Wenn wir über Chancen und Risiken neuer Technologien sprechen, ist eine der naheliegendsten Fragen ja immer: Wann ist es (endlich) soweit? Wann kommt das autonome Fahrzeug, der Quantencomputer, die „Human Level Machine Intelligence“?
Antworten darauf gibt es aus ganz unterschiedlicher Richtung: Futuristen, Techno-Evangelisten, aber auch SciFi-Autoren und Filmemacher. Zu den bekanntesten Techno-Evangelisten zählt zweifelsohne Raymond Kurzweil, der etwa 2005 das Buch „The Singularity Is Near“ veröffentlichte und der mit seiner Prognose zum Zeitpunkt für den Durchbruch beim Autonomen Fahren doch immer wieder falsch lag. Stellvertretend für die Futuristen würde ich gerne Amy Webb und ihr Future Today Institute (FTI) nennen: In Ihren Tech Trend Reports (vgl. etwa Der „Tech Trend Report 2022“ des Future Today Instituts) wirft die quantitative Futuristin in der Regel einen Blick auf die kurz- bis mittelfristige Zukunft, die sich aus Forschungs-/Konsum-Trends ableiten. Und natürlich gibt es SciFi-Autoren und Filmemacher, die Zukunftsvisionen entwickeln und damit in der Regel ein deutlich breiteres Publikum adressieren als Futuristen oder Techno-Evangelisten. Hier stelle ich ein paar bekannte Werke und deren Prognose zum Eintritt der erzählten Zukunft vor:
In dem Blockbuster Terminator von 1984 präsentierte der Kult-Regisseur James Cameron das bis heute nachhallende Zukunftsszenario einer außer Kontrolle geratenen KI, das bereits 1997 eintreten sollte (hier übernimmt „Skynet“ die Kontrolle und attackiert die Menschheit mit einem Nuklearschlag). Also: nur 13 Jahre nach Erscheinen des Films. Das ist – nach Maßstäben des Science Fiction – geradezu hautnah und dürfte auch deshalb bei den Kinobesuchern eine so schaurige Wucht besessen haben. Cameron spiegelt mit seinem Film ein damals brandaktuelles Thema wider, die Verlegung des Szenarios in die nahe Zukunft ist kein Zufall: Denn die KI-Forschung erlebte Anfang der 1980er eine (neue) Blüte (bevor Sie ab 1987 in den zweiten KI-Winter verfiel). Und übrigens: Cameron hält an dieser Zeitleiste auch in den Sequels fest, beim Release von Terminator II (im Jahr 1991) sind es also nur noch 6 Jahre, bis „SkyNet“ die Kontrolle übernimmt.
Demgegenüber spielen übrigens manche Filmszenarien, die sich „wie Zukunft anfühlen“ ganz und gar nicht in der Zukunft. Nämlich Star Wars, das mit Einspielergebnissen von über 9 Milliarden US-Dollar zu den erfolgreichsten Film-Epen der Filmgeschichte überhaupt zählt. Wann spielt das? – „vor langer Zeit, in einer weit entfernten Galaxis“. Oder: 25.000 Jahre nach Entdeckung des Hyperantriebs und etwa 5.000 Jahre nach dem Großen Hyperraumkrieg.
Schaut man sich weitere Science-Fiction Klassiker an, dann gibt es eine hohe Streuung zwischen Erscheinungsdatum und Zeitpunkt für das Zukunftsszenario. Der Kultfilm Matrix erschien im Jahr 1999, der Film selbst spielt um das Jahr 2199 (die Buchvorlage Neuromancer, ein vielfach ausgezeichneter SciFi-Roman erschien 1984, macht zum Zeitpunkt der beschriebenen Zukunft demgegenüber gar keine Angaben). Der Film Odyssee 2001 von Stanley Kubrick erscheint in 1968 – übrigens inmitten der hochdynamischen Phase des Monshot-Projektes von J.F.Kennedy, das schließlich in der Mondlandung im Juli 1969 mündete.
Der Kultfilm Blade Runner (von Ridley Scott) erschien 1982 und spielte in 2019. Das SciFi-Buch Ready Player One (später verfilmt von Steven Spielberg) erscheint 2011 und spielt (34 Jahre später) in 2045. Und noch ein Beispiel: I robot (mit Will Smith) geht 2004 in die Kinos, das Zukunftsszenario spielt im Jahr 2035.
Und schlussendlich noch ein Votum der Wissenschaft und Experten zur Frage, wann denn nun die Zukunft mit „Human Level Machine Intelligence“ (HLMI) eintreten würde. Dazu hat der Philosoph Nick Bostrom (Universität Oxford) für sein Buch „Superintelligenz“ (Erscheinung im Jahr 2015) zahlreiche KI-Experten befragt. Das Ergebnis: „Die Expertenmeinungen zur Zukunft der KI gehen weit auseinander. Es besteht überhaupt keine Einigkeit darüber, wohin sich die KI-Forschung entwickelt oder wie lange solche Entwicklungen dauern werden. (…) 10% Wahrscheinlichkeit für HLMI bis 2022, 50% Wahrscheinlichkeit bis 2040 und 90% Wahrscheinlichkeit bis 2075.“ (S. 37).