Ist Dein Unternehmen schon digitale Zukunft oder seid Ihr noch Retro? – Diese Frage versuchen Digitalisierungschecks (bzw. Reifegradanalysen) zu beantworten, die vielfach kostenfrei sind und selbst ausgefüllt werden können. Die Frage hat es in sich, denn von Branche zu Branche kann der Benchmark für Digitalisierung sehr unterschiedlich ausfallen: Während etwa die Bauindustrie einen vergleichsweise niedrigen Digitalisierungsgrad aufweist, nimmt die Chipindustrie eine Vorreiterrolle ein und in der Automobilbranche gilt das Auto seit Kurzem als „Smartphone auf Rädern“.
Klar ist aber auch: Eine Bestandsaufnahme des „digitalen Reifegrads“ ist ein wichtiger Startpunkt für die Frage, wie sich ein Unternehmen in der Digitalen Ökonomie positionieren will und wie die nächsten Schritte aussehen sollen. Kurz: Ein Digitalisierungscheck ist für jedes der rund 3,1 Mio. Unternehmen in Deutschland wichtig – ungeachtet der Unternehmensgröße (2,5 Mio. KMU vs 18 000 Großunternehmen). Im besten Fall macht man hierfür einen Workshop mit einem Digitalisierungsexperten – je nach Unternehmensgröße sollte man dafür einen bis zehn Tage einplanen.
Und was ist mit den Digitalisierungschecks im Internet, die meist auf Fragebögen und ähnlichen Selbsteinschätzungen basieren? Schauen wir davon mal ein paar Angebote an.
Smart Company Check der DUB Akademie
Das DUB UNTERNEHMER-Magazin ist mit einer Auflage von mehr als 270.000 Exemplaren einer der auflagenstärksten Wirtschaftstitel. Der „Smart Company Check“ wird selbstbewusst vermarktet, nach eigenen Angaben wurde er “gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft KPMG, der Universität Paderborn und der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (…) entwickelt. Der Schnellcheck liefert eine wissenschaftlich fundierte Analyse zum digitalen Ist-Zustand des Unternehmens.“
Der Check basiert auf 15 Fragen, zu denen man auf einer Skala von 0 bis 10 eine Selbsteinschätzung oder Zustimmung abgibt. Die Fragen sind generisch und unspezifisch. Beispiele: „Planung: Mein Unternehmen verfolgt eine konkrete Strategie, um sich erfolgreich digital aufzustellen.“ oder “Wandel: Digitalisierung ist keine Modeerscheinung. Mein Unternehmen wird nur mit einer Digitalisierungsstrategie erfolgreich bleiben.“. Bei jeder Antwort wird erkennbar, wie die Antwort im Vergleich zum Durchschnitt (aller Branchen) ausfällt. Erst zum Ende des Checks werden Branche, Mitarbeiterzahl und Sitz des Unternehmens (Bundesland) erfasst; man erhält anschließend eine Auswertung, die diese zusätzlichen Angaben berücksichtigt. Zum Digitalisierungscheck der DUB-Akademie geht’s HIER.
Mein Fazit: Ein solcher Digitalisierungscheck fällt – provokativ formuliert – eher in die Kategorie „Zeitvertreib an der Bushaltestelle“. Im besten Falle hat ein solcher Test die Wirkung eines Appetizers, der das Interesse an einer systematischeren Erfassung weckt.
Ingenium
Der Digitalisierungs-Check der Beratung Ingenium fällt im Grunde auch in die gleiche Kategorie „schnell und nutzlos“ (bzw. mit etwas Optimismus: „Appetizer“ für mehr). Auch hier etwa 15 Fragen, teilweise bezogen auf (aus meiner Sicht) willkürlich ausgewählte Detailaspekte bei Unternehmensprozessen. Eine Auswahl: “Der mobile Zugriff auf die ERP-Kernsysteme hat eine hohe Relevanz für mich.“, “Für die Digitalen Geschäftsmodelle in meinem Unternehmen ist die eigene Innovation entscheidender als externe Produkt-/Dienstleistungsideen.“ oder “Der Anteil an Web-Sessions im Vergleich zu Face-to-Face Meetings sollte stetig erweitert werden.“ Zum Digitialisierungscheck von Ingenium geht’s: HIER.
Mein Fazit: Dieser Bericht kann bestenfalls eine Sentiment-Analyse vornehmen und eine Tendenzaussage zur Unternehmenskultur im Hinblick auf Digitale Tools vornehmen. Ich habe zudem Zweifel, dass Antworten auf undifferenzierte Fragen wie jene zu Web-Session vs Face-to-Face Meetings eine sinnvolle Schlussfolgerung zulassen. Innovationsexperten (wie etwa Henning Beck) würden ein „je mehr, desto besser“ ablehnen; denn wie so häufig im Leben kommt es auf die richtige Dosierung an.
Sparkasse Berlin
Da ich gegenwärtig in Berlin lebe, habe ich mir aus einem lokalpatriotischen Impuls heraus das Angebot der Sparkasse Berlin angesehen. Grundsätzlich gibt die Seite Digitale Transformation auf der Webpräsenz der Sparkassen einen kompakten Überblick zum Stand der Dinge: Die Zusammenfassung der Ergebnisse aus einer DIHK-Umfrage sowie der Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom gibt ein vollständiges Bild zur Digitalen Transformation im Deutschen Mittelstand, und zwar differenziert nach Branchen. Und man erfährt hier auch etwa zu Fördermöglichkeiten für Digitalisierungsprojekte. So weit, so gut.
Wer nun den Digitalisierungscheck startet, muss zunächst einmal ein paar Angaben zu Unternehmensgröße (Mitarbeiterzahl) und Branche machen. Das ist der richtige Einstieg, das erlaubt, die Fragen branchenspezifisch auszurichten. Die Sparkasse Berlin bietet dafür ein DropDown mit nur wenigen Branchen (Gastro, Handwerk, Handel, Dienstleistung), der Auswahlpunkt „Sonstiges“ deutet an, dass der Digitalisierungscheck hierfür vermutlich nicht optimiert ist. Das finde ich gut: Hier weiß man, woran man ist, die Sparkasse hat offenbar eine klare Zielgruppe vor Augen oder aber entwickelt den Digitalisierungscheck „agil“, das heißt: Schritt für Schritt wird ein spezifischer Fragenkatalog je Branche ergänzt. Ich entscheide mich für einen Handwerks-Betrieb (10-20 Mitarbeiter, Schreinerei).
Im nächsten Schritte kann ich auswählen, für welche Bereiche bzw. Unternehmensprozesse ich die Analyse vornehmen möchte. Davon wähle ich einige aus:
Abbildung: Digitalisierungscheck Sparkasse Berlin: Auswahl Unternehmensbereiche
Auf den nun folgenden Seiten erhalte ich nun je ausgewähltem Unternehmensprozess einige Fragen, die abklopfen, wie die Prozesse ausschauen und in welchem Grad bereits digitale Tools genutzt werden. Man kann erkennen, dass die Fragen branchenspezifisch ausfallen:
Abbildung: Digitalisierungscheck Sparkasse Berlin: Business Prozess Angebotserstellung
Da hier mehr Details abgefragt werden und mehr Zeit erforderlich ist, besteht natürlich das Risiko eines Abbruchs des Prozesses. Es ist darum gut, dem Nutzer eine Fortschrittsmeldung zu geben und erkennbar zu machen, wann der Nutzer die Ziellinie erreicht. Die Fortschrittsmeldung findet sich links oben. Auch das sehr gut.
Abbildung: Digitalisierungscheck Sparkasse Berlin: Business Prozess Auftragsplanung
Am Ende dieses Digitalisierungschecks liefern die bereitgestellten Informationen ein Bild, das nach Unternehmensbereichen/-prozessen strukturiert ist und den gegenwärtigen Stand bei der Nutzung digitaler Tools beschreibt. Daraus kann man noch keine Digitalisierungsstrategie ableiten, aber es werden die Bereiche sichtbar, wo es lohnt, eine Digital Roadmap zu entwerfen. Als Digitalisierungsberater könnte ich einen vertiefenden Workshop vorbereiten.
Zum Digitialisierungscheck der Berliner Sparkasse geht’s: HIERWas ich von einem guten Digitalisierungscheck erwarte
Vor einige Zeit hatte ich in einem Blog skizziert, wie ein Unternehmen eine Digital Roadmap entwickelt: Für Macher: So generieren Sie die DIGITAL ROADMAP fürs Unternehmen. Ganz grundsätzlich differenziere ich darin – etwas vereinfachend – zwischen Digitalen Unternehmensprozessen einerseits und einem Digitalen Geschäftsmodell andererseits. Man kann die Dinge immer noch differenzierter betrachten, aber das sind für mich die zwei Kernfragen, die in einem Digitalisierungscheck beantwortet werden müssen.
Das heißt also zum einen: Welcher Anteil an Unternehmensprozessen wird durch digitale Tools bereits gestützt, automatisiert? Der Digitalisierungscheck der Sparkasse Berlin ist eben darauf ausgerichtet: Hier wird abgeklopft, inwieweit zur Angebotserstellung oder Auftragsbearbeitung smarte, digitale Tools eingesetzt werden. Ich verstehe Unternehmensprozesse im weiteren Sinne, also einschließlich der Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten: Werden Kunden auch auf digitalen Kanälen erreicht, übermittelt ein automatisches Bestellsystem Orders an vorgelagerte Lieferanten?
Zum anderen geht es um digitale Geschäftsmodelle. Die Leitfrage hierzu: Welcher Anteil an Umsatz wird bereits mit einem Angebot an Digitalen (Zusatz-)leistungen erzielt? Das Beispiel aus meinem vorgenannten Blog: “Wenn ein Analyselabor allerdings nicht mehr nur Blutanalysen erstellt, sondern dank der Auswertung von Zusammenhängen zwischen biographischen Daten (Alter, Geschlecht, Lebensstil, etc.) und Blutbildern wertvolle medizinische Erkenntnisse gewinnt und dieser vermarktet, dann handelt es sich um ein neues Geschäftsmodell, ein digitales Geschäftsmodell.“
Diese beiden Fragestellungen betrachten natürlich das Ergebnis eines Prozesses, der zahlreiche vorgelagerte Schritte und Entscheidungen voraussetzt. Eine solche Betrachtung ist also unvollständig. Darum sollte man sich der Vollständigkeit halber auch auch die Voraussetzungen und Grundlagen für (a) Digitale Unternehmensprozesse und (b) Umsatz mit Digitalen Geschäftsmodellen anschauen. Nämlich: Gibt es eine Digitalisierungstrategie? Gibt es eine Datenstrategie, und welche? Ist die Unternehmensorganisation auf ein „Digitales Unternehmen“ ausgerichtet, und natürlich: Wie steht es um die IT Infrastruktur?
Digitalisierungschecks von mittelstand-digital.de
Die Initiative „Mittelstand-Digital“ des Bundeswirtschaftsministeriums liefert einen guten Überblick zu hilfreichen Digitalisierungschecks. Wer eine solche Reifegradanalyse machen möchte, der findet hier einen brauchbaren Test: Überblick zu Digitalisierungschecks
Entscheidet man sich etwa für den Digitalisierungscheck des Kompetenzzentrums Berlin (Download: HIER), dann wird man durch einen differenzierten Fragebogen geführt, der die Reifegradanalyse entlang folgender Dimensionen vornimmt: Strategie, Kunden, Produkte, Prozesse, Organisation, IT Infrastruktur / Technologie und Umwelt. Da das Ausfüllen des Tests Zeit in Anspruch nimmt: Auch hier gibt es einen Fortschrittsbalken, so dass der Nutzer erkennen kann, wann er die Ziellinie erreicht.
Nachfolgende einige beispielhafte Screenshots, so dass die Stoßrichtung der Fragen deutlich wird.
Abbildung: Check Digitaler Reifegrad Mittelstand-Digital.de: Digitale Strategie
Und hier einige Fragen aus der Betrachtungsdimension „Produktinnovation“.
Abbildung: Check Digitaler Reifegrad Mittelstand-Digital.de: Produktinnovation
Viel Spaß beim Ausfüllen!