Der juristische Laie kennt typischerweise vertragliche Grundlagen wie Werkvertrag, Dienstvertrag, Festpreis oder Time & Material. Das Buch „Agile Verträge – Vertragsgestaltung bei agiler Entwicklung für Projektverantwortliche“, dpunkt.verlag (26,90 EUR, Erscheinungsjahr 2017, 140 Seiten) schafft ein breiteres Verständnis zu den vielfältigen Vertragsausgestaltungsoptionen (ohne allzu tief zu gehen), und zwar mit einem Schwerpunkt auf die Vertragsgestaltung in einem Softwareentwicklungsprojekt auf Basis agiler Methoden. Dabei werden etwa 40 Seiten (von 140 Seiten) des Buches darauf verwendet, überhaupt erst in die agile Entwicklung einzuführen – das Buch geht insofern von keinerlei Vorkenntnissen aus.
Im juristischen Teil des Buches werden Vertragstypen wie Werkvertrag, Dienstvertrag, Werklieferungsvertrag oder Mietvertrag im Softwarevertragsrecht eingeführt, außerdem Begriffe wie „zwingendes Recht“. Der Jurist (hier: der Autor Fritz-Ulli Pieper) vermittelt einige Anhaltspunkte, die für die vertragstypologische Zuordnung von Verträgen (also: Werkvertrag oder Dienstvertrag oder ein anderes vertragliches Leitbild) herangezogen werden. Ein solcher Anhaltspunkt ist etwa die Planungskomponente bei Softwareprojekten. Da beginnt der Gedankengang etwa so: „Da bei agilen Projekten keine detaillierte vorhergehende Planung stattfindet, stellt sich die Frage, ob die hier notwendige Planung nicht derart unterzugewichten ist, dass eine Werkleistung nicht mehr anzunehmen ist.“ Am Schluss der Überlegungen steht schließlich das Résumé: „Letztlich ist aber in einer Vielzahl der Projekte von einer Dominanz der (fortlaufenden) Planungsleistungen auszugehen. Deshalb wird sich ein agiler Vertrag oft nach Werkvertragsrecht richten (…).“
Hier werden also nicht einfach Fakten (als Checklisten) vermittelt, sondern Rechtsauffassungen (als Hypothesen) formuliert, dann anhand anzuwendender juristischer Kriterien bewertet, dann kommt man zu einem Schluss. Diese Argumentationslogik kann den mit juristischer Gedankenführung wenig vertrauten Leser durchaus verwirren. Da wird ein Kapitel etwa damit eingeleitet, dass die Auffassung vertreten werde, die GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) komme als rechtliche Grundlage für agile Projekte in Betracht, und zwar aufgrund der für diese Projekte typischen intensiven Zusammenarbeit zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Etwas später wird diese Auffassung für die Mehrheit der Fälle wieder verworfen („Meist wird daher …“). Es kommt eben darauf an. An anderer Stelle heißt es: „In der Rechtswissenschaft ist man sich uneins, ob es sich bei agilen Entwicklungsverträgen beispielsweise um Dienst-, Werklieferungs- oder Werkverträge handelt. Sicher ist nur: Pauschal lässt sich keine Antwort finden.“ Das Kapitel schließt mit folgender Schlussfolgerung (man beachte erneut die Präposition „meist“): „Bei agiler Entwicklung wird meist ein Werkvertrag vorliegen (auch wenn keine detaillierte Liste zu liefernder Funktionalitäten im Vertrag definiert sind).“
Das Buch führt auch in einige innovativere Vertragsgestaltungsoptionen ein. Zum Beispiel den Garantierten Mindestpreis. Es wird hier von den Vertragsparteien ein Maximalpreis definiert, der eine Obergrenze bildet. „Wird die Entwicklung teurer als der vereinbarte Maximalpreis, geht dies zulasten des Anbieters. Wird die Entwicklung hingegen günstiger als der Maximalpreis, legt der Anbieter gegenüber dem Auftraggeber seine Bücher offen. Der nicht verbrauchte Betrag wird nach einem vorher festgelegten Schlüssel (z.B. 50:50) zwischen Auftraggeber und Anbieter aufgeteilt.“ Andere Vertragsvarianten sind der Garantierter Minimalumfang, Agiler Festpreis, Festpreis pro Sprint, Pay what you get oder Money for Nothing, Change for Free. Die letztere Variante leitet sich aus dem klassischen Festpreis ab. Zu Beginn des Projektes werden die vertraglich spezifizierten Anforderungen in einen Product Backlog überführt und priorisiert (Eine Aufwandsschätzung in Story Points ist ebenfalls erforderlich). Der Auftraggeber kann nun neue Features in das Product Backlog aufnehmen. Aber: „Dafür muss er Features im mindestens gleichen Aufwand aus dem Product Backlog entfernen. Solche Änderungen kann der Auftraggeber jederzeit ohne Mehrkosten vornehmen (Change for Free).
Last but not least werden auch noch nutzenorientierte Verträge vorgestellt, darunter Proviant & Prämie oder Profit-Sharing. Das Buch schafft aus Sicht eines Juristen und eines Entwicklers aus der Praxis eine gute Einführung in die Vertragsgestaltung für agile Entwicklungsprojekte. Das Buch setzt nicht allzu viele Kenntnisse voraus, es ist leichtgängig geschrieben, eignet sich also gut für Einsteiger in dieser Materie. Für die weitere Vertiefung bietet das Buch auch einige Anhaltspunkte.