Zu meinen Hobbies gehören ein Digital-Piano, eine Digital Audio Workstation (nämlich: Ableton Live10), dazu bin ich Spotify-Abonnent, habe jüngst mein Yamaha-Tenorsaxophon aus Jugendzeiten per eBay an einen Musiker in Spanien verkauft. Irgendwo lagern noch Reste meiner CD-Musikkollektion.
Da ist schon ziemlich viel Digitalisierung drin, aber ist natürlich nur die Spitze des Eisbergs. Nachfolgend ein Überblick zur Geschichte der Digitalisierung in der Musik, der Rolle von Künstlicher Intelligenz sowie der Demokratisierung von Musikerlebnis und -produktion.
Historische Meilensteine: Digitalisierung in der Musik, Tonträger, Verbreitungsmedien
Schon 1867 wurde in der Schweiz das erste elektromechanisches Klavier gebaut, und zwar vom Direktor einer Telegraphenfabrik. Zur zeitlichen Einordnung: 1887 (also: später!) wurde das Grammophon erfunden, ein wichtiger Meilenstein für die Geschichte der Tonträger.
Der nächste wichtige Meilenstein war zweifellos die Hammond-Orgel (1934): Eine elektronische Orgel. Hier wurden Sinusschwingungen über wellengetriebene Zahnräder erzeugt, welche in Tonabnehmern elektrische Schwingungen induzierten. Der Erfinder Hammond kam übrigens aus der Elektromotorenproduktion. Der Spezialist Michael Falkenstein gibt in nachfolgendem Video einen äußerst unterhaltsamen Überblick zur Geschichte der Hammond-Orgel und der Mächtigkeit des Instruments (YouTube-Video, in Deutsch, ca. 60 Minuten).
Der nächste Sprung in der Geschichte gelangt Robert Moog 1964: Der erste spiel- und konfigurierbare Synthesizer erzeugte einen Klang, der als sensationell galt. Einen visuellen und klanglichen Eindruck kann man in nachfolgendem Video gewinnen, hier wird das Moog System 55 vorgestellt:
Und die Popularität dieser neuen Synthesizer-Klänge lässt sich etwa daran erkennen, dass 1969 in der New Yorker Philharmonie eben dieser Moog Synthesizer auf die Konzertbühne gerollt wird und kein geringerer als Leonard Bernstein eine kurze Einführung gibt. Dann wird eine Fuge von Johann Sebastian Bach aufgeführt (YouTube-Video, 5 min):
Etwa 10 Jahre später wurde der Fairlight Musikcomputer beim „Grand Price Of Ars Electronica“ vorgestellt: Es handelte sich um eine (8-Bit-)Rechenmaschine mit der Fähigkeit zum sogenannten „Sampling“: Damit konnten erstmals beliebige Klänge in einen Computer gespeichert und mittels Tastatur wieder abgerufen werden. Zudem konnte die Tonhöhe verändert werden und die Töne konnten moduliert werden.
In diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde der elektronischen Tanzmusik. Etwa die deutsche Gruppe Kraftwerk gehört zu den Pionieren, die ab 1973 nur noch elektronische Musik komponierten.
Sicherlich auch erwähnenswert: Was wir sicherlich in den nächsten Jahren erleben werden ist eine neue Qualität von Hörerlebnissen. Anbei eine Demo zu Hörerlebnissen in 3D; das charakteristische Klangerlebnis hört man übrigens nicht nur auf teuren Studiokopfhörern, sondern auch mit einfachen Headsets oder Earplugs.
Ein knapper Überblick … aber das schafft ein ausreichendes Verständnis über die Entwicklungsdynamik. Der Vollständigkeit halber hier noch – ebenso knapp – die Geschichte der Tonträger (wesentlich für die Demokratisierung des Musikerlebnisses):
Künstliche Intelligenz (KI) in der Musikproduktion
Wollte man die “Hall of Fame” von Musikern rund um elektronische Musik erstellen, würde es schnell unübersichtlich. Das will ich erst gar nicht versuchen, aber eine Person möchte ich dennoch hervorheben und vorstellen. Nämlich Prof. David Cope, Professor emeritus an der University of California at Santa Cruz; er ist Musiker und Komponist und hat vor allem die Electronic Music Intelligence entwickelt (seit 1984): Es handelt sich dabei um eine Künstliche Intelligenz, die selbst Musik komponiert. Hierzu wird EMI mit Hörbeispielen von Musikern wie Johann Sebastian Bach, Erik Satie, Beethoven, Chopin, Rachmaninov oder Stravinsky trainiert – dann generiert EMI Musikstücke im Stile eben dieser Musiker.
Das Verblüffende: David Cope hatte einmal absolute Bach-Spezialisten zu einem Konzert eingeladen, in dem mehrere Musikstücke von Bach selbst sowie Stücke von EMI im Stile von Bach aufgeführt wurden. Die Zuhörer (und Bach-Spezialisten) wurden gebeten zu entscheiden, ob ein Stück je ein Bach-Original oder eine computergenerierte Komposition war. Die Bach-Kenner konnten keine klare Zuordnung treffen.
Hier ein Choral im Stile von Bach, das von EMI komponiert wurde:
Und für alle Fans barocker Musik à la Vivaldi:
Die Diskussion um die Frage, ob computergenerierte Inhalte als „Kunst“ gelten können, wird bekanntermaßen sehr intensiv geführt. Auch in der Malerei hat KI längst Einzug gehalten (man denke daran, dass im Auktionshaus Christies im Jahr 2018 für sagenhafte 400.000 US-Dollar ein Werk versteigert wurde, das von einem programmierten Algorithmus kreiert wurde. Das Werk: „Portrait of Edmond Bellamy“). Ich finde folgende beide Standpunkte sehr überzeugend, die sich in den Kommentaren zur Musik von EMI finden:
”I know this is an old and belabored point, but a program writing music that is convincingly in the style of the masters is not an insult to any human creation but rather a great accomplishment of the creators of the program as well as the masters that were able to create and ultimately formulate this beautiful style of music.”, und: ”Absolutely unbelievable–an extraordinary feat with fascinating philosophical implications. Beautiful music is beautiful music, whether or not it comes from the cooperation of billions of cells, a ‘soul’, or a computer. A true milestone.”
Mehr zu David Cope und seiner EMI hier: Algorithmic Music: David Cope and EMI
Digitalisierung: Die Demokratisierung von Musikerlebnis und Musikproduktion
Was ich bemerkenswert finde an der Geschichte der Digitalisierung in der Musik: Im Endeffekt hat die Entwicklung zu einer breiten Demokratisierung von Musik-/Hörerlebnissen und von Musikproduktion selbst geführt. Musik ist heute so einfach (und so günstig) verfügbar wie nie in der Geschichte: Mit einem kostenlosen (werbefinanzierten) Spotify-Account kann sich jeder Zugang zu Petabyte von Musik verschaffen. Offline, online, unterwegs oder zuhause.
Auch für das Praktizieren und die Komposition von Musik hat Digitalisierung die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit massiv erhöht. Ich selbst habe Klavier noch auf einem akustischen Piano gelernt (ziemlich teuer), heute sind Digitalpianos mit überzeugender Anschlagdynamik der Tasten ab 1.000 EUR verfügbar (und im Second-Hand-Markt nochmals günstiger). Es gibt Lerntools für Dutzende Musikinstrumente, Gitarre, Klavier und mehr. Auf einer Plattform wie www.musicnotes.com findet man zu allem von Bach bis Metallica Noten, für unterschiedliche Instrumente und Instrumentengruppen. Und: Play Along für Solisten, die mal mit Orchester oder Band-Besetzung spielen wollen, geht heute kinderleicht.
Und diese Demokratisierung gilt über das Musizieren am Instrument deutlich hinaus: Wer heute Musik komponieren oder arrangieren will, der hat eine große Auswahl an völlig kostenfreien DAW (Digital Audio Workstations), etwa Apples GarageBand. Einfach toll!