Ende 2021 hatte ich einen Überblick zur (nach wie vor hohen) Relevanz des Mainframe in der heutigen IT Produktion gegeben: Die Zukunft des Mainframe (Teil I), und einige Zeit später auf einige hörenswerte Podcasts rund um den Mainframe hingewiesen: Die Zukunft des Mainframe (Teil II)

In diesem Beitrag geht’s um eine aktuelle und globale Studie des IT-Infrastrukturdienstleisters Kyndryl; die Studie basiert auf einer Umfrage unter 500 IT-Entscheidern und arbeitet heraus, wie Unternehmen das Thema Mainframe-Modernisierung angehen.

Die Studie kann kostenfrei heruntergeladen werden: HIER DOWNLOAD von Kyndryl’s 2023 State of Mainframe Modernization Survey Report (12 pages)

2023 State of Mainframe Modernization Survey Report – Executive Summary

Ganz grundsätzlich arbeitet die Umfrage drei (durchaus naheliegende) Herangehensweisen bei der IT Strategie heraus:

  • Erstens, die Modernisierung der Mainframe-Umgebung.
  • Zweitens, die Integration mit anderen Plattformen; heißt: die Mainframe-Anwendungen, die zugrunde liegenden Daten auf dem Mainframe und die Infrastruktur werden mit anderen Plattformen verbunden, vor allem mit der Cloud.
  • Drittens, die komplette Stilllegung des Mainframe-Betriebs bzw. die vollständige Migration in eine Cloud-Umgebung. Letztere Option spielt im Übrigen eine nur unwesentliche Rolle, nur 2 (von insgesamt 500 befragen Unternehmen) optieren für diese Variante.
  • Die sehr überwiegende Mehrheit sieht auch in Zukunft für den Mainframe eine Schlüsselrolle für die IT Produktion. Vor allem werden dabei folgende Vorteile besonders geschätzt: Sicherheit (Nennung durch 68% der Befragten), Verlässlichkeit (60%) sowie Performance (55%).

    Die beschriebenen Strategien im Umgang mit dem Mainframe verfolgen verschiedene Ziele. Etwa Kosteneinsparungen: Im Schnitt – so ergibt die Umfrage – erwarten Unternehmen rund 25 Mio. US-Dollar pro Jahr an Einsparungen, die mit der Modernisierungsstrategie im Schnitt erzielt werden können. Dem liegt zumeist eine Verschiebung von IT Workload auf andere Plattformen zugrunde, was bei nahezu allen Unternehmen eine Rolle spielt: im Schnitt geht es um 37% der Workload.

    Weitere Ziele der Modernisierungsansätze umfassen: Datenzugang (51% der befragten Unternehmen), verbesserte Innovationsdynamik (48%), mehr Flexibilität (41%), beschleunigte Time-to-Market.

    Mainframe Modernisierung: Verbreitete Ansätze & Vorteile

    Schauen wir uns kurz die IT-Stratgie #1 an, nämlich die „Mainframe Modernisierung“: Worum geht’s da, welches Verständnis hiervon hat die KYNDRYL-Studie?

    Mit folgender Graphik illustriert die Studie den Fokus von Mainframe-Modernisierungsprojekten und deren Häufigkeit:

    Zum besseren Verständnis sei an den Anfang gesetzt: Anwendungsmodernisierung ist nicht unbedingt eine Frage von Mainframes oder Cloud. Vielmehr geht es um die darauf laufenden Legacy-Anwendungen, die durch monolithische Architekturen, proprietäre Standards und Protokolle sowie ältere Programmiersprachen geprägt sind, für die es immer weniger erfahrene Fachkräfte gibt (z.B. PL/1, COBOL, Natural, Ada, Assembler).

    Translation, ReFactoring oder ReArchitecting (zu diesen Begriffen vergleiche den nächsten Abschnitt) sind in dem Kontext zwar naheliegende, aber auch sehr sehr ressourcenintensive Ansätze zum Umgang mit Legacy-Anwendungen. Die Studie weist auf andere Antworten hin, etwa: Ganz grundsätzlich wird auf Basis einer Bestandsaufnahme von Softwareanwendungen entschieden, welche beibehalten und welche „in den Ruhestand versetzt“ wird (bzw. werden kann). Des weiteren heißt Modernisierung im einfachsten Fall auch, dass Mainframe Programme auf die neueste Version kompiliert werden (das wird von 48% der Unternehmen genannt). Und es geht auch darum, den Mainframe in DevOps- bzw. DevSecOps-Prozesse zu integrieren.

    Zum Nachschlagen: Replacement, Rehosting, Translation, Refactoring, Rebuilding

    Einige Begrifflichkeiten rund um Mainframe Modernisierung, die (Quelle: Der Artikel im IT Finanzmagazin „Ein Nein zum Wandel bestraft der Markt – aber der Mainframe ist nicht das Problem!“ von Armin Warda)

  • Replacement: Die bisherige Anwendung wird außer Betrieb genommen und durch eine Applikation, die von Grund auf neu implementiert, angepasst und eingeführt werden muss, ersetzt. Obwohl dies auf organisatorischer Ebene eine Umstellung ist, handelt es sich nicht um eine Modernisierung im eigentlichen Sinne. Die Anwendung wird vielmehr „abgeschafft“. Allerdings ist in der Regel eine Phase der Koexistenz erforderlich, während der die Daten in die neue Anwendung migriert und Anpassungen sowie Übernahme abgeschlossen werden.
  • Emulation/Rehosting: Die Anwendung wird auf eine kostengünstigere Deployment-Plattform verschoben, ohne dass es große Auswirkungen hat. In der Regel nutzen Unternehmen Emulation/Rehosting als vorübergehende Maßnahme vor der endgültigen Einstellung eines Systems. Auch hier handelt es sich also nicht um eine echte Modernisierung. Genauso wenig wird das Problem der fehlenden Fachkräfte, die sich beispielsweise mit den alten Programmiersprachen auskennen, adressiert.
  • Translation: Der Anwendungscode wird neu geschrieben – entweder automatisch (schnell, aber mit dem Risiko von Ungenauigkeiten und einer möglicherweise zukünftig nicht so gut wartbaren Codebasis) oder manuell (genauer, aber aufwändiger). Diese Option hilft, alte Programmiersprachen zu entfernen, die mit teuren Compilern und Laufzeitumgebungen einhergehen und für die es zunehmend schwieriger wird, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Stattdessen werden die Anwendungen in moderne Sprachen übersetzt, die gängige Compiler und Laufzeitumgebungen verwenden – idealerweise aus dem Open-Source-Umfeld.
  • Refactoring: Ausgewählte Komponenten der Anwendung werden umstrukturiert, damit Container und Microservices genutzt werden können, während andere Elemente unangetastet bleiben.
  • Rearchitecting/Rebuilding: Die komplette Anwendung wird von Grund auf neu designt und neuer Programmcode entwickelt.
  • Author

    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.