Ende 2021 hatte ich einen Überblick zur (nach wie vor hohen) Relevanz des Mainframe in der heutigen IT Produktion gegeben: Die Zukunft des Mainframe (Teil I). An dieser Kernbotschaft hat sich nichts geändert – es lässt sich gar sagen, dass die neuen Rahmenbedingungen Anfang 2023 (hohe Energiekosten, Allzeithoch der Cyber Attacken) der robusten, über Jahrzehnte gereiften Architektur des Mainframe einen klaren Wettbewerbsvorteil als Plattform verschaffen: Denn die Stärken des Mainframe bieten eine adäquate Antwort auf diese neuen Rahmenbedingungen.

Was ich in den letzten zwei Jahren beobachten konnte: Mit dem (neuen) Interesse am Mainframe ging die Entstehung einer Vielzahl neuer und guter Podcasts rund um den Mainframe einher:

  • Der Deutsch-sprachige Podcast „Mainframe – What the Heck?“ (HIER geht’s direct zum Podcast) ist Juni 2020 angelaufen.
  • Die Englisch-sprachigen “Z Application Platform Talks” (HIER geht’s direct zum Podcast) starteten rund ein Jahr später, nämlich im August 2021.
  • Und vor wenigen Wochen ist ein weiterer Deutsch-sprachiger Podcast gestartet, nämlich „The Billion Transaction Machine“ (Link: HIER geht’s direct zum Podcast).
  • Die Themenvielfalt ist hoch: Neueinsteiger finden hier eine Einführung ist das Thema Mainframe; Mainframe-Insider erhalten bei Interviews mit Domain-Experten einen exklusiven Blick hinter die Kulissen bei der Entwicklung der nächsten Mainframe-Generation; und Vieles mehr.

    In Episode 15 (27 min) von ”Mainframe – What the Heck?” ist etwa ein illustrer Gast am Mikro, der IBM Fellow Andreas Bieswanger. IBM Fellow, das sind – methaphorisch gesprochen – die 5-Sterne Generäle bei IBM; es handelt sich um ein Programm für aussergewöhnliche Tech-Experten; seit Auflegung des Programms in 1963 gibt’s insgesamt über die die gesamten 50 Jahre seit Programmstart nur rund 300 davon (und das in einem Unternehmen mit rund 300.000 Mitarbeitern).

    Andreas Bieswanger hat die Weiterentwicklung der Plattform begleitet und vorangetrieben; etwa die Ausrichtung der Z Plattform auf Cloud, DevOps, Containerisierung und AI. Und hat unter anderem dafür gesorgt, dass moderne Sprachen wie Go, Swift, Python, Java, Node.js oder OpenStack und OpenShift auf die Plattform gebracht wurden. Sein Fazit: „Mainframe Modernization“ ist ein völlig falscher Begriff. Denn, die Plattform ist modern, aber die Applikations-Infrastruktur, also: die Applikations-Landschaft hat nicht Schritt gehalten mit den Möglichkeiten – hier müsse man ansetzen, etwa über eine sukzessive Überführung in Micro-Service Architekturen.

    Andreas Bieswanger verantwortet heute den Firmware Stack, der die Maschinen zum Laufen bringt (u.a. LPAR Hypervisor, Plattform Management). Allein hierfür werden 20 Millionen Lines of Code (LoC) kontinuierlich weiterentwickelt und getestet. (Zum Vergleich: Die nachfolgende Webseite gibt einen Überblick zur Anzahl der Lines of Code für bekannte Applikationen von Office365 bis zu Google: Infographik: Millions lines of Code).

    Die Prognose zur Zukunft des Mainframe fällt Bieswanger natürlich nicht schwer. Das gibt’s noch die nächsten 50 Jahre. Denn der Mainframe befriedigt in besonderer Weise die Bedürfnisse von Unternehmen der Enterprise-Gewichtsklasse, angefangen bei Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit bis hin zu Sicherheit. Bei der Z Plattform werden seit Jahrzehnten (!) Skalierbarkeit, Ausfallsicherheit und Kryptotechnologie weiterentwickelt – das kann man auf anderen Plattformen nicht so einfach nachbauen.

    HIER geht’s direkt zur Episode 15 von “Mainframe – What the Heck?”

    Während Andreas Bieswanger eher einen breit angelegten Überblick zu Relevanz und Stärkenprofil des Mainframe gibt, gehen andere Interviewpartner ins Detail. Catherin Moxey etwa ist IBM Z Application AI Leader, und sie erläutert, warum die aktuelle Generation des Mainframe (z16) so geeignet ist für KI-Workload. Antwort: Es gibt einen integrierten „KI Akzelerator“, der den Trainingsprozess von Deep Learning Modellen beschleunigt. Dazu stellt IBM spezielle Bibliotheken bereit, die etwa ein KI-Modell im ONNX-Format (Open Neural Network Exchange) so kompilieren, dass die spezielle Prozessor-/Hardware-Architektur für den beschleunigten Trainingsprozess ausgenutzt wird.

    Link zur Episode: HIER geht’s zur Episode mit Catherin Moxey in “Z Application Platform Talks”

    Und noch ein abschließendes Beispiel. Sie kennen sicherlich die Programmiersprache COBOL (COmmon Business-Oriented Language). Die Sprache gibt’s seit 1959 … und sie wird kontinuierlich weiterentwickelt (ebenso die Compiler dazu), um die Vorteile der jeweils neuesten Z Plattform Architekturen auszunutzen. Der weit größte Teil der COBOL-Anwendungen läuft – das ist nun sicherlich keine Überraschung – auf dem Mainframe, auch wenn neue Technologien es heute durchaus erlauben, solche Applikationen etwa in einer Java-Laufzeitumgebung eines Tablet-PCs zu betreiben.

    Tom Ross (aka “Captain COBOL”) gibt Einblicke in die Weiterentwicklung von COBOL … und auch die Vorteile von COBOL gegenüber Sprachen wie Java. Vorteile? – Ja, tatsächlich. Zunächst zur Erinnerung: Der Mainframe wird heute schwerpunktmäßig im Versicherungs- und Bankenumfeld eingesetzt (nebst Retail, Automotive, Telecom und mehr) und: Mainframe-Anwendungen sind nach wie vor das Backbone in einer Vielzahl von E-Commerce-Anwendungen. Es geht hier immer um Geld, um Geldtransaktionen, auch Verzinsung undsoweiter. Und es gilt: COBOL ist eine Programmiersprache, die zu 100% auf eben diese Geldtransaktionen ausgerichtet ist mit seiner “fixed-point decimal arithmetic”. Tom Ross schüttelt geradezu den Kopf, wenn er feststellt, dass etwa Java einen vergleichbaren Datentyp gar nicht hat, sondern diesen nur emuliert – allerdings mit dem Effekt von diversen Problemen und Herausforderungen bei Rundungen („funny rounding results“). Did you know that? – I didn’t … und: Tom Ross ist zudem ein äußerst unterhaltsamer Interviewpartner in dem Podcast; es ist wirklich unglaublich, wie seine Laufbahn als Programmierer begonnen hat …

    HIER geht’s zur Episode mit Tom Ross in “Z Application Platform Talks”

    Reinhören? – Lohnt sich!

    Author

    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.