Cloud Computing ist eine Erfolgsgeschichte. Und die Erfolgsdynamik wird weitergehen. In einem Interview mit dem Handelsblatt im Juli 2019 erklärte der CEO von Public Cloud Provider Amazon Web Services, Andy Jassy, es werden erst rund 3 Prozent aller IT Aufgaben in der Cloud abgewickelt. “In zehn oder 20 Jahren werden die meisten Unternehmen keine eigenen Rechenzentren mehr haben. Nur Aufgaben, bei denen es auf die Nähe ankommt – zum Beispiel in einer Fabrik – werden künftig noch vor Ort erledigt.“

Bekanntermaßen wird der Markt der Public Cloud dominiert von US-amerikanischen Herstellern (AWS, Azure, Google Cloud, IBM), chinesische Anbieter (v.a. Alibaba Cloud) spielen ebenfalls in der Champions League. Die Europäischen Player sind weit abgeschlagen. Ob die Initiative GAIA-X eine adäquate Antwort der Europäer wird, bleibt abzuwarten.

Umso spannender ist es, die Entwicklungen in der Start-Up Szene rund um Cloud Computing zu verfolgen. Hier stelle ich 7 vielversprechende Start-Ups aus Deutschland vor, die ihr Geschäftsmodell klar auf den Wachstumsmarkt Cloud Computing ausgerichtet haben. Fokus: Junge Unternehmen (nicht älter als 7 Jahre). Viel Spaß beim Schmökern!

Luckycloud

Luckycloud ist ein Nischenanbieter aus Berlin, der einst aus einer sehr populären Materialsammlung während des Studiums hervorgegangen ist. Heute nutzen sogar Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG das Angebot. Hier lassen sich Bilder, Musik und Dokumente speichern, bearbeiten und verschicken. Für die Deutsche Bahn ist das Angebot relevant, da luckycloud eine spezifische Verschlüsselung nutzt (sogenannte „symmetrische Verschlüsselung“ auch bekannt als „Ende-zu-Ende Verschlüsselung“), wo die Datenfreigabe erst nach Abgleich mit zwei Schlüsseln (einer privat, einer öffentlich) erfolgt. Dieser Prozess erfolgt vollautomatisiert, wobei der Nutzer hierfür nur ein Passwort festlegt. Anders als andere Anbieter, verfolgt luckycloud ein „Zero-Knowledge-Prinzip“ und speichert das Passwort nicht auf den Servern. Denn nur so kann Datenhoheit garantiert werden. Das schafft eine hohe IT-Sicherheit, die gerade für sensible Dokumente (etwa aus dem Personalbereich) wichtig ist.

Gründung in 2015. In Berlin. Webseite: www.luckycloud.de

German Edge Cloud

Der Name des Unternehmens ist Programm: Ein deutsches Unternehmen, das Cloud Services (z.B. Datenauswertung mit KI) „on the edge“ anbietet, also: auf Rechenkapazitäten direkt vor Ort (statt auf Rechenzentren irgendwo). Dieses Mini-Rechenzentrum soll dabei aber durchaus an die „Cloud“ angebunden sein, etwa Siemens Mindsphere.

Das Angebot richtet sich vor allem an den produzierenden Deutschen Mittelstand. Die Vorteile von „on the edge“ sind klar: Keine Verzögerungen bei der Datenübertragung, keine Risiken für den Fall eines Verbindungsverlusts zu Rechenkapazitäten, die per Internet angebunden sind. Außerdem: Keine Kosten für teure Leitungskapazitäten.

Einen entscheidenden Vorteil sieht das Start-Up German Edge Cloud darin, dass Unternehmen bei diesem Ansatz ihre Datensouveränität behalten. Die Betreiber entscheiden, wo ihr Daten bleiben. Und Betreiber entscheiden, welche Daten weiterfließen, etwa an Siemens Mindsphere, für den Austausch mit Zulieferern (für die Supply Chain) oder für den Austausch mit anderen Fertigungsstandorten.

Das Start-Up German Edge Cloud ist ein Tochterunternehmen der Friedhelm Loh Group, zu der etwa der Schaltschrankhersteller Rittal (2,6 Mrd. Umsatz) gehört. Das Start-Up arbeitet eng mit einer Tochter der Bosch-Konzern zusammen, ebenso mit dem Fraunhofer-Institut.

Gründung in 2018. In Eschborn. Webseite: oncite.io

Kubermatic

Das Start-Up Kubermatic unterstützt Unternehmen mit großen Rechenzentren darin, die im Cloud Computing typischen Container-Cluster mit Kubernetes aufzubauen und zu managen. In Rechenzentren großer Unternehmen werden Tausende von Container-Cluster in hybriden und Multi-Cloud Umgebungen betrieben. Eine gewaltige Aufgabe.

Die beiden Gründer Julian Hansert, Sebastian Scheele sowie weitere 60 Berater arbeiten für bekannte Namen: Bosch, Daimler, Volkswagen, Allianz, Lufthansa, HILTI, REWE, otto group oder auch Siemens. Chapeau! Das Start-Up organisiert im Übrigen auch das Szene-Event Container-Days in Hamburg. Zur Eventsite geht’s hier

Gründung in 2016. In Hamburg. Webseite: www.kubermatic.com

Meshcloud

Die drei Gründer Kraus, Gottschlich und Rudolph haben sich ein Ziel gesetzt, das im Elevatorpitch einfach zu vermitteln ist: Die Cloudverwaltung für große Unternehmen vereinfachen. Kurz: die Komplexität reduzieren. Die Plattform Meshcloud bündelt hierbei die administrativen Prozesse für die eingesetzten Public Cloud Infrastrukturen sowie die Private Cloud. Dabei geht es um Identitätsmanagement, Projektverwaltung, Abrechnung und derlei mehr. Die Zielgruppe: Große Unternehmen sowie größere Mittelständler.

Ein bisschen Spass muss sein – auch wenn Start-Up ein 24/7 Job ist. Auf der Webseite findet man gleich auf Seite 1 den netten Hinweis auf „Adoptierte Schafe“: “Die Cloud – ein Schaf ohne Beine. Unsere Liebe für Schafe zeigen wir mit der Patenschaft für die Schafe Heidi und Philipp, die glücklich in Norddeutschland leben.“ Mit diesen Gründern trifft man sich auch gerne mal auf ein Bierchen … oder Ebbelwoi.

Gründung in 2016. In Frankfurt am Main. Webseite: www.meshcloud.io

Kinvolk

Die Spezialisten sind 100% Apologeten von Open Source. Das Start-Up ist darauf fokussiert, Kubernet-Cluster im Enterprise-Umfeld aufzusetzen und den Betrieb zu optimieren. Zwei eigene 100%-Open-Source-Produkte kommen dabei zum Einsatz: Lokomotive-Kubernetes (eine Kubernetes Distribution) und Flatcar Container Linux (ein OS für Container). Das Entwicklerteam ist bekannt für die Lösung anspruchsvoller Herausforderungen, die Expertise reicht bis auf die Prozessorebene: Darauf basierend kann Kinvolk etwa ableiten, welche Workloads etwa am besten auf AMD-Prozessoren oder ARM-Prozessoren laufen sollten.

Auch die Kunden von Kinvolk zählen zu den Who-is-Who der Digitalindustrie: CISCO, BlaBlaCar, GMX, Nasdaq, finleap, Microsoft, CoreOS und viele mehr.

Gründung in 2015. In Berlin. Webseite: www.kinvolk.io

Cloudical

Erfolgreiche Geschäftsmodelle im Markt für Cloud-Computing setzen keine eigenen Produkte voraus, allein der Bedarf an Beratungskompetenz und technischer Expertise bildet eine Opportunity für neue Geschäftsmodelle (die natürlich auch von etablierten IT Serviceprovidern genutzt wird). Ein exzellentes Beispiel ist das Start-Up Cloudical: Gründung in 2017, in nur 3 Jahren angewachsen auf 40 Mitarbeiter.

Das Unternehmen hat sich einen Namen gemacht mit Komposition des sogenannten VanillaStack: Dabei handelt es sich um einen Open-Source Enterprise Kubernetes Stack, der die besten Open-Source Cloud Frameworks in einem Package zusammenführt, um den Einstieg in das Cloud-Computing zu erleichtern.

Gründung in 2017. In Berlin. Webseite: www.cloudical.io

Cloud&Heat

Die Kühlung von Servern eines Rechenzentrums verschlingt Unsummen, kostet Energie. Aber könnte man nicht diese Abwärme stattdessen sinnvoll nutzen? – Genau das macht Cloud&Heat: Serverschränker werden als Heizanlagen betrachtet, das Unternehmen verkauft die Abwärme. Etwa zum Heizen von Bürogebäuden. Dazu wurden spezifische Serverschränke konzipiert, darin verlaufen dünne Wasserkanäle, die für den Wärmetransport (und die Kühlung der Server) verantwortlich sind. Kunden sind vor allem mittelständische Unternehmen und auch Großkonzerne, die ihr eigenes Rechenzentrum betreiben. Etwa Innogy oder die Commerzbank-Tocher Commerz Real.

Das Jungunternehmen hat bereits drei Mal den Deutschen Rechenzentrumspreis gewonnen. Die Umstellung von herkömmlicher Kühlung auf das Kühlungskonzept von Cloud&Heat rechnet sich gegenwärtig wirtschaftlich nur selten für Unternehmen. Doch je mehr Maßnahmen gegen den Klimawandel auch politisch reguliert werden, und je mehr Kohlekraftwerke vom Netz gehen (deren Abwärme aktuell genutzt wird), desto mehr wird die Nachfrage nach der smarten Lösung von Cloud&Heat ansteigen.

Das Unternehmen ist bereits 9 Jahre alt und erfüllt strenggenommen das Kriterium eines Start-Ups nicht mehr (bis zu 7 Jahre). Ich habe eine Ausnahme gemacht, denn zum einen hat Cloud&Heat in seinem 7ten Jahr noch eine Series B Finanzierung erhalten (das nehme ich als wichtigen Indikator), zum anderen ist es mir wichtig, angesichts der enormen Herausforderung des Klimawandels solche Geschäftsmodelle bekannter zu machen.

Gründung in 2011. In Dresden. Webseite: www.cloudandheat.com

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Author

Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.