Der IT-Dienstleister LYNET Kommunikation AG (www.lynet.de) bietet seit 1995 individuelle Lösungen für Kunden aus verschiedenen Branchen sowie öffentliche Verwaltungen. Ein Team von 25 Consultants betreut vorwiegend mittelständische Unternehmen in ganz Deutschland.

Gründer und Vorstand Dr. Henning Hach hat den Aufbau und die Entwicklung des Fullservice Dienstleisters mit eigenem Rechenzentrum maßgeblich geprägt. Der promovierte Wirtschaftsinformatiker berichtet über die Erfahrungen der zurückliegenden Zeit und beschreibt im Interview mit BytesForBusiness seine Einschätzungen für die kommenden Jahre.

Sebastian: Du begleitest und betreust seit einigen Jahrzehnten Mittelständler bezüglich der IT-Infrastruktur. Was hat sich in den vergangenen Jahren rund um die Nutzung cloudbasierter Dienste verändert?
Henning: Zunächst gilt ja: Die zentrale Bereitstellung von Ressourcen ist nun absolut nichts Neues, diese begleitet uns ja seit Ende der 90er Jahre, damals noch unter dem Begriff ASP. Aber wir beobachten in der Praxis, dass sich in vielen Bereichen dennoch mittlerweile eine dramatische Entwicklung ankündigt. Dramatisch deshalb, weil wir in der Praxis keine freiwilligen, strategisch sauber geplanten Umstellungen beobachten. Stattdessen entsteht derzeit in den meisten Unternehmen durch die Hintertür eine bunt schillernde Cloud-Landschaft. Problematisch dabei: Das geschieht häufig vorbei an jeglicher Compliance. Allzu häufig passiert das auch unfreiwillig, also durch die Softwarehersteller erzwungen. Dieser Megatrend hält an und damit werden Fakten geschaffen.

Sebastian: Liest man die Presse begegnet einem als Zielsetzung eine hundertprozentige Umsetzung des Cloud Gedankens. Die Großunternehmen machen dies vor mit ihren „Cloud-Only Strategien“: DB Systel, Lufthansa und andere. Wie kommt das bei den KMU an? Lässt sich beobachten, dass auch diese Unternehmen stärker auf die Cloud setzen?
Henning: Nun ja, vielleicht sollten wir erst einmal differenzieren, was wir unter Cloud verstehen. Sehen wir Cloud erstmal nur unter dem Technologie-Aspekt, dann ist es nicht mehr als die Bereitstellung von Ressourcen. Wer als Unternehmen schon immer viel Outsourcing genutzt hat, für den macht das einer „third party hosted“ Private Cloud keinen großen Unterschied. Aber im Mittelstand ist das nicht die Welt, die wir erleben. Da lockt die Public Cloud doch sehr. Und warum? Vor allem damit lassen sich Dienste mit minimalstem Aufwand implementieren und allzu häufig lockt das Versprechen niedriger Kosten und administrationslosem Betrieb. Viele Mittelständler und dessen IT-Verantwortliche sind zunächst dankbar über den Wegfall von Administrations Know-How und eigener Verantwortung.

Sebastian: Würdest Du einem KMU empfehlen zu einem der Hyperscaler zu gehen, etwa zum Kosten zu sparen? Oder gibt es gute Gründe, eher auf einen lokalen bzw. regionalen Anbieter zu setzen?
Henning: Wie immer im Leben kommt es darauf an. Meiner Erfahrung nach sind das zwei Welten. Nehmen wir den Fall eines Unternehmens, das seine Anwendungen auf klassischen Servern mit voller Kontrolle und wenig laufenden Kosten betreiben möchte: Dieses Unternehmen hat kaum Vorteile, wenn es zum Hyperscaler wechselt, sofern es denn überhaupt gelingt. Vor allem, wenn sein Software-Hersteller den On-Premise Betrieb auch weiter ermöglicht. Andererseits gilt: Wer die Cloud verstanden hat, entsprechende Softwarestrukturen etablieren kann und bereit ist, für diese hohe Komplexität Geld auszugeben, kann natürlich bei den Hyperscalern Performance und Skalierbarkeit einkaufen.

Nicht alle Mittelständler benötigen allerdings Skalierbarkeit, diese Anforderung muss man sich schon genauer anschauen. Nach unserer Beobachtung verfügt aber der Mittelstand meist über eine sehr heterogene Infrastruktur und da wäre „cloud only“ schier unmöglich. Und: Ich kenne niemanden, der in der Cloud Geld spart. Das „Mehr“ an Sicherheit, das sich durch Hyperscaler wie AWS, Azure und Co. erreichen lässt, verliert man schnell wieder, wenn das Drumherum nicht gewährleistet werden kann. Gerade für den Mittelstand kann der lokale Anbieter einen Teil der Planungs- und Steuerungsdefizite auffangen, die in den meisten Unternehmen vorhanden sind. Sicherheit ist immer die Summe aller einzelnen Teile!

Sebastian: Wie würdest Du denn grundsätzlich die Strukturen bzw. die Infrastruktur im Mittelstand beschreiben? Und was bedeutet das für die Cloud-Readiness?
Henning: Häufig ist ja in KMU die IT weniger formalisiert als in Großunternehmen. Damit ist man natürlich deutlich flexibler und umsetzungsstärker. Ich würde sogar sagen: Das ist einer der Erfolgsfaktoren von KMU. Dass man alles im Griff hat und schnell agieren kann. Natürlich darf das mit Cloud nicht verspielt werden. Fakt ist, dass sich bei dieser Unternehmensgröße die Nutzung bestimmter Clouds wohl nicht vermeiden lässt. Die werden vom Anbieter diktiert, erkennbar beispielsweise am Schwenk von Microsoft zu Office 365. Es ist unbedingte Aufgabe einer jeden Unternehmensleitung, hier zumindest den Überblick zu bewahren und das Ganze in eine funktionierende Gesamtstrategie einzuordnen.

Sebastian: Also weniger agieren als smart reagieren?
Henning: So ist es. Die wenigsten KMU ab einer bestimmten Größe werden in fünf Jahren überhaupt keinen eigenen Server mehr haben. Also wird man sich an die Hybrid Cloud gewöhnen müssen, und zwar mit all ihren Konsequenzen. Weder wird es billiger, noch wird es sicherer. Vielmehr steigen die Anforderungen, die verschiedenen Infrastrukturkomponenten von Cloud, On-Premise und Hybrid-Elemente sicher aufeinander abzustimmen. Und da wird man in vielen Fällen um einen Dienstleister wohl nicht herumkommen: Wer nur selten damit zu tun hat, dem dürfte es schwerfallen, so etwas dauerhaft im Alleingang hinzubekommen.

Sebastian: Das heißt dann also steigende IT-Budgets?
Henning: Nicht unbedingt, denn einzelnen Dienste lassen sich durchaus kostenreduzierend in der Cloud einkaufen. Allerdings zeigt die Praxis, dass Kostenvorteile rasch an anderer Stelle wieder aufgezehrt werden. Wer digitalisiert, also die IT-Nutzung erhöht, kann wohl kaum sinkende IT-Kosten erwarten! Wer aber das System dahinter verstanden hat und die Klaviatur gut spielt, kann durchaus an einigen Stellen Kosten sparen.

Sebastian: Gibt es denn überhaupt so etwas wie eine optimale Betriebsform für Cloud-Services?
Henning: Das hängt sehr von den individuellen Voraussetzungen ab. Die meisten Unternehmen landen ja nicht deshalb bei einer Hybrid-Cloud, weil sie ein Optimum anstreben. Sondern weil etwa unveränderliche Elemente in der IT-Infrastruktur und andere Leitprinzipien Rahmenbedingungen setzen, die den Entwicklungspfad vorgeben. Unter Hybrid Cloud verstehe ich übrigens den Mix aus Public ‚Cloud, Private Cloud und on premise. Anders formuliert: IT Strategie entsteht niemals auf dem Reißbrett, sondern orientiert sich immer an vorhandenen Freiheitsgraden. Ein allbekannter Grundsatz aus der Praxis ist ja auch die Leitlinie: Never change a running system.

Sebastian: Das Thema Security wird in den nächsten Jahren ja eine wachsende Rolle spielen, die Anzahl der Hackerattacken wächst ja sehr dynamisch. Inwieweit können lokale bzw. regionale Cloud-Anbieter in punkto Sicherheit mit den großen Hyerscalern mithalten?
Henning: Da muss man unterscheiden. Bei Faktoren, die mit einer hohen Kostendegression durch Skalierung einhergehen, natürlich nicht. Das betrifft etwa ausgeklügelte Denial-of-Service Konzepte. Im Kostenmix macht die reine Plattform jedoch immer nur einen Teil aus. In Summe betrachtet für das Gesamtkonzept und den Gesamtservice ist der lokale oder regionale Cloud-Anbieter aber konkurrenzfähig. Man darf aber keine Äpfel mit Birnen vergleichen, also: Man darf nicht einfach die Angebot für ein simples Standardprodukt ohne Service miteinander vergleichen.

Sebastian: Wie sollte denn nun ein Mittelständler konkret vorgehen, der ein Cloud-Projekt aufsetzen möchte?
Henning: Ich würde mal sagen, zunächst ist wichtig, dass die Verantwortlichen überhaupt definierten, welche Ziele verfolgt werden. Es ist schon ein großer Unterschied zwischen „mal eben eine Applikation aus der Cloud mieten“ und Infrastruktur- oder Plattform basierenden integrativen Projekten. Da rate ich dann doch schon zu einem strukturierten Vorgehen mit Briefing, Workshops und einem sukzessiven Strategiefindungsprozess. Da geht es ja um die Zukunft des gesamten Unternehmens und oft auch des Wertschöpfungsmodells. Für diese Entscheidungsfindung darf auch nicht nur die IT-Administration am Tisch sitzen. Aus unserer Praxiserfahrung zeigt sich dann, dass dieser sogenannte „ideale Cloud-Mix“ in jedem Unternehmen anders aussieht.

Dr. Henning Hach, Vorstandsvorsitzender der LYNET Kommunikation AGDr. Henning Hach, Vorstandsvorsitzender der LYNET Kommunikation AG

Sebastian: Henning, danke Dir für den Einblick in die Praxis bei KMU. Kleiner Themenwechsel: Du verfolgst sicherlich auch das Projekt Gaia-X, also: Die Initiative für ein europäisches Cloud-Projekt, das als deutsche Initiative unter Bundeswirtschaftsminister Altmeier ins Leben gerufen wurde. Wie ist Deine Einschätzung dazu?
Henning: Nun ja, den Ansatz kann ich gut nachvollziehen. Die großen Hyperscaler haben nun wirklich ihre klar erkennbaren Schattenseiten. Was bei einer so jungen politischen Sache tatsächlich rauskommt, weiß man in einigen Jahren. Dass die Regierung so ihre Bedenken angesichts der Kontrollierbarkeit der gegenwärtigen Infrastruktur hat, ist meines Erachtens nach voll gerechtfertigt.

Sebastian: Und zum Schluss noch ein Takeaway für die Leserinnen und Leser: Gibt es ein Buch, ein Podcast oder Ähnliches, was Dich in letzter Zeit besonders fasziniert hat oder Deine Sicht auf das Thema Digitalisierung verändert hat? Kurz: Eine Empfehlung.
Henning: Ich würde eigentlich in diesem Zusammenhang zwei Bücher empfehlen. Wer sich sehr kompakt ohne zu große Tiefe mit minimalem Zeiteinsatz mit dem Thema anfreunden möchte, sollte sich das Springer-Gabler Essentials „Der Weg in die Cloud“ (Lindner/Niebler/Wenzel, 2020) ein paarmal durchlesen. Es eignet sich auch zum Nachschlagen. Wer wirklich verstehen möchte, welche Konsequenzen sich für Geschäftsmodelle und Marktstrukturen daraus ergeben und welche Mechanismen dabei wirken, dem empfehle ich das ebenfalls bei Springer-Gabler erschienene Buch „Cloud-Transformation“ (Frank/Schumacher/Tamm, 2019). Denn es geht ja nicht nur darum, die Cloud zu nutzen. Es geht ja auch darum zu verstehen, wie sich das eigene Geschäft durch die Cloud-Nutzung der anderen verändern wird. Und zwar in jeder Branche, also nicht nur im Handel!

Sebastian: Henning, vielen Dank für dieses Gespräch!

Zum Weiterlesen

  • Die Zukunft des Cloud-Computing: Interview mit Julian Hansert, Co-Founder von Kubermatic
  • Das Projekt GAIA-X: Überblick, Kritik und Ausblick
  • Cloud aus Deutschland: Interview mit Luc Mader, Start-Up-Gründer von luckycloud
  • Digitalisierung: 7 spannende Start-Ups im Bereich Cloud Computing
  • Author

    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.