Worum geht’s? Unternehmen in Deutschland (und anderswo) unterliegen zahlreichen (und umfangreichen) Regularien. Bekanntermaßen ist diese Last an Regularien in Deutschland ein vieldiskutierter Standortnachteil. Elon Musk stellte kürzlich die provokative Frage, wie man angesichts dieser Bürokratie in Deutschland noch unternehmerisch erfolgreich sein können; der Nachfolger im Management des gleichnamigen Handelskonzerns Raoul Rossmann stellte wiederum in einem Handelsblatt-Interview angesichts des „bürokratischen Alptraums“ sarkastisch fest: „Wir müssen aufpassen, dass unsere Firmen nicht Anwaltskanzleien mit angeschlossenem Handelsbetrieb werden.“

Unter RegTech ließen sich damit smarte technologiegetriebene Geschäftsmodelle verstehen, die Unternehmen dabei unterstützen, gesetzliche Compliance-Anforderungen zu erfüllen. Tatsächlich wird RegTech etwas enger verstanden: Es geht um Technologien zur Digitalisierung des Meldewesens, und zwar bezogen auf die Finance Industrie. RegTech wird in diesem engeren Sinn verstanden als Untergruppe der FinTech. Es geht dabei um die Automatisierung der Geldwäsche-Überprüfungen, Überprüfung von Geldtransaktionen auf Betrugshinweise und derlei mehr.

Hier stelle ich 7 vielversprechende deutsche RegTech Start-Ups vor – im engeren Sinne, aber auch im weiteren Sinne. Wie immer gilt: Nicht älter als 7 Jahre. Viel Spaß beim Schmökern!

Alyne

Das Unternehmen Alyne stellt einen umfangreichen Baukasten bzw. Bibliothek von Vorlagen zusammen, die Entscheidungsfindung, Monitoring und Prozessgestaltung rund um Cyber-Sicherheit, Risikomanagement und Compliance systematisieren/erleichtern. Checklisten, Material für Schulungen, Bewertungslisten für externe Dienstleister, eingesetzte Software, Guidelines für Business Continuity Management, die Einführung von kryptographischen Verfahren, prozessuale und organisatorische Prinzipien gegen Datenverlust, für Datenschutz und derlei mehr.

Gründung in 2015. In München. Webseite: www.alyne.com

Elucidate

Das Unternehmen Elucidate gibt Banken eine datenbasierte 360-Grad-Plattform an die Hand, um das Risiko von Finanzkriminalität in Echtzeit identifizieren, mindern und bewerten zu können. Eine Reihe von FinCrime und Compliance Key Risk Indikatoren werden bereitgestellt. Auch aufsichtsrechtliche Vorschriften lassen sich damit einhalten. Damit werden Regularien zu Know-Your Customer (KYC) und Geldwäschegesetzt erfüllt.

Gründung in 2018. In Berlin. Webseite: www.elucidate.co

SignD

Das Start-Up aus Wien liefert eine Antwort auf Anforderungen rund um Identitätsprüfung (Know-Your Customer, Geldwäsche), Risikobewertung potentieller Neukunden oder gerichtsfeste digitale Signaturen. Dazu liefert SignD eine schlüsselfertig White-Label-Lösung, die Lösungen der führenden Anbieter von biometrischer Identifikation, forensischer Analyse, PSD2, Datenbankdiensten und Open-Source-Intelligenz orchestriert. Mit nur einer Integration.

Gründung in 2019. In Wien. Webseite: www.signd.id

Legaltegrity

Gemäß der EU-Whistleblower-Richtlinie werden Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern (Nationalstaaten können die Schwelle jedoch auf bis zu 250 Mitarbeiter anheben) sowie Behörden und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern dazu verpflichtet, Kanäle einzurichten, über die Verstöße gegen nationales und EU-Recht gemeldet werden können.

Um Unternehmen zu befähigen, diese Anforderung zu erfüllen, hat sich das Start-Up Legaltegrity mit einem easy-to-use Produkt positioniert. Das System läuft cloud-basiert und garantiert die Anonymität von Whistleblowern.

Übrigens: Die Gründer von Legaltegrity darauf hin, dass Straftaten im Wirtschaftsbereich nicht nur in regulatorischer Hinsicht Handlungsbedarf erzeugen. Denn es gilt: Unternehmen verlieren schätzungsweise 5% ihres jährlichen Umsatzes durch Straftaten im Wirtschaftsbereich.

Gründung in 2019. In Frankfurt / Main. Webseite: www.legaltegrity.com

Diese EU-Richtlinie müsste (eigentlich) bis zum 17.12.2021 national umgesetzt sein; allerdings gibt es bis dato keine Umsetzung in deutsches Recht. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren zum deutschen „Hinweisgeberschutzgesetz“ ist (im ersten Anlauf) im April 2021 gescheitert. Soviel zum Stand der Dinge …

Lawcode

Ein weiteres Start-up liefert ein Tool, um die Anforderungen der EU-Hinweisgeber-Richtlinie zu erfüllen. Das Start-Up Lawcodey stellt die sogenannte Hintbox bereit. Der Slogan: „Die Hintbox steht Ihnen innerhalb weniger Minuten zur Verfügung.“

Gründung in 2020. In Koblenz. Webseite: www.lawcode.eu

Legal Horizon AG

Das Produkt der Legal Horizon AG fokussiert nicht ausschließlich auf die Finanzindustrie, sondern kann branchenübergreifend eingesetzt werden. Das Tool Legal Horizon Scanning (LHS) stellt für den jeweiligen Kunden individuell relevante Gesetze zusammen. Die Softwarelösung konzentriert sich auf das Nachhalten von Regularien, deren Änderungen und das Monitoring entsprechender Vorschriften.

Das Tool automatisiert insofern die Informationsbeschaffung und Überwachung der regulatorischen Rahmenbedingungen. Dadurch wird es ermöglicht, die globalen Veröffentlichungen der Regulierungsbehörden automatisiert als Input zu sammeln, sie zu ordnen und zu bewerten. Anschließend werden sie den zuständigen Fachabteilungen im Unternehmen bereitgestellt.

Das Tool nutzt Künstliche Intelligenz (KI). Das Unternehmen aktualisiert die Datensammlung ständig und modelliert durch KI die juristische Logik der jeweiligen Jurisdiktion. Dabei hat das Tool eine Workflow-Funktionalität, sodass jede Abteilung nur die für sie relevanten Vorschriften der Regulatorik zur weiteren Entscheidung erhält.

Gründung in 2016. In Magdeburg. Webseite: www.legalhorizon.de

Nect GmbH

Die Nect GmbH fokussiert sich auf die Identifizierung sowie Authentifizierung von natürlichen Personen. Das Dienstleistungsangebot beinhalte unter anderem das Produkt „Nect Robo-Ident“, in dem mehrere Services gebündelt werden. Darunter fallen End2End-Prozesse und Features aus den Bereichen „Digitale Identität“ und biometrische Technologien, die KI einsetzen.

Die Fernidentifizierung (Identity Verification as a Service) wird hierbei, anders als beim Video-Ident, komplett durch KI durchgeführt. Dabei werden biometrische Ausweispapier ausgelesen, Videos aufgezeichnet und Sprache ausgewertet.

Gründung in 2017. In Hamburg. Webseite: www.nect.com

Im Übrigen kann ich die KPMG RegTech-Marktstudie empfehlen, die ich für das Screening der Regtech Start-Up Szene genutzt habe. Auch vereinzelte Textpassagen zur Beschreibung von Unternehmen sind dieser Studie entnommen. Ich bin mithin meinem Ex-Arbeitgeber KPMG zu Dank verpflichtet. Download der Studie HIER

Spannende StartUps in weiteren Branchen und Unternehmensbereichen

Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.