„SPIN selling“, von Neil Rackham, McGraw-Hill Book Company, 1988 (Erstveröffentlichung), 190 Seiten, 34 Euro (Hardcover Ausgabe, Englisch)

Sie verkaufen komplexe Software oder Dienstleistungen rund um Softwareentwicklung und IT Dienstleistungen? Es geht um größere Budgets, einen Entscheidungenprozess mit mehreren Beteiligten über einen längeren sales cycle? – Dann führt dieser Klassiker (aus 1988) unter den Ratgeberbüchern für Verkäufer einige Methoden und psychologische Grundkenntnisse ein, die definitiv zum Standardrepertoire gehören. Ich bin jüngst in einem Workshop zur Unternehmensentwicklung über SPIN selling gestolpert, habe mir das Buch als S-Bahn-Lektüre besorgt und war positiv überrascht über den Erkenntnisgewinn.

Das Buch räumt mit einigen irreführenden Vorurteilen über effiziente Verkaufsmethoden auf, führt eine klare Differenzierung zwischen Verkaufstaktikten für „small sales“ und „major sales“ ein und führt die praxiserprobte Methode des SPIN selling ein: Dabei handelt es sich um eine Methodik (die nicht zuletzt auf Frage-basiertem Vorgehen basiert), die implizite Bedürfnisse in explizite Bedürfnisse entwickelt und die Nutzenargumentation optimiert. Das Akronym leitet sich aus den verschiedenen Gesprächs-/Verkaufsphasen her, als die da sind: Situation, Problem, Implication, Need-Payoff.

Ein Kernmerkmal dieses Buches ist die strikte und konsequente wissenschaftliche Fundierung dieser Verkaufsmethode. „Evidenz“-basierte Entscheidungen scheinen heute selbstverständlich (nicht überall: vgl. „Fake News“), zumal sich in der Data Economy die Wirksamkeit von Maßnahmen im eCommerce oder bei Anzeigenschaltungen ziemlich präzise bestimmen lässt. Aber selbst an heutigen Maßstäben gemessen ist die Daten-Basis für dieses Buch beeindruckend: Hier wurden in über 10 Jahren über 35.000 Verkaufsgespräche ausgewertet, über 10.000 Verkäufer in 23 Ländern wurden im Alltag begleitet. 7 Jahre lang wurde die Methode getestet, bevor das Buch veröffentlicht wurde.

Eine zentrale Erkenntnis des Buches: „The most effective people we observed were the ones who did an outstanding job of building needs during the Investigating stage. As a result of the questions they asked, their customers came to realize that they had an urgent need to buy.” (S. 49). Der Einstieg in das Verkaufsgespräch wird überschätzt; ebenso überschätzt werden sogenannte „Closing Techniken“ – die im Übrigen bei „major sales“ ganz klar kontraproduktiv wirken. Ein Beispiel (assumptive close): „Sollen wir die Maschine noch vor der Sommerpause liefern oder danach?“ Oder (Standing-room-only Close): „Wie ich bereits gesagt habe, gibt es aktuell eine hohe Nachfrage nach dem Produkt. Wenn Sie jetzt gleich bestellen, dann können wir Ihnen das mit angemessener Lieferfrist bereitstellen; wenn Sie sich erst nächste Woche entscheiden, müssten Sie mit mehreren Monaten Lieferzeit rechnen …“.

“Situation Questions“ und “Problem Questions“ sind für den Verkaufserfolg nicht hinreichend bei „major sales“. Der Verkaufserfolg hängt hingegen maßgeblich von sogenannten „Implication Questions“ und den „Need-Payoff-Questions“ ab. Implication Questions „entwickeln“ den Bedarf bzw. schaffen ein Problembewusstsein beim Käufer. Das Buch illustriert das immer sehr greifbar mit Praxisbeispielen. Hier eine Leseprobe:

SELLER: (Situation Question) Do you use Contormat machines in this division?
BUYER: Yes, we’ve got three of them.
SELLER: (Problem Question) And are they difficult for your operators to use?
BUYER: (Implied Need) They are rather hard, but we’ve learned how to get them working.
SELLER: (Implication Question) You say they’re hard to use. What effect does this have on your output?
BUYER: (perceiving the problem as small) Very little, because we’ve specially trained three people who know how to use them.
SELLER: (Implication Question) If you’ve only got three people who can use them, doesn’t that create work bottlenecks?
BUYER: (still seeing the problem as unimportant) No, it’s only when a Contortomat operator leaves that we have trouble while we’re waiting for a replacement to be trained.
SELLER: (Implication Question) It sounds like the difficulty of using these machines may be leading to a turnover problem with the operators you’ve trained. Is that right?
BUYER: (recognizing a bigger problem) Yes, people certainly don’t like using the Contortomat machines, and operators generally don’t stay with us for long.
SELLER: (Implication Question) What does this turnover mean in terms of training cost?
BUYER: (seeing more) It takes a couple of months before an operator gets proficient, so that’s maybe $4000 in wages and benefits for each operator. On top of that we pay Contortomat $500 to put new operators through off-site training in their Southhampton plant. So add perhaps $1000 for travel costs. You know, that’s about $5000 for each operator we train – and I guess we must have trained at least five this year already.
SELLER: So that’s more than $25,000 in training costs in less than 6 months. (Implication Question) If you’ve trained five people in 6 months, it sounds like you’ve never had three fully competent operators at any time: how much production loss has this led to?
BUYER: Not much. Whenever there’s been a bottleneck, we’ve persuaded the other operators to work overtime, or we’ve sent work outside.
SELLER: (Implication Question) Doesn’t the overtime add even more to your costs?
Etcetera

Das Buch lässt sich sehr gut lesen, wie so viele US-Bestseller der Kategorie Fachliteratur. Ich kann das uneingeschränkt empfehlen, die 80er Jahre Graphiken in dem Buch verleihen dem Buch im Übrigen eine geradezu nostalgische Note. Mein einziger Kritikpunkt, und dafür zitiere ich zwei Rezensionen, die ich auf Amazon gefunden habe (bei einem 1980er Jahre Buch wollte ich durchaus sicherstellen, dass ich nicht meine Zeit und mein Geld verschwende – darum ein kurzer Blick in die Rezensionen):

“(…) author focuses (in my opinion) too much time on proving that his methods are valid/true based on many studies (studies range from values such as 500 calls to thousands of sales engagements).” und: ”Interesting approach to sales and works a treat. I do feel, however, that this could have been done using less words, chapters, pages and paper.”

Und zum Schluss noch eine amüsante Anekdote aus dem Buch. Der Autor Rackham entwickelt notwendigerweise einige klare Definitionen, Erfolgskriterien und Ähnliches, um seine Forschung zu Verkaufseffektivität quantifizierbar zu machen. Dabei stellt er fest, dass die Selbsteinschätzung von Verkäufern für den Erfolg-/Miss-Erfolg eines Verkaufsgesprächs eine denkbar schlechte Grundlage für die Einordnung sind. Denn die Bewertung fällt tendenziell (zu) positiv aus. Dazu berichtet der Autor folgendes Erlebnis (S. 42):

“I’d been travelling with a sales rep in New York City. We made a disastrous call on a customer who became so irritated with the sales rep that we were asked to leave. Afterward, as we stood on the sidewalk recovering from the experience, I was filling in call details on my research form. In response to the question ‘Did the call meet its objectives?’ I wrote, ‘no’. This upset the sales rep mightily.”

”’But I DID meet my objectives,’ he protested. ‘I decided, part way through the call, that we didn’t want to do business with this guy because he sounded like a poor credit risk. So, rather than insult him by telling him this directly, I engineered things so he threw us out. In the way I way able to terminate the call without the embarrassment of explaining that I couldn’t do business with him because his credit was poor.’“

”Over and over again, in our early research, we had salespeople respond in this way, telling us that whatever happened in the call had been exactly what they had planned. ….”

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  • Author

    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.