„ Disrupted: Ludicrous misadventures in the tech start-up bubble“, von Dan Lyons, 2016 (Erstveröffentlichung)
Das Buch ist – zugegebenermaßen – bereits einige Jahre alt; aber ein Vorstand in meinem Unternehmen hat es mir als Lektüre empfohlen … und ich habe mich wirklich köstlich amüsiert. Meist habe ich das Buch auf dem Nachhauseweg in der S-Bahn gelesen, und immer wieder musste ich loslachen. Übrigens, kennen Sie DIESEN Werbeclip – für mich einer der BESTEN WERBECLIPS ever (7 Mio. Aufrufe auf YouTube):
Zurück zum Buch: Der Autor, Dan Lyons arbeitete lange für das Magazin Newsweek, Tech Journalist / Redakteur und ein Meister der Worte bzw. ein Meister der Satire: Er ist auch bekannt für ein fiktives satirisches Tagebuch von Steve Jobs, das über 1,5 Millionen Leser pro Monat hatte: The secret diary of Steve Jobs
Das Buch nimmt den Leser mit in die Investorenszene zu Beginn der 2010er Jahre, die gerade mit den IPOs von Groupon, Zynga (beide 2011) und später Facebook (in 2012) im Rausch war. Bewertungen, Investorengelder schossen durch die Decke. Der Autor, der bereits den Hype zur Jahrtausendwende als Journalist erlebt hatte, beschreibt die Stimmung so: “This time around the problem isn’t just that investors have gone a little bit crazy, but also that money is cheap.“.
Mit einem satirischen Blick beleuchtet Dan Lyons das Unternehmen HubSpot, wo er nach seiner Kündigung bei Newsweek eine Anstellung findet (keine Fiction, er war dort wirklich angestellt): 20 Monate zwischen 2013 und 2014. Leserinnen und Leser tauchen ein in eine Unternehmenswelt und -kultur, die bizarr, durchgeknallt und Kult-orientiert erscheint. Natürlich, das Buch ist Satire und enthält Übertreibungen; natürlich, HubSpot steht nicht stellvertretend für Silicon Valley’s Innovationsmaschinen wie Google oder Tesla. Man muss das Buch also mit einem pinch of salt genießen.
Andererseits, das Buch ist keineswegs nur HalliGalli-Satire; Dan Lyons liefert zu seinem satirischen Blick immer auch einen nüchternen, journalistischen Blick auf Wirtschaft und Gesellschaft; zudem lässt er seine Leserschaft teilhaben an der emotionalen Achterbahn, die er nach der Kündigung bei Newsweek erlebt hat. An einer Stelle schreibt er: ”It’s a tough thing to be a tech journalist during a tech boom. You spend your days talking to people who don’t seem any smarter than you – some don’t seem very bright at all – and yet they are gazillionaires, while you’re an underpaid hack who can barely pay his bills.” Auch zum “Valley Kapitalismus” (heißt: Ausprägung des Kapitalismus durch die Tech Firmen) äußert sich der Autor sehr kritisch, und hier zeigt Lyons einen treffenden analytischen Scharfsinn.
Was mich schon sehr verblüfft hatte: HubSpot verkaufte offenbar während der ersten fünf Jahre ein Produkt, das der Konkurrenz weit hinterher hinkte – eine extreme Ausprägung von Fake it until you make it. Dazu der O-Ton des Autors: What’s more, I’ve been told, for the first five years, HubSpot’s product wasn’t very good. It was so bad, in fact, that according to one former engineer HubSpot’s own marketing department couldn’t depend on it and instead used marketing software made by one of HubSpot’s rivals. “The fucking product was a disaster”, the engineer recalls. “You’d try to do something, like run a query, and the system would just blow to shit. Every day there was an outage.”
Die Unternehmenskultur beschreibt Lyons als „Kult-orientiert“. Die Idee der Unternehmensmission wird hier in extremo ausdefiniert und formuliert: ”We’re not just selling a product here”, Dave tells us. “HubSpot is leading a revolution. A movement. HubSpot is changing the world. This software doesn’t just help companies sell products. This product changes people’s lives. WE are changing people’s lives.”
Fazit: Hoher Spaßfaktor in Verbindung mit unterhaltsamem Tech Journalismus
P.S.: Ganz offenbar hat das Buch das Management durchaus in Verlegenheit gebracht. Hierzu gab es auch eine offizielle Stellungnahme (zum Weiterlesen: hier); im Gefolge eines Mini-Skandals rund um die Buchveröffentlichung musste übrigens der damalige CMO Mike Volpe das Unternehmen verlassen, ebenso Vizepräsident Joe Chernov; und für der Co-Gründer Brian Halligan kam es zu einer empfindlichen Kürzung seiner Vergütung.