In der heutigen komplexen und sich ständig verändernden IT-Landschaft ist Automatisierung längst kein Luxus mehr; sie ist vielmehr zur geschäftskritischen Grundlage geworden. Doch während Automatisierungstechnologien weiter voranschreiten, bleibt die Art und Weise, wie wir Automatisierung managen und bereitstellen, oft hinter ihrem strategischen Potenzial zurück.

In diesem Beitrag werfe ich einen Blick darauf, was passiert, wenn man auf Product Thinking in der Unternehmensautomatisierung setzt – und warum es sich lohnt.

Was bedeutet Product Thinking in der Automatisierung?

Product Thinking bedeutet, das eigene Angebot nicht nur als Sammlung technischer Funktionen zu verstehen, sondern als durchdachtes Serviceerlebnis, das echte Geschäftsprobleme löst. Für Automatisierungsteams bedeutet das: raus aus der reinen Technikrolle, und rein in die Rolle als interne Produktmanager.

Anstatt lediglich Skripte, Workflows oder Trigger bereitzustellen, geht es darum, ein gesamtes Serviceportfolio zu gestalten, das verschiedene Zielgruppen innerhalb des Unternehmens – von Entwicklern über Fachabteilungen bis hin zur Compliance – effektiv unterstützt.

Produktdenken stellt die zentrale Frage: Lösen wir mit den richtigen Werkzeugen auch wirklich die richtigen Probleme?

Automatisierung als Produktportfolio managen

Wer in Produkten denkt, denkt auch in Portfolios. Das Angebot eines Automatisierungsteams geht weit über Tools hinaus: es umfasst APIs, Supportservices, SLAs, Integrationen und Fachwissen.

Das Management dieses Portfolios umfasst drei wesentliche Aufgabenbereiche:

1. Kuration

Nicht jede Funktion eines Automatisierungstools muss für alle Nutzer zugänglich sein. Nur weil eine Plattform APIs unterstützt, bedeutet das nicht, dass jeder Entwickler darauf zugreifen sollte. Durch gezielte Auswahl und klare Grenzen entsteht Konsistenz, Sicherheit und eine stärkere strategische Ausrichtung.

2. Balance zwischen Individualisierung und Skalierung

Anfragen nach spezialisierten Services werden kommen – einige lassen sich realisieren, andere nicht. Produktdenken bedeutet, diese Entscheidungen bewusst zu treffen: Wann lohnt sich eine maßgeschneiderte Lösung? Wann verweist man auf standardisierte Angebote? Und wann sagt man ganz klar „Nein“?

3. Lebenszyklus-Management

Auch Automatisierungslösungen haben Lebenszyklen. Wer Upgrades nicht plant, veraltete Software nicht ersetzt oder Sicherheitsrisiken ignoriert, verliert die Kontrolle. Wer den Lebenszyklus proaktiv steuert, bleibt handlungsfähig – statt reaktiv getrieben zu werden.

Kommunikation ist eine Kernkompetenz

Eine der am meisten unterschätzten Fähigkeiten in Automatisierungsteams ist strategische Kommunikation. Wer nicht regelmäßig vermittelt, welche Services es gibt, wie sie genutzt werden können und welche Erfolge erzielt wurden, verschenkt Sichtbarkeit und Einfluss.

Wenn Ressourcen knapp werden, reicht es nicht zu sagen „Wir brauchen mehr“. Stattdessen gilt es, den geschäftlichen Mehrwert von Automatisierung überzeugend darzustellen – und damit ein skalierbares Zukunftsmodell zu begründen.

Deine Roadmap wird zum Business Case – und zeigt nicht nur was du tust, sondern auch warum es zählt.

Die strategische Automatisierungs-Roadmap

Um vom reaktiven Supporter zum proaktiven Strategiepartner zu werden, braucht es eine Roadmap: ein visuelles Tool, das aktuelle Prioritäten, kurzfristige Vorhaben und langfristige Investitionen transparent darstellt – für das Team wie für alle Stakeholder.

Der Mehrwert: Du präsentierst keine isolierten Einzelprojekte mehr, sondern eine durchdachte Gesamtstrategie. Das stärkt deine Position in Gesprächen mit Führungskräften und Entscheidern.

Planung ist iterativ

In vielen Unternehmen ist „Strategie“ ein Ritual, das einmal jährlich gemeinsam mit externen Beratern abgehandelt wird. Für die Automatisierung reicht das nicht.

Ein iterativer Planungsansatz ist sinnvoller:

  • Relevante Probleme identifizieren
  • Strategie anpassen
  • Roadmap aktualisieren
  • Kommunikation & Freigaben einholen
  • Umsetzen & Feedback einholen

So bleibt deine Planung flexibel, aktuell und anschlussfähig, besonders dann, wenn neue Geschäftsinitiativen (z. B. Fusionen oder neue Produkte) schnell berücksichtigt werden müssen.

Klein starten: Die Kraft von Pilotprojekten

Wer Produktdenken einführen will, startet am besten mit einem überschaubaren, aber sinnvollen Pilotprojekt. Dazu gehört:

  • Eine geeignete Funktion oder ein Service identifizieren
  • Ein kleines Team aufstellen
  • Klare Ziele und Zeitrahmen definieren
  • Vor, während und nach dem Projekt aktiv kommunizieren

Beispiele für Pilotprojekte:

  • Business-Anwendern Zugriff auf Dashboards und Alerts geben
  • „Open Office Hours“ für Entwickler anbieten
  • Mit KI-Diensten die interne Dokumentation verbessern

Auch kleine Tests können große Erkenntnisse bringen und Vertrauen schaffen. Jeder Erfolg steigert die Nachfrage und gibt Rückenwind für die Skalierung.

Das Budgetgespräch: Defend, Extend oder Upend

Keine Strategie ohne Ressourcen. Früher oder später braucht dein Team mehr Budget oder zusätzliche Kapazitäten.

Hier hilft das „Defend, Extend, Upend“-Modell (Gartner):

  • Defend: Maßnahmen, die Effizienz verbessern oder regulatorische Anforderungen erfüllen. Wichtig – aber oft schwer zu finanzieren.
  • Extend: Vorhaben, die Geschäftswachstum ermöglichen, z. B. durch neue Märkte oder Sprachen.
  • Upend: Visionäre Projekte, die komplett neue Produkte oder Geschäftsmodelle schaffen.

Wenn du weißt, in welche Kategorie deine Initiative fällt, kannst du deinen Finanzierungsantrag gezielt auf den Entscheidungsmaßstab von Führungskräften ausrichten.

Fazit

Automatisierung ist längst mehr als nur Technik, sie ist vielmehr ein strategischer Hebel zur kontinuierlichen und skalierbaren Wertschöpfung. Produktdenken macht aus fragmentierten Insellösungen ein durchdachtes Serviceportfolio, das Kundenbedürfnisse versteht, Mehrwert priorisiert und Zukunftssicherheit schafft.

Ob du gerade erst beginnst oder dein Automatisierungsteam professionalisieren willst – dieser Denkansatz hilft dir, nicht nur Tools zu liefern, sondern echte Strategie.

Vielen Dank an Dan Twing (Enterprise Management Associates) für die inspirierende Podcast-Folge zu Enterprise Automation Intelligence, die diesen Beitrag angestoßen hat.

Author

Sebastian Zang hat eine herausragende Karriere in der IT-Branche aufgebaut und eine Vielzahl von Softwareprojekten mit einem klaren Fokus auf Automatisierung und Unternehmensentwicklung geleitet. In seiner aktuellen Rolle als Vice President Partners & Alliances bei der Beta Systems Software AG nutzt er seine umfassende Expertise, um technologische Innovationen auf globaler Ebene voranzutreiben. Als Absolvent der Universität Passau bringt Sebastian wertvolle internationale Erfahrung mit, die er in verschiedenen Märkten und Branchen gesammelt hat. Neben seiner technischen Kompetenz ist er als Vordenker in Bereichen wie Automatisierung, Künstliche Intelligenz und Unternehmensstrategie anerkannt.