Auf ins Digital Zeitalter! Wenn nun ein Unternehmen (oder: Unternehmer) die Digitale Transformation in Angriff nehmen möchte, dann stellt sich die Frage, wie man das überhaupt sinnvoll angeht: Was sind die wichtigsten Themen, die zuerst angepackt werden müssen? Was sind die QuickWins, die „low-hanging fruits“? Wie identifiziere ich die Projekte, die am meisten Sinn machen – für eine langfristige starke Positionierung gegenüber Wettbewerbern oder für mittelfristige Profitabilität? Kurz: Wie kriege ich meine Digital Roadmap fürs Unternehmen?
Nachfolgend sind die wichtigsten Maßnahmen beschrieben, wobei diese nicht in der vorgegebenen Reihenfolge abzuarbeiten sind. Diese Themen sollten parallel angestoßen werden, der Digitalisierungspfad eines Unternehmens ist ohnehin ein Prozess, der – im Gegensatz zur Einführung einer Software – nicht irgendwann abgeschlossen ist, sondern kontinuierlich weiterläuft; und mit der Ideengenerierung kann man ohnehin nicht früh genug starten.
Bücher, Messen, Crashkurse: Digitalisierungsbeispiele, Basistechnologien, Inspiration
Jeder hat ein Smartphone, bestellt bei Amazon und whatsappt in alle Himmelsrichtungen. Vielleicht hat auch der ein oder die andere schon ein „Smart Home“. Mag sein, aber wer ein Unternehmen in die Digitale Transformation schickt, muss noch einen Schritt weitergehen und die Treiber, Erfolgsfaktoren und Kerntechnologien von Digitalisierung wirklich verstehen (ohne dabei zum Technik-Guru zu werden).
Es gibt einige sehr gute Bücher, die globale Techniktrends beschreiben und auch anschauliche Beispiele, wie Unternehmen erfolgreich eine digitale Transformation durchlaufen haben. Für die Lektüre kann ich etwa empfehlen: „Digitale Gewinner“ oder „Titelverteidiger. Wie die deutsche Industrie ihre Spitzenposition auch im digitalen Zeitalter sichert“.
Zu Künstlicher Intelligenz gibt es nicht nur gute Bücher, sondern auch eine ganze Reihe gut aufbereiteter Onlinekurse – von wenigen Stunden bis hin zu mehreren Tag, für den Manager bis hin zum Entwickler. Ich selbst habe einen udemy-Kurs zu Künstlicher Intelligenz („Maschinenlernen für Product Owner, IT Projektmanager“) gemacht mit einem praktischen Teil, in dem Methoden des Maschinenlernens direkt in Python umgesetzt wurden. Ich das nur empfehlen: Es schafft ein solides Verständnis nicht nur von den Möglichkeiten und Grenzen einer Technologie, sondern auch vom Aufwand zur Umsetzung. Wichtige weitere Basistechnologien der Digitalisierung sind natürlich Internet of Things (IoT), der neue Mobilfunkstandard 5G oder die Blockchain. Wer sich mit Chancen der Digitalisierung für Marketing und Vertrieb beschäftigt, der wird auf Bücher stoßen wie „Marketing Automation: Automatisierte Leadgenerierung und Neukundengewinnung als Schlüssel zur unternehmerischen Freiheit“ .
Und wer nicht nur Input will, sondern auch den Austausch sucht, der hat inzwischen eine große Auswahl an Messen und Veranstaltungen, die sich dem Thema Digitalisierung widmen. Darunter etwa die hub.berlin oder auch die Digital X. Ich verweise im Übrigen auch auf einschlägige weiterführende Artikel auf diesem Blog, etwa KI Projekte bei KMU – Lessons Learned.
Bestandsaufnahme in allen Unternehmensbereichen
Wo steht das Unternehmen eigentlich? Wo gibt es dringenden Handlungsbedarf? Einer der ersten Schritte ist logischerweise die Ermittlung des Status Quo. Was ist der „Digitale Reifegrad“ des Unternehmens? Für eine erste Einschätzung gibt es von verschiedenen Anbietern Fragebögen, das kann durchaus ein interessanter Einstieg in die Thematik sein. Solche Hilfsmittel finden sich etwa auf nachfolgender Plattform von www.mittelstand-digital.de.
Im nächsten Schritt gilt es, – nun bereits deutlich spezifischer – in jedem Unternehmensbereich zu ermitteln, wie digital die Arbeitsprozesse und Arbeitsmethoden bereits sind. Das gilt ausnahmslos für alle Bereiche, vom Marketing über die Produktion bis hin zum Facility Management. Für die erste Bestandsaufnahme ist hier keineswegs sofort ein Digitalexperte erforderlich, gesunder Menschenverstand ist vielfach ausreichend. Es geht ja nicht primär um die Frage, ob bereits Künstliche Intelligenz und die Blockchain eingesetzt wird, sondern zunächst einmal darum, ob Prozesse digital oder analog verlaufen, wie viele Daten generiert werden, wie einfach sich die Daten abrufen lassen und Ähnliches. Stellen Sie dazu Fragen! Im Bereich Produktion etwa: Wie erhält der Produktionschef täglich die Zahlen zu Produktion, Ausschuss, Ausfallzeiten – werden Maschinendaten automatisch in einen Produktionsleitstand übermittelt? Wie werden Produktionspläne erstellt? Im Bereich Personal: Gibt es Personalakten nur in Papierform oder bereits in digitaler Form, und zwar auf Basis von OCR-Scans, so dass die Unterlagen durchsuchbar sind?
Wo fangen Sie mit dieser Bestandsaufnahme an? Vieles spricht dafür, die Bestandsaufnahme entlang der „Customer Journey“ zu machen: Wie erfährt der (potentielle) Kunde von einem Produkt/Service (Plakataußenwerbung, Cold Call, Ad Words Werbung, Chat Kampagne)? Welche Informationsquellen kann der Kunde nutzen (Webseite, FAQ, Chatbots, etc.)? Welche Möglichkeiten für eine Anfrage stehen dem Kunden zur Verfügung (Email, Telefon, Online-Anfrageformular, etc.)? Mit welchem Automatisierungsgrad werden Anfragen / Bestellungen bearbeitet? Undsoweiter.
In einem Unternehmen mit fortgeschrittenem Digitalisierungsgrad wird man auch die Frage stellen, welcher Anteil der Umsatzerlöse bereits aus „Digitalen Geschäftsmodellen“ generiert wird. Was das ist, wird etwas ausführlicher im Artikel „Groß, Größer, Digitalwirtschaft – Plädoyer für Kooperationen in Europa“ beschrieben, etwa Geschäftsmodelle rund um Nutzen statt Kaufen (Airbnb, Carsharing, Spotify), rund um das Netzwerk-Prinzip (Facebook, Twitter, XING, LinkedIn) oder basierend auf dem Prinzip der Marktplätze (eBay, Partnerbörsen).
Ideensammlung und Definition von Prioritäten
Wenn Sie die Bestandsaufnahme zum „Digitalen Reifegrad“ durchgeführt haben, dürften bereits eine Reihe von Ideen entstanden sein; und einige Ideen sind sicherlich nicht neu, sondern wurden schon vorher einmal formuliert: Eine neue Webseite, die SEO-Kampagne, ein Dokumentenmanagementsystem, eine digitale Patientenakte oder auch die Digitalisierung von diversen Aktenbeständen oder auch die Vernetzung aller Produktionsmaschinen. Das ist schon mal ein Anfang.
Wer über eine Digital Roadmap spricht, der spricht über zwei Arten von Digitalisierungsprojekten. Bei der ersten Art von Digitalisierungsmaßnahmen handelt es sich um die Digitalisierung von (bestehenden) Arbeitsprozessen oder Informationen: Eine Webseite wird überarbeitet (oder neu erstellt), Kunden erhalten in einem Kundenportal Informationen zum Bearbeitungsstand eines Auftrags, Maschinendaten werden automatisch eingesammelt und ausgewertet (und damit Wartungszyklen oder Produktionsplanung optimiert). Hierbei verändert sich das Geschäftsmodell in der Regel nicht. Wenn Kunden zukünftig per Chat Marketing zum Kauf bewegt werden oder Bestellungen per Online-Formular eingehen (statt Fax), dann ändert das nichts am Produkt eines Unternehmens.
Wenn ein Analyselabor allerdings nicht mehr nur Blutanalysen erstellt, sondern dank der Auswertung von Zusammenhängen zwischen biographischen Daten (Alter, Geschlecht, Lebensstil, etc.) und Blutbildern wertvolle medizinische Erkenntnisse gewinnt und dieser vermarktet, dann handelt es sich um ein neues Geschäftsmodell, ein digitales Geschäftsmodell. Gleiches gilt, wenn ein Unternehmen nicht mehr nur Maschinen zur Holzbearbeitung verkauft, sondern – dank der Auswertung millionenfacher Produktionsläufe bei Tausenden von Kunden (IoT) – auch die Fähigkeit, den Holzbearbeitungsprozess in Abhängigkeit von Holzart, Trocknungsgrad, Luftfeuchtigkeit und weiteren Parametern zu optimieren. Wenn es Carl Zeiss gelingt, mit www.apeer.com einen Marktplatz für Bildverarbeitung aufzubauen, auch dann handelt es sich natürlich um ein neues digitales Geschäftsmodell.
Es dürfte klar sein, dass Ideen für Digitalisierungsprojekte des ersten Typs einfacher zu generieren sind, als jene vom Typ „Neues Geschäftsmodell“. Im ersteren Fall reicht es aus, einige grundsätzliche Prinzipien auf Arbeitsprozess anzuwenden: Automatisieren, Digitalisieren, Vernetzen, Digitale Kommunikationswege nutzen und Ähnliches. Vergleiche zur systematischen Generierung von Ideen des ersteren Typs auch den Artikel: „Wie identifiziere ich Potential für KI-Projekte in meinem Unternehmen?“ bzw. den PODCAST Entwicklung eines Digitalen Geschäftsmodells – ein Methodenbaukasten zum Einstieg. Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist hingegen das Ergebnis eines weit innovativeren Prozesses.
Nun mag es (vergleichsweise) einfach sein, erste Ideen für Digitalisierungsprojekte zu generieren. Hieraus eine Digitale Roadmap abzuleiten ist es allerdings noch lange nicht. Denn wenn man einmal eine Reihe von Ideen gesammelt hat, dann geht die Arbeit erst richtig los: Es gilt, die Machbarkeit abzuschätzen, den Umsetzungsaufwand (sowohl zeitlich also auch monetär), den Return-on-Invest bzw. den Mehrwert einer Idee, auch die strategische Relevanz für den weiteren Unternehmenserfolg ist abzuschätzen. Bei vielen Ideen fehlt natürlich die Expertise, um eben diese Fragen sinnvoll beantworten zu können, und eben darin besteht die Herausforderung.
Der Austausch mit anderen Unternehme(r)n hilft hier (Messen, Arbeitskreise), ebenso wie das Hinzuziehen von externen Experten/Beratern: Sie brauchen hier noch keine detaillierte Kostenschätzung, keine detaillierte Investitionsrechnung, hier dürfte ein „T-Shirt-Sizing“ ausreichen: Das heißt, eine Aufwandsabschätzung nach den T-Shirt-Sizes XS, S, M, L, XL, XXL undsoweiter. Auf Basis einer solchen Übersicht von Projektideen kann dann eine Priorisierung erfolgen. Und dann – Sie ahnen – es, müssen Sie im nächsten Schritt in eine detailliertere Aufwands- und Umsetzungsplanung gehen und gegebenenfalls nochmals einen Auswahlprozess unter den verbliebenen Shortlist-Projekten machen. Und eben dieses Ergebnis ist dann die „Digital Roadmap“.
Unternehmenskultur und Werkzeuge ausrichten auf: Agilität, Innovation und mehr
Digitalisierung ist in der Regel mit einer stärkeren Vernetzung verbunden: Kunden haben zahlreiche digitale Kanäle, um mit einem Unternehmen zu kommunizieren – und auch ÜBER das Unternehmen zu kommunizieren (Google Bewertungen, yelp, Glassdoor, kununu, etc.). Die Supply-Chain innerhalb einer Wertschöpfungskette von Unternehmen wird engmaschiger, Informationen fließen schneller; Vernetzung führt in der Regel zur Beschleunigung. Das wird Ihnen jeder bestätigen, der sich mit Systemtheorie beschäftigt.
Das bedeutet in Konsequenz, dass ein Unternehmen mit dieser Beschleunigung umgehen lernen muss und darauf vorbereitet sein muss. Es ist darum keine Überraschung, dass sich zahlreiche Unternehmen mit dem Buzz-Word Agilität auseinandersetzen, denn agile Methoden erlauben (richtig angewandt) durchaus, auf Veränderungen von Kundenerwartungen, im Wettbewerbsumfeld, im Markt schnell zu reagieren. In der Softwareindustrie wird statt des Wasserfallmodells die agile Projektmanagementmethode SCRUM angewandt; Tools wie Innolytics erlauben die effiziente Sammlung und Bewertung von Ideen; und mit der Software ServiceNow werden Workflows im Unternehmen digital durchdekliniert, dokumentiert und beschleunigt.
Digitalisierung ist – das dürfte klar werden – mehr als nur HighSpeedSoftware, Automatisierung und alles in die Cloud. Digitalisierung ist in erster Linie ein Kulturwandel, der Change Management erfordert und in vielen Fällen auch Schulungsmaßnahmen. Digitalisierung ist auch Beschleunigung, und das heißt auch: Eine Beschleunigung der Anpassungsentwicklung an marktliche Veränderungen, die Unternehmen abverlangt werden. Dafür ist der Kulturwandel in erster Linie erforderlich; und hier kann es etwa nicht schaden, die (unternehmerische) Kreativität der Mitarbeiter zu nutzen, etwa das Buch „Das Ende der dummen Arbeit“ gibt hierzu einige interessante Anregungen.