PowerPoint-Präsentation gestaltet sein sollte, dazu finden sich Hunderte von Blogs und Tutorials. Ich halte folgende wenigen Regeln für wesentlich, insbesondere für ein Marketingvideo:

Text nur in homöopathischen Dosen, nur vereinzelte Stichworte (wenn überhaupt). Im Optimalfall ein einzelnes illustrierendes Bild, oder zum Beispiel ein gut strukturiertes (sprich: schnell zu verstehendes) Ablaufdiagramm. Einheitlichkeit im Design, von den Farbtönen (z.B. Blautöne) bis zum Schrifttyp.

Behalten Sie die Dynamik des Videos im Auge. Wenn Sie eineinhalb Minuten über ein und dieselbe Folie erzählen, dann fehlt die visuelle Dynamik. Nutzen Sie die Möglichkeit, eine Folie sukzessive aufzubauen, indem Elemente einer Illustration schrittweise hinzugefügt werden. Mir ist keine Faustregel bekannt, wie häufig Bildwechsel erfolgen sollten – das hängt auch vom individuellen Rhythmus eines Videos ab. Aber mein Bauchgefühl sagt mir: Je 20 Sekunden eine Bildeinstellung. Damit erhalten Sie eine gute Dynamik.

Tonaufnahme, Screen Recording, Videoschnitt

Für die „technische Produktion“ benötigt man nur wenige Werkzeuge, die ich bereits genannt habe: Screen Recording gibt’s als Feature für alle Webkonferenztools, die ich kenne (z.B. GoToMeeting, Teams) oder als Feature der Videoschnittsoftware Camtasia (sehr gut für Einsteiger). Ich selbst habe eine etwas mächtigere Audio-Software (Live10 von Ableton), da ich damit auch Musik mache – aber ich kenne einige Podcaster, die mit ihrem iPhone Interviews durchführen. Ich bin vor einigen Jahren auch schon mal im Tonstudio gewesen mit allem Drum-und-Dran; aber viel wichtiger als High-Tech bei der Aufnahme ist es, den Sprechtext ausführlich einzustudieren (mit Feedback von Kollegen oder Bekannten). Mit der Stimme arbeiten, modulieren, laut, leise, wie im Theater. Ich habe für mich festgestellt, dass ich morgens so einen „rauchigen“ Ton habe, den ich für Aufnahmen mag. Einfach ausprobieren und loslegen. Kein Overengineering.

Die Videoschnittsoftware: Da reicht Camtasia für den Einstieg völlig aus. Man kann die Sequenzen schneiden, neu anordnen, Reinzoomen, Rauszoomen, Standbild. Mehrere Tonspuren nebeneinander legen (nämlich Sprechtext + Hintergrundmusik). Überblendungen zwischen Videosequenzen. Das reicht für den Anfang völlig aus. Lichtbildkorrekturen und derlei mehr – das ist was fürs Finishing durch die Agentur (ich selbst habe das nie gemacht).

Zu guter Letzt noch den Hinweis: Timing ist wichtig, damit Sprechtext und Bildsequenzen synchron laufen. Wie macht man das? In jedem Fall muss man erstmal Textkorpus und visuellen Content entwickeln und aufeinander abstimmen, damit die Kernbotschaften rüberkommen und die Dynamik gut ist. Man merkt dann etwa hier oder dort, dass eine Textpassage zu lang ist für eine Bildeinstellung. Anpassen, Weiterentwickeln. Immer wieder den Text vortragen und prüfen, ob Text + visueller Content miteinander funktionieren.

Ich selbst mache dann zuerst die Sprachaufnahme. Ich fokussiere mich vollständig auf Stimmmodulation, klare Aussprache, lebendiger Vortrag und-so-weiter. Danach (!) lasse ich per Screenrecording die PowerPoint-Slides durchlaufen. Danach setze ich die Puzzlestücke in der Videoschnittsoftware zusammen, unterlege das mit Musik (z.B. von www.bensound.com“). Fertig. Danach gönne ich mir dann ein Gläschen Rotwein.

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Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.