Nichts ist spannender als die Frage nach der Zukunft: Wie können und wollen wir zukünftig leben? Welche Gestaltungsmöglichkeiten bietet der technologische Fortschritt? Welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen? – Nicht zuletzt hängt der Zusammenhalt einer Gesellschaft davon ab, ob deren Mitglieder sich auf ein gemeinsames Zukunftsprojekt einigen können (bewusst oder unbewusst).

In einer Artikelserie möchte ich einige Zukunftsentwürfe und visionäre Ideen vorstellen. Das reicht von Tech-Visionen bis zu gesellschaftspolitischen Ideen.

  • Hier geht’s zu Teil 1: Zukunftsentwürfe für das 21te Jahrhundert
  • Hier geht’s zu Teil 2: Zukunftsentwürfe für das 21te Jahrhundert
  • Smart City: Ein Zukunftsentwurf für unsere Städte

    Die Smart City ist keine ferne Utopie, sondern findet sich bereits heute in Ansätzen umgesetzt: Smarte Ampelanlagen in Rotterdam sorgen bei Regenwetter für eine „Grüne Welle“ auf den Fahrradwegen. In Santander (Spanien) werden Abfallcontainer nur geleert, wenn Sensoren entsprechende Signale zum Füllstand senden. In Palo Alto (USA) sind öffentliche Parkplätze mit Sensoren ausgestattet, um Suchverkehr nach Parkplätzen zu minimieren. In vielen Städten gibt es Leitzentralen für Verkehrssteuerung oder Hochwasserschutz, auch Sportereignisse werden mit Technologie überwacht.

    Die Leitideen für die Smart City sind vielfältig: Die politische Teilhabe der Bevölkerung auszuweiten, öffentliche Dienstleistungen an verschiedene individuelle Bedürfnisse anzupassen, die nationalen und lokalen Verwaltungen zu entbürokratisieren sowie ein angenehmeres und weniger diskriminierendes urbanes Umfeld zu schaffen. Den Verkehrsfluss zu optimieren. Und nicht zu vergessen: Gerade die Notwendigkeit zur Minimierung von Emissionen und Energiekosten war ein maßgebliches Motiv für Städte, anzufangen, mit smarten Technologien zu experimentieren. Das «Internet der Dinge» ist eine zentrale Komponente vieler Smart-City-Technologien. Es geht auch um Big Data, vielfach um Open Data.

    Ein ausgewogener Video-Beitrag der Deutschen Welle (12 min, Englisch) schafft einen Überblick zur Vision der Smart City, dem Status Quo bei der Umsetzung, aber auch der Kritik daran.

    Zentrale Ziele der Smart City sind – wie bereits erwähnt – die Senkung der Emissionen und des Energieverbrauchs. Kurz: die Grüne Stadt oder nachhaltige Stadt. Auch hier spielt Technologie eine Rolle (Car Sharing, Erneuerbare Energien, etc.), aber nicht zwingend die Hauptrolle. Die Heinrich Böll Stiftung hat die Idee der Nachhaltigen Stadt schon vor Jahren in einem kurzen Comic-Video (4 min, Deutsch) beschrieben. Titel: „Ecopolis – Stadt der Zukunft“.

    Die Umsetzung des Smart City Konzeptes in der spanischen Stadt Barcelona hat weltweit für Medienaufmerksamkeit gesorgt. Die Betonung liegt bei dieser Umsetzung explizit auf der Kombination aus Digitaltechnologie, konsequenter partizipativer Demokratie sowie Datensouveränität. Alles begann mit der Wahl der linksradikalen Ada Colau ins Bürgermeisteramt der katalanischen Hauptstadt. Für die praktische Umsetzung der Smart City gewann sie Francesca Bria, eine italienische Informatikerin und Beraterin für digitale Strategie, Technologie und Informationspolitik. Die Wochenzeitung DIE ZEIT zählte jüngst Francesca Bria zu den führenden Köpfen einer neuen Bewegung für eine Netzgesellschaft, die dezidiert als ein Gegenmodell zum Oligopol der Big Tech Player entwickelt wird.

    Der Ansatz von Francesca Bria für die Smart City von Barcelona versteht sich prinzipiell nicht als technologiegetrieben. Im Gegenteil, Bria kritisiert, dass die Smart City vielfach ausgehend von Technologieangeboten der Big Tech Player entwickelt werde – und damit primär an den Gewinnabsichten der Tech Konzern ausgerichtet sei. Unter dem Motto „Put people first“ setzte Barcelona darum von Anfang an auf einen partizipativ-demokratischen Ansatz: Die Smart City wurde ausgehend von den Wünschen und Bedarfen der Stadtbewohner entwickelt. Knapp 40.000 Einwohner wurden in dem Prozess beteiligt, ca. 11.000 Vorschläge wurden berücksichtigt, es gab über 500 Meetings.

    In nachfolgendem Video (50 min, Englisch) stellt Francesca Bria in einer Universitätsvorlesung den Ansatz, die Methodik und die Ergebnisse dieser Smart City Initiative vor. In den ersten 22 Minuten schafft die Visionärin Bria zunächst einen Überblick über wichtige Entwicklungstrends der Digitalen Revolution, verbunden mit einer Kritik am Oligopol weniger US-amerikanischer Big Tech Player. Schließlich stellt Bria die Erfolge der Barcelona-Initiative vor: Eine agile Kommunalverwaltung, ethisches Datenmanagement, Öffentliche Daten, Transparenz über verwendete Algorithmen.

    Francesca Bria hat ihre Überlegungen zu einer bürgerorientierten, partizipativen Smart City in einer Art Manifest zusammengetragen: Die Smarte Stadt neu denken. Hierin wird auch nochmals erkennbar, wieso Francesca Bria zur Führungsfigur einer Netzgesellschaft als Gegenmodell zum Oligopol der Big Tech Player avanciert ist: Das Manifest formuliert explizit Kritik an neoliberalistischen Tendenzen bei der Städteentwicklung und entwickelt ein Smart City Konzept, das auf zivilgesellschaftlichen Institution beruht, nicht auf der Bereitstellung von Technologie durch gewinnorientierte Unternehmen.

    Thomas Piketty: Eine Utopie der Gerechtigkeit

    Der Franzose Thomas Piketty zählt zweifelsohne zu den weltweit bekanntesten Ökonomen und gilt auch als „Lieblingsintellektuelle der Linken“: Er legt in seinen Büchern nicht nur eine (geographisch wie historisch) umfassende Analyse von Ungleichheiten fort (vergleiche den Blogpost Das Buch “Kapital und Ideologie“ – eine Zusammenfassung); sondern er analysiert ebenfalls das Narrativ der Eliten zur Rechtfertigung der Ungleichheiten und legt Ideen vor zur Entwicklung einer Gesellschaft mit weniger Ungleichheit. Piketty zählt damit zu den wichtigsten globalen Impulsgebern für die Entwicklung eines Zukunftsentwurfs für eine gerechte Gesellschaft.

    Piketty hat die weltweite größte Datenbank zur Entwicklung von Einkommen und Vermögen aufgebaut, und zwar in Zusammenarbeit mit Dutzenden Wissenschaftlern für insgesamt 70 Ländern (darunter Frankreich, USA, UK, Deutschland, etc.). In nachfolgendem Videobeitrag (60 min, Deutsch) erläutert Thomas Piketty in einer Sendung des SRF Kultur seine Analysen und seine Vorschläge:

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    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.