Digitale Technologien verändern den Lern- und Unterrichtsprozess, und bei richtigem Einsatz kann Digitalisierung den Lernerfolg und Lernspass deutlich verbessern. Und nicht zuletzt die Corona-Krise hat die Relevanz von digitalen Lernkomponenten nochmals deutlich gemacht.

Über die Entwicklung einer Digitalen Lernplattform für den spezifischen Markt des Sprachunterrichts „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) spreche ich mit Caro Aschemeier (Zum LinkedIn-Profil). Sie ist Co-Gründerin von Deutschfuchs (www.deutschfuchs.de): Der Claim: „Wir haben das erste volldigitale Lehrbuch für Deutsch als Fremdsprache / Deutsch als Zweitsprache entwickelt“.

Die Lernsoftware stellt Tausende von Übungen und Spiele zur Verfügung und dient als Ersatz oder Ergänzung für das klassische Schulbuch. Eine starke Idee angesichts einer wachsenden Bedeutung von Zuwanderung in Deutschland und als Beitrag für gelungene Integration. In nachfolgendem Video stellt die Entrepreneuse die Software in einem Kurzvideo (6.00 min) selbst vor:

Und los geht’s …

Sebastian Zang: Hallo Frau Aschemeier, ihr Unternehmen ist ja ausgesprochen jung, Gründung in 2019. Ihr Schreibtisch – also ihr virtueller Schreibtisch – ist sicherlich ziemlich voll; umso mehr freut es mich, dass Sie sich Zeit genommen haben! Wie schnell ging das denn von der Gründungsidee bis zum ersten Release der Software?
Caro Aschemeier: Sehr gerne, danke für die Einladung zu diesem Interview! Das stimmt, bei uns ist gerade extrem viel zu tun, denn ein schnelles Wachstum erfordert natürlich ein permanentes agiles Arbeiten. Die Idee zu Deutschfuchs hatten mein Mann und ich Mitte 2018: Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits seit über zwei Jahren als selbstständige Deutschlehrerin gearbeitet, insbesondere in Form von Online-Unterricht.

Da mein Mann damals gerade sein IT-Fachgeschäft verkauft hatte und auf der Suche nach neuen Ideen war, dachten wir, wir entwickeln eine Materialsammlung für digitales Unterrichtsmaterial. Das fehlte mir damals bei meiner Arbeit nämlich ständig. Anfang 2019 haben wir den Prototypen veröffentlicht, im Sommer offiziell gegründet und im Herbst sind wir dann so richtig ins Marketing gestartet. Dass letztendlich so ein großes Software-Projekt daraus werden würde, hätten wir anfangs allerdings auch nie gedacht.

Sebastian Zang: Verschaffen wir uns erstmal einen Überblick zum Zielmarkt, nämlich „Deutsch als Fremdsprache“. Kurz: Fremdsprachenunterricht. Wie viele Lehrer und Schüler gibt es hier in Deutschland … und auch weltweit? Und wie viele Nutzer haben Sie heute bereits?
Caro Aschemeier: Unsere Kund:innen sind einerseits Lehrkräfte für Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache, andererseits im Prinzip alle Institutionen weltweit, an denen die deutsche Sprache unterrichtet wird. Weltweit gibt es etwa 15 Millionen Deutschlerner:innen, an über 100.000 Schulen wird Deutsch unterrichtet, denn Deutsch ist natürlich nach wie vor eine gefragte Fremdsprache. Hinzu kommt, dass die Sprachförderung im Inland, also in der DACH-Region, selbstverständlich eine große Rolle spielt, das ist prinzipiell an allen etwa 50.000 Schulen in dieser Region ein Thema. Bisher arbeiten knapp 1000 Lehrer:innen auf allen Kontinenten mit Deutschfuchs, und wir freuen uns natürlich sehr, dass das Thema digitale Bildung endlich Fahrt aufnimmt.

Sebastian Zang: Was ist das Besondere an diesem Markt oder anders formuliert: Wieso konnten bestehende Angebote zum Fremdsprachenunterricht hier nicht genutzt werden? Was ist das Besondere an Deutschfuchs, um diesen Markt zu adressieren?
Caro Aschemeier: Ursprünglich bin ich ja aus dem Bereich des Online-Unterrichts dazu gekommen. Damals gab es einfach kaum gutes Material, das man sinnvoll im virtuellen Klassenraum nutzen konnte – denn eine reine PDF-Version eines Lehrbuches hat meiner Meinung nach wenig mit Digitalität zu tun und bleibt weit hinter den modernen Möglichkeiten zurück.

Durch die Anfragen einiger Lehrer:innen an deutschen Schulen haben wir allerdings schnell festgestellt, dass auch auf dem allgemeinen Schulmarkt dringend neue Lösungen benötigt werden. Deutschfuchs bietet die Möglichkeit, auch stark heterogene Gruppen bestmöglich zu fördern, denn die Software ermöglicht unter anderem die Binnendifferenzierung und kann orts- und zeitunabhängig genutzt werden.

Sebastian Zang: Es gibt ja auch eine Kooperation mit dem Hueber-Verlag, einem führenden Verlag für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Es ist bemerkenswert, dass Deutschfuchs als Start-Up innerhalb von so kurzer Zeit nach Gründung eine solche Kooperation aufsetzen konnte – zumal der Hueber-Verlag sicherlich eine eigene Digitalstrategie verfolgt. Können Sie das kurz einordnen?
Caro Aschemeier: Das ist richtig. Wir haben uns Ende 2019 auf der Frankfurter Buchmesse kennengelernt. Für uns war es die erste Messe, kurz vorher hatten wir den deutschen Vorentscheid für die Global EdTech Startup Awards in Berlin gewonnen. Diese Zeit war für uns extrem aufregend: Wir waren nach wie vor ein Zwei-Mann-Unternehmen und total erstaunt, wie viel Interesse die verschiedenen Bildungsverlage an unserem Startup hatten. Ein paar Monate später stand dann die Kooperation mit dem Hueber Verlag, nachdem wir auch schon Teil des Digitalnetzwerks von Cornelsen geworden waren.

Sicherlich ist diese Kooperation nicht immer einfach, denn natürlich prallen zwei Welten aufeinander: ein etablierter Verlag, den es seit 100 Jahren gibt, und ein junges Startup, das das ganze System aufmischen und neue Standards setzen will. Aber ich würde sagen, wir lernen unglaublich viel voneinander und erreichen gemeinsam Lehrer:innen auf der ganzen Welt.

Sebastian Zang: Deutschfuchs ist eine Lernplattform, es fällt damit ganz klar unter Tech Start-Up. Gleichzeitig gilt, dass bei Ihnen sehr umfangreiches Lernmaterial bereitgestellt wird. Können Sie denn – über den groben Daumen – abschätzen, wieviel Aufwand in die technische Entwicklung einerseits, und in die Aufbereitung und Entwicklung von Lehrmaterialien andererseits geflossen ist?
Caro Aschemeier: Ich würde sagen, das ist sehr ausgeglichen. Wir hatten von Anfang an eine klare Rollenverteilung: Mein Mann hat sich um die Entwicklung der Software und die Finanzen und rechtlichen Aspekte gekümmert, ich war für die Redaktionsarbeit sowie Vertrieb, Marketing und PR verantwortlich. Mittlerweile haben wir in unserem Kölner Büro sechs Angestellte, hinzu kommen zahlreiche Freiberufler:innen, die uns mit Audio-Aufnahmen und Übersetzungen unterstützen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Kommunikation bei so einem großen Projekt alles ist – und ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum mein Mann und ich in so kurzer Zeit so viel geschafft haben.

Sebastian Zang: Wie schaut denn die Roadmap von Deutschfuchs in den nächsten ein bis zwei Jahren aus? Was sind Themen, an denen Deutschfuchs gerade arbeitet? Auf welche Features kann sich die Zielgruppe freuen?
Caro Aschemeier: Wir sind von Anfang an in engem Austausch mit den Lehrer:innen und wissen daher ziemlich genau, was gerade gewollt ist und gebraucht wird. Gleichzeitig unterrichte ich auch weiterhin ein paar Stunden pro Woche selbst und gebe regelmäßig Workshops. Mir ist es sehr wichtig, den Kontakt zur Praxis zu behalten und auch selbst ein Gespür dafür zu haben, was im Unterricht gut funktioniert und was nicht.

Nachdem wir ursprünglich mit Deutsch als Fremdsprache angefangen haben, arbeiten wir momentan an der Fertigstellung der neuen Reihe für Deutsch als Zweitsprache, in der es mittlerweile auch viele animierte Videos gibt. Ein ganz großes Thema ist auch der sprachsensible Fachunterricht und ganz allgemein die individuelle Sprachförderung, häufig sogar auch für Schüler:innen mit Erstsprache Deutsch, die aber dennoch sprachlichen Förderbedarf haben.

Mittlerweile wird Deutschfuchs sogar oft im regulären Deutschunterricht für die Vermittlung der deutschen Grammatik eingesetzt. Sowohl die Software als auch die Inhalte werden natürlich laufend ergänzt und verbessert – unser Ziel für die nächsten Jahre ist es auf jeden Fall, einen neuen Standard für sprachliche Bildung zu setzen.

Sebastian Zang: Was waren denn im Rückblick die technischen Herausforderungen, die beim Aufbau dieser Lernplattform aufgekommen sind?
Caro Aschemeier: Eine große Herausforderung ist der Kenntnistand der Anwender:innen. Da volldigitale Angebote an Schulen bisher kaum verbreitet sind, müssen wir viel Pionierarbeit leisten und die Lehrer:innen an den verschiedensten Stellen abholen. Sie sind in der Regel keine „digital Natives“, sodass die Bedienung und Benutzerführung ganz genau bedacht werden müssen.

Eine weitere Herausforderung ist, dass unsere Zielgruppe im Inland häufig nur Zugang zu einem Smartphone hat. Das macht die Entwicklung und auch die Einbettung der Inhalte deutlich komplizierter, denn natürlich muss alles mobil optimiert werden – es gibt aber nun mal Übungsformate, die auf einem größeren Bildschirm besser funktionieren, und auf der anderen Seite solche, die explizit für die schnelle Wiederholung zwischendurch gedacht sind.

Gleichzeitig ist Deutschfuchs durch immer neue Funktionen mittlerweile ein hochkomplexes System geworden, das sich laufend weiterentwickelt. Wir haben nicht bei allen designtechnischen Entscheidungen aus der Anfangszeit bedacht, wie groß und umfangreich es einmal werden wird.

Sebastian Zang: Wir hat sich durch den Einsatz von Deutschfuchs der Betreuungsaufwand seitens des DaF-Lehrpersonals oder auch der Lernfortschritt der Schüler verbessert?
Caro Aschemeier: Was den Betreuungsaufwand seitens der Lehrer:innen angeht, muss ich sagen, dass es wirklich alles gibt von „Ich analysiere alles ganz genau.“ bis hin zu „Ich teile nur neue Aufgaben zu und stehe für Rückfragen bereit.“ – das behalten wir im Blick und sprechen oft mit Lehrer:innen über ihre Erfahrungen. Durch Musterlösungen und passgenaue Aufgabenformate läuft in Deutschfuchs schon einiges vollautomatisch. Nichtsdestotrotz sammeln wir aktuell Erfahrungswerte und bereiten die Software darauf vor, perspektivisch auch noch mehr automatisiert zu erkennen: Beispielsweise das Sprachniveau oder die individuellen Schwachstellen.

Sebastian Zang: Liebe Frau Aschemeier, vielen Dank für Ihre Zeit und dieses Gespräch! Vor allem aber wünsche ich Deutschfuchs weiterhin viel Erfolg!

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Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.