Der Begriff Netzwerkeffekt zählt zu den am meisten gehypten Begriffen der Digitalen Ökonomie. Netzwerkeffekte schaffen hohe Eintrittsbarrieren für Wettbewerber, bis hin zu einer Quasi-Monopolstellung. Vergleiche etwa Facebook, AirBnB, Amazon, ebay oder Twitter. Geschäftsmodelle, die mit Netzwerkeffekten einen hohen Mehrwert stiften, erreichen eine sehr hohe Profitabilität. Vergleiche etwa Facebook: Operative Marge > 40 Prozent

Geschäftsmodelle, die auf Netzwerkeffekte setzen, begründen nicht per se ein funktionierendes, hochprofitables Business. Es kommt auf spezifische Qualitäten des Netzwerkes an. Eben das soll im Folgenden betrachtet werden. Zunächst schaffen wir eine Typologie von Netzwerken. Im zweiten Schritt betrachten wir die besonderen Voraussetzungen, die ein Netzwerk für ein funktionierendes Geschäftsmodell qualifizieren.

Grundsätzlich gilt: Es gibt ein Netzwerkeffekt, wenn jeder zusätzliche Nutzer einen Nutzen für das Netzwerk stiftet. Es lässt sich leicht überprüfen, dass dies für Amazon Marketplace oder Facebook gilt. Dies gilt beispielsweise nicht für Netflix: Hierbei handelt es sich um ein hochprofitables Unternehmen der Plattformökonomie, es gibt aber keinen Netzwerkeffekt.

Erfolgsfaktor Netzwerkeffekt für das Geschäftsmodell: Verschiedene Typen von Netzwerken

Bei der Typologisierung eines Netzwerks kann zunächst eine einfache Differenzierung treffen: Es gibt einerseits Netzwerke zwischen Nutzern gleichen Typs. Das trifft beispielsweise zu auf Twitter, Tinder oder Facebook. Alle Nutzer des Netzwerks haben ein identisches Aktivitätsprofil: Die Nutzer bauen ein Social Media Profil auf und vernetzen sich.

Andererseits gibt es Netzwerke mit Marktplatzfunktion. In diesem Fall agiert ein Teil der Nutzer als Anbieter, ein anderer Teil als Nachfrager. Unter diesen Typ von Netzwerk fallen etwa Amazon Marketplace, AirBnB oder OpenTable. Als besondere Form des Marktplatzes können sogenannte Innovationsplattformen gelten, nämlich der Apple Store, Google Play, Xbox oder auch shopify. Es handelt sich um Produkt-basierte Ökosysteme, wo Anbieter (Entwickler) Reichweite zu Produktnutzern erzielen können.

Bei Netzwerken lassen sich verschiedene funktionale Ebenen unterscheiden (diese müssen aber nicht in jedem Netzwerk-basierten Geschäftsmodell vorhanden sein. Dies sei am Beispiel von Amazon Marketplace erläutert: Es gibt zum einen die Interaktions Ebene. Auf dieser Ebene findet die Interaktion zwischen den Netzwerknutzern statt (Marktplatzanbieter, Käufer). Die darunter liegende Ebene der Data Intelligence stiftet für die Nutzer Mehrwert durch Datenanalyse: Nutzer erhalten Produktempfehlungen, Verkäufer können ihre Wettbewerbsposition analysieren, Prognosen auf Basis historischer Daten erlauben eine optimierte Lagerhaltung und derlei mehr. Und schließlich gibt es noch die Infrastrukturebene. Beim Geschäftsmodell des Amazon Marketplace handelt es sich um die logistische Infrastruktur von Warenhäusern und Warenlogistik, die für den eCommerce zentral ist.

Erfolgsfaktor Netzwerkeffekt für das Geschäftsmodell: Strukturelle Voraussetzungen für den Erfolg

Die Analyse von Netzwerkeffekten zeigt: Je höher die Fragmentierung, desto größer der Netzwerkeffekt. Anders formuliert: Je geringer die Fragmentierung, desto unwahrscheinlicher, dass ein Netzwerk-basiertes Geschäftsmodell erfolgreich ist. Diese Anforderung muss bei Netzwerken mit Marktplatzlogik für beide Seiten erfüllt sein. Es reicht nicht aus, wenn die Fragmentierung beispielsweise nur für die Nachfrage-Seite gilt.

Ein illustrierendes Beispiel für diese Regel ist das Start-Up Moviepass: Das Geschäftsmodell basierte auf einem Ticket-Abonnement für drei Filme pro Monat für einen Pauschalpreis. Die Nutzer konnten das Filmangebot aller großen Kinoketten nutzen. Auf Seiten der Anbieter (Kinoketten) bestand jedoch eine hohe Konzentration, das Kriterium der Fragmentierung war hier folglich nicht erfüllt. De facto hatten diese Kinoketten bereits über diverse Kanäle Zugang zur Zielgruppe, die Verhandlungsposition von Moviepass war schwach. Das Ergebnis: Das Start-Up ging Anfang 2020 vom Markt, Investorengelder in Höhe von 70 Mio. US-Dollar wurden abgeschrieben.

Eine nicht unähnliche Ausgangssituation gibt es im Übrigen auch für das Geschäftsmodell des Musikstreamingdienstes Spotify. Zwar gibt es Tausende von Songs, Hunderte von Indie-Labels. Aber de facto gilt, dass 60 Prozent des Umsatzes im Musikgeschäft mit 1 Prozent der Künstler generiert werden. Es gibt hier drei große Labels, nämlich Universal Music Group, Sony Music Entertainment und Warner Music Group. Die Anbieterseite weist insofern für große Teile des Musikangebotes eine Oligopolstruktur auf, was die Verhandlungssituation von Spotify entscheidend schwächt. Das erklärt, weshalb des in 2006 gegründete Unternehmen bis heute (im Jahr 2021) in der Verlustzone operiert. Insgesamt leiten die Musikstreamingdienste 70-75 Prozent ihrer Einnahmen an die RechteinhaberInnen (55-60 Prozent an die Labels und 10-15 Prozent an die Musikverlage) weiter. Vergleiche dazu auch folgende (sehr spannende) Analysen des Marktes für das Musikstreaming: Die Musikstreaming Ökonomie: Ein Einblick und Eine Bewertung des Geschäftsmodells von Spotify

Im Übrigen gilt: Die Ausgangssituation einer Fragmentierung findet sich im B2B Markt deutlich seltener als im B2C oder C2C Markt. Das bestätigt der Blick auf die erfolgreichen Geschäftsmodelle mit Netzwerkeffekt: Facebook (C2C), Amazon Marketplace (B2C), tinder (C2C), AirBnB (C2C, B2C), Apple App Store (C2C, B2C).

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Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.