Wie gut gelingt die Mensch-Maschine-Interaktion im Zeitalter von KI, was geht gut, wo sind die Schwachstellen? Wie schneiden bekannte Sprachmodelle in punkto Kreativität beim Einsatz im Improvisationstheater ab?
Diese uns ähnliche Fragen werden in einem interdisziplinären Forschungsprojekt (Theaterwissenschaft, Computerlinguistik, Psychologie und Medienwissenschaft) untersucht – aber eben nicht unter Laborbedingungen, sondern direkt auf offener Bühne. Dazu werden verschiedenste der gängigen / bekannten Sprachmodelle (u.a. ChatGPT oder Character.ai) unterschiedlich konfiguriert / parametrisiert / trainiert, und dabei wird jeweils untersucht, wie sich dies auf die Mensch-Maschine-Interaktion auswirkt. Der Name des Forschungsprojektes: „The answering machine“.
Für diese Mensch-Maschine-Interaktion gibt es verschiedene künstlerische Set-Ups: Zum Beispiel den „Geist aus der Flasche“, der das Publikum davon zu überzeugen versucht, eben diesen Geist aus der Flasche zu befreien. Das Forschungsprojekt ist auf 4 Jahre angelegt und wird umgesetzt unter der Leitung des Theaterwissenschaftler, Schauspieler und Psychologe Dr. Gunter Lösel (HIER geht’s zum LinkedIn-Profil und HIER geht’s zum Profil auf der Seite der Zürcher Hochschule der Künste).
KI-Sprachmodelle arbeiten bekanntlich stark basierend auf statistischen Prinzipien: Welches Wort folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das vorangehende Wort bzw. auf den vorangehenden Kontext; in der Standard-Parametrisierung werden jene Wörter ausgesucht, die – auf Basis des Trainingsmaterials – am wahrscheinlichsten auftreten. Das muss natürlich nicht sein, man kann Modelle auch so parametrisieren, dass eben NICHT das Wort mit der höchsten Wahrscheinlichkeit ausgewählt wird, sondern ein Wort mit (deutlich) niedrigerer Eintrittswahrscheinlichkeit. In der Sprache des Improvisationstheaters gesprochen: Manche Antworten in einem Dialog (auf der Bühne) liegen INNERHALB eines Erwartungsrahmens, manche eher nicht (off-topic Beiträge); letztere Beiträge machen dann etwa Komik aus, schaffen Moment der Absurdität oder Ähnliches. Mit eben dieser Parametrisierung wird also beim Einsatz von KI im Improvisationstheater gearbeitet.
Übrigens, wer sich mit Improvisationstheater weitergehend auseinander setzen möchte, dem kann ich das Buch „Theater und Improvisation“ von Keith Johnstone empfehlen, das nicht nur Kreativitätstechniken behandelt, sondern auch das hochinteressante Konzept von Hoch- und Tiefstatus vermittelt.
Einige der bisherigen Erkenntnisse im Projekt sind folgende: Schauspieler sind der KI bislang noch klar überlegen in punkto Kreativität und Plot-Entwicklung im Improvisationstheater. Und: Da ein großer Teil unserer Kommunikation non-verbal stattfindet (Gestik, Mimik, Körpersprache) und die KI diese Elemente nicht/kaum berücksichtigen kann, ergeben sich damit Herausforderungen in der Kommunikation. Vor allem: Wann hat das Gegenüber ausgeredet, wann bin ich dran (sogenanntes „turn-taking“). Gunter Lösel dazu: „Die Maschine hat damit unendlich Schwierigkeiten“. Die hohe Relevanz der non-verbalen Kommunikation für diese reibungs-/nahtlose Kommunikation ist im Übrigen auch dem Forscherteam durch das Projekt erst voll bewusst geworden.
Zu diesem Projekt „The answering machine“ gibt es einen ca. 12-minütigen Beitrag im Schweizer Rundfunk, das Sie HIER nachhören können.
Ganz herzlichen Dank an meinen Kollegen Ralf Priemer (HIER geht’s zum LinkedIn-Profil) für den Hinweis zu diesem Projekt. Als passionierter Improvisationsschauspieler ist er Teil des Projektes; er wirkte etwa auch mit bei der Premiere von „Der Tag, an dem mein Computer dachte, er hätte mehr Persönlichkeit als ich“, das auf der Bühne Dresden und auch beim „Effekte Wissenschaftsfestival Karlsruhe“ aufgeführt wurde.