Jeder CIO wünscht sich eine moderne IT-Infrastruktur, die flexibel, performant und skalierbar ist, die robust ist und geschützt gegen Cyber Attacken, und natürlich kostengünstig im Betrieb. Apologeten der Neuen Digitalen Ökonomie fordern von Unternehmen größtmögliche Agilität und Anpassungsfähigkeit in einem dynamischen Markt-/Kundenumfeld, die Herausforderungen für die IT-Abteilung dürften damit klar benannt sein.

Die sogenannte Legacy-IT, also die hergebrachte IT-Infrastruktur, war noch keineswegs auf solche Anforderungen ausgelegt, die Rahmenbedingungen waren gänzliche andere: Die Industrieproduktion war auf Massenproduktion ausgelegt, weniger auf kundenspezifische Fertigung; hohe Hardware- und Speicherkosten erforderten ein anderes Softwaredesign als heute. Nota Bene: Die Datenspeicherung für einen Megabyte Daten lag 1956 bei ca. 85.000 US-Dollar (inflationsbereinigt in heutigen Preisen; nominaler Preis 1956: 9.200 US-Dollar). Heute: 0,00002 US-Dollar.
Tatsächlich gilt: Die Mehrheit der IT-Systeme läuft heute auf Plattformen, die unter Legacy-IT fallen. Das reicht vom Mainframe (Großrechner der IBM) bis zu den viel genutzten Oracle Forms 6-11. Man sollte hier nicht leichtfertig sämtliche Legacy-IT über einen Kamm scheren. Ein pauschales „Das muss weg“ macht keinen Sinn, je Legacy-IT-Komponente hat ihre je eigenen Herausforderungen, die Kritikalität ist keineswegs immer alarmierend.

Ich arbeite zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Glossar-Eintrags bei Beta Systems Software AG, die unter anderem Software für den IBM-Großrechner Mainframe herstellt, der vor allem noch in den Rechenzentren zahlreicher Finanzinstitutionen eingesetzt wird. Ein Großteil der Finanztransaktionen (Kontotransakationen, Kreditkartentransaktionen, etc.) wird noch über den Mainframe abgewickelt. Noch vor etwa 5 Jahren wurde der Mainframe als Auslaufmodell etikettiert – doch die Stimmung hat sich gedreht: Der Mainframe ist für die Batch-Verarbeitung so performant wie kein anderes System, die Ausfallsicherheit ist unerreicht von anderen Systemen und der Mainframe ist äußerst sicher.

Natürlich, auch der Mainframe ist mit Problemen behaftet, die mit Legacy-IT verbunden sind: Vor allem ein Mangel an Fachkräften, die sich mit der Mainframe-Architektur auskennen und Alt-Anwendungssoftware in Cobol oder Assembler pflegen können. Was wir inzwischen beobachten: Das Mainframe-Ökosystem wird geöffnet für moderne Frameworks und Programmiersprachen; es bleibt abzuwarten, ob sich diese Großrechner-Technologie damit erneut als moderne Plattform etablieren kann, die signifikante Neuinvestitionen anlockt. Spannend.

Fazit: Legacy-IT muss einem Check unterzogen werden. In manchen Fällen mag sich ein System als robust erweisen, die an das System herangetragene Veränderungsdynamik mag sich als sehr gering herausstellen (System ausgereift), so dass das System beibehalten werden kann. In anderen Fällen wird man nicht herumkommen um eine Ablösung, eine Migration oder ein Upgrade.

Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.