Die Automatisierung von allem ist einer der Megatrends und steht ganz oben auf der Roadmap der CIOs (neben Cloudifizierung, Cybersicherheit und einigen anderen). Der Grad der erreichbaren Automatisierung ist hoch: Es wird beispielsweise geschätzt, dass in 5 bis 10 Jahren weit mehr als 80 Prozent der Finanzprozesse durch neue Technologien wie RPA (Robotic Process Automation) automatisiert sein werden.
Im folgenden Interview spreche ich mit dem CEO und Gründer von Mindful Automation, Manzoor Ahmed (Zum LinkedIn Profil) über seine Vision für das RPA Start-Up sowie über Indien’s Start-Up Ökosystem. Mindful Automation ist ein recht junges Start-Up (gestartet im August 2021), hat aber bereits einige Kundenprojekte laufen und erzielt beeindruckende Ergebnisse bei der Automatisierung von Arbeitsabläufen.
Das Start-up hat seinen Hauptsitz in Bangalore, dem „Silicon Valley“ Indiens, wo ich eine ganze Weile gelebt habe. Ich bin also mit der Dynamik dieser Stadt vertraut, in der schätzungsweise 500.000 IT-Fachleute Bangalore zum produktivsten Hotspot für Start-ups machen.
Das Interview habe ich auf Englisch geführt und mithilfe DeepL übersetzt. Die Originalversion des Interviews gibt’s hier: Founder Manzoor Ahmed from RPA Start-Up Mindful Automation on the future of RPA, the South-Asian Market and the Indian Start-Up ecosystem (in Englisch)Sebastian: Hallo Manzoor, danke, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Mit unserer WebCon schrumpft die Entfernung Berlin-Bangalore auf wenige Millisekunden, das ist immer wieder faszinierend. Also, lass‘ uns gleich aufs Thema kommen. Angesichts der Tatsache, dass es bereits eine Reihe von weit verbreiteten RPA-Lösungen gibt, welche geschäftlichen Anforderungen wolltet ihr mit der Mindful Automation-Lösung lösen?
Manzoor: Wir sollten uns – mit Blick auf die Dir genannten Anbieter – immer fragen, warum die Automatisierung eben noch nicht deutlich weiter verbreitet ist. Und warum sehen wir einen Stopp bei der Umsetzung der Automatisierungs-Roadmap bei jenen Unternehmen, die die Automatisierungslösungen dieser bekannten Anbieter nutzen? Ich beziehe mich dabei auf eine Studie von Ernst&Young, die Folgendes feststellt: Trotz der weltweit verbreiteten Einführung von RPA scheitern 30 bis 50 % der ersten RPA-Projekte.
Hierauf gibt Mindful Automation eine Antwort. Wir sind davon überzeugt, dass jedes Unternehmen enorm von der Automatisierung profitieren kann. Und wir glauben, dass unser Angebot sicherstellt, dass Unternehmen langfristig auf diesem Weg bleiben. Das ist nur mit einem schnelleren Implementierungszyklus und einem frühen ROI möglich. Das ist unser Versprechen.
Sebastian: Wie würdest Du also die USPs Eurer Lösung im Vergleich zu den Bots von UIPath oder BluePrism zusammenfassen? Anders ausgedrückt: Was ist Ihr Elevator Pitch für Dein Unternehmen?
Manzoor: Kurz gesagt, wir haben unser Angebot so gestaltet, dass die Fallstricke vermieden werden, an denen ein Großteil der RPA-Projekte scheitert. Und zwar konkret:
Erstens, ein Grund für gescheiterte RPA-Projekte sind wenige robuste Skripte für ebendiese Automatisierung. Mindful Automation vermeidet solche Skripte, es ist eine no-code Anwendung. Zweitens, es gab Probleme mit ineffizienter Programmierung, d. h. mit der Ineffizienz der Entwickler. Aus meiner vorherigen Aussage sollte klar hervorgehen, dass eine No-Code-Anwendung keine solchen Abhängigkeiten von Entwicklern hat. Und drittens: Das Scheitern von RPA-Projekten ist auch auf langfristige technische Schulden zurückzuführen. Unsere Antwort darauf: Wir versprechen einen frühen ROI; und das ist tatsächlich nicht nur ein leeres Versprechen oder ein Marketing-Slogan, sondern das haben wir tatsächlich erreicht in unseren bisherigen Projekten.
Sebastian: Ist Mindful Automation ein Unternehmen, das nur die Tools zur Verfügung stellt, oder unterstützt ihr die Kunden von der Beratung bis zum tatsächlichen Roll-Out der Software?
Manzoor: Wir liefern zunächst einmal das Tool. Die tatsächliche Einführung wird von Partnern durchgeführt. Allerdings wird unseren Partnern ein vollwertiges Team zur Seite stehen, um den Erfolg in jedem Fall zu gewährleisten.
Sebastian: Softwareunternehmen profitieren heute von der Verfügbarkeit einer ganzen Reihe von Open-Source-Bibliotheken, die auch für maschinelles Lernen gelten: Tensorflow, Keras, PyTorch und so weiter. Wie würdest Du den architektonischen Ansatz beschreiben, um eine schnelle Funktionsausgabe, Nachhaltigkeit des Technology Stacks und eine robuste Leistung zu erreichen?
Manzoor: Wir profitieren von einigen der von Dir aufgezählten Bibliotheken, die wir als Grundlage für unsere Architektur verwendet haben. Dabei haben wir jedoch einige Änderungen und Verbesserungen in Bezug auf die Logik vorgenommen. Um die beste Leistung zu erzielen, haben wir zum Beispiel unser eigenes Design entwickelt und einige mathematische Formeln zusammen mit Computer Vision verwendet, etwa um die Genauigkeit zu verbessern. Wenn wir über Bildoptimierung und Genauigkeit sprechen, habe ich einige Konzepte aus dem Photoshop-Tool und dessen Ansatz zur Bildverarbeitung übernommen.
Sebastian: Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Softwaredesigns für Eure No-Code-Anwendung?
Manzoor: Ich möchte zwei Herausforderungen als Beispiel anführen: Erstens: Bereinigung, Drehung und Optimierung von Bildern. Dies muss vor der Anwendung von OCR erfolgen, aber die meisten von uns verwenden verfügbare Bibliotheken, die nicht genau genug sind, um diesen Zweck zu erfüllen. Und hier haben wir viel Zeit in die Entwicklung unserer eigenen Bereinigungstools mit unseren eingebauten mathematischen Techniken investiert.
Zweitens haben wir viel Zeit und Mühe darauf verwendet, den Abgleich von Bildvorlagen bei höheren Geschwindigkeiten zu lösen, bei denen die Roboter etwa 30 Bilder in einem einzigen Schritt abbilden und die Aktionen sofort ausführen müssen.
Sebastian: Wie sieht der Fahrplan für das Start-Up für die nächsten 5 Jahre aus? Und: Ist eine Finanzierungsrunde vorgesehen?
Manzoor: Wir haben sowohl einen langfristigen 6-Jahres-Plan als auch einen mittelfristigen 3-Jahres-Plan aufgestellt. Innerhalb von 3 Jahren wollen wir eine globale Präsenz mit einer bekannten Marke haben. Nach 6 Jahren wollen wir IPO-fähig sein. Wir werden demnächst eine Finanzierungsrunde starten, um unsere 3-Jahres-Ziele zu erreichen.
Sebastian: Habt Ihr einen Sweet Spot bei den Zielkunden?
Manzoor: Für uns ist Einzelhandel ein Sweet Spot. Die P2P-Prozesse sind sehr manuell und es gibt großes Potential für Automatisierung in mehreren Abteilungen des Einzelhandels.
Sebastian: Wenn man den Berichten von Gartner und den Artikeln in CIO-Magazinen Glauben schenkt, steht die Automatisierung ganz oben auf der Agenda der IT-Manager. Mit den Augen eines Vertriebsmitarbeiters betrachtet, stellt sich die Sache jedoch manchmal anders dar. Was ist Deine Meinung zu diesem Punkt? Wie viel Zeit verbringt ihr damit, Geschäftsinhaber von der Notwendigkeit der Automatisierung und der digitalen Transformation zu überzeugen?
Manzoor: Ja, Du hast vollkommen recht, die Manager zögern noch immer, die Automatisierung einzuführen. Deren Sorgen sind in der Regel die folgenden: Erstens, was soll ich mit x% Genauigkeit oder Automatisierung anfangen, wenn niemand eine 100%ige Automatisierung verspricht. Ich muss mich bei der Arbeit immer noch auf Menschen verlassen. – Unsere Antwort: Wir geben eine kalkulierte Einschätzung der Zeit- und Aufwandsreduzierung sowie der Effizienzsteigerung.
Deren nächste Sorge gilt den Kosten: Hier haben wir gewonnen, indem wir auf unseren Ansatz „Kein Code – kein Entwickler“ hingewiesen haben. Ein weiterer Einwand betrifft die Skalierbarkeitskosten. Unsere Antwort darauf ist ein prozessbasiertes Preismodell.
Dennoch gibt es immer noch Kunden, die nach dem Pitch für eine Weile nichts von sich hören lassen; aber nach etwas Recherche kommen die wieder. Manche Kunden rufen auch nur an, um sich über Automatisierung und Vorteile zu informieren. Apropos Zeit: Wir verfolgen ein Influencer-Modell, bei dem die Zeit, die für jeden Abschluss benötigt wird, zwischen 1 und 2 Monaten liegt.
Sebastian: Inwiefern unterscheidet sich der indische Markt vom westeuropäischen Markt? Wenn Ottonormalverbraucher an Indien denkt, könnte er annehmen, dass es dort so viel billige Arbeitskräfte gibt, warum sollte er sich zum Beispiel um Automatisierung kümmern?
Manzoor: Ich stimme dem bis zu einem gewissen Grad zu. Aber das indische Wirtschaftssystem hat sich drastisch verändert. Jedes Unternehmen denkt heute an Skalierbarkeit und glaubt, dass Automatisierung der einzige Weg ist, um mühelos zu skalieren. Ein Beispiel: Sie stellen fest, dass es immer wieder zu Streitigkeiten bei Transaktionen kommt. Früher dachte man, wir kaufen eine Software oder stellen eine Person ein, die das überwacht, aber die Ursache ist immer noch nicht gelöst. Die einzige Antwort auf all diese Fragen ist die Automatisierung.
Sebastian: Kannst Du uns ein Gefühl für das Start-up-Ökosystem in Bangalore vermitteln? In den letzten Jahren hat Indien ein enormes Wachstum von Start-ups und das Entstehen einiger Einhörner erlebt. Mit einer Gesamtzahl von rund 70 Einhörnern liegt Indien nur noch hinter den USA und China, die jeweils mehrere Hundert von ihnen haben. Im Vergleich dazu kommt der Marktforscher CB Insights auf gerade einmal 19 deutsche Einhörner. Wie beurteilst Du die Start-Up-Szene in Indien? Profitiert Mindful Automation davon?
Manzoor: Diese Entwicklung macht uns in Indien wirklich stolz und gibt uns ein Gefühl der Zuversicht für unsere Geschäftstätigkeit. Wir profitieren auf jeden Fall davon. Ich erkläre das an einem Beispiel: Früher haben Unternehmenskunden nur große Unternehmen beauftragt, die schon lange auf dem Markt bekannt sind, aber jetzt glauben sie, dass Start-ups eine innovative Lösung für sie finden können.
Sebastian: Danke, Manzoor. Alles Gute für Dich, Deine Familie und weiterhin viel Erfolg mit Mindful Automation!
Manzoor: Danke, Sebastian, dass du uns die Möglichkeit gegeben hast, unsere Perspektive hier einzubringen. Es war mir ein Vergnügen.