“Klimapanik: Warum uns eine falsche Klimapolitik Billionen kostet und den Planeten nicht retten wird“, von Bjorn Lomborg, Erscheinungsjahr: 2020, 320 Seiten, 22 EUR (Gebundenes Buch)

Das Buch kommt im Wesentlichen mit zwei Kernbotschaften. Erstens, die Klimakrise ist zwar real, aber gar nicht so schlimm, die Menschheit konnte sich bislang immer erfolgreich anpassen. Zweitens, die immensen (Wohlstands-)Kosten für eine klimaneutrale Transformation in kurzer Zeit sind nicht erforderlich, das ist rausgeschmissenes Geld.

Ich stelle nachfolgend die Argumentation des Buches und den Autor etwas näher vor; hiernach setze ich mich mit einigen ausgewählten Schwächen in der Argumentation auseinander.

Der Autor Lomborg erkennt die ingesamt negativen Folgen der Erderwärmung an. Er verweigert jedoch den Begriff „Klimakrise“, der seines Erachtens einer alarmistischen Berichterstattung entspricht, einer inhärenten Dynamik zu „bad news are good news“ folgend: “Reißerische Medienberichte bekommen die meisten Klicks und das größte Publikum. (S. 25)

Seine These von grundsätzlich alarmistischen Medienberichten begründet er mit einigen ausgewählten Artikeln, wo Risiken, Schadensanalysen und Schadensprognosen verzerrt dargestellt würden. Zum einen würde etwa unterstellt, dass keine Anpassungsmaßnahmen erfolgen würden (etwa bei Hochwassern, Hitzewellen, etc.), was unrealistisch wäre. Zum anderen würden Effekte wie etwa der „expanding bull’s eye effect“ wirksam, die statistisch im Zeitverlauf immer höhere Schäden bei Hochwassern oder anderen Extremwetterereignissen auswiesen: Das würde undifferenziert einer Verschärfung der Klimakrise zugerechnet, dabei ergäben sich solche statistische Effekte etwa durch eine dichtere Besiedlung (mit höherwertigen Immobilien) in Risikogebieten, etwa an der Küste Floridas. Die nachfolgende Graphik illustriert dies:

Bjorn Lomborg plädiert für eine wirksame CO2-Steuer als zentrales Instrument. Er setzt zudem auf massive Investitionen in die Erforschung neuer Technologien, und auf eine Anpassungsstrategie: “Menschen passen sich seit Jahrtausenden an die Natur an, und in der Zukunft wird uns dies bei größerem Wohlstand und mit modernen Technologien immer besser gelingen.“ (S. 41)

Vor allem aber fordert er eine konsequente Bewertung von Kosten und Nutzen jeglicher klimapolitischen Strategien und Programme. Hieraus ergibt sich nach seiner (rein) ökonomischen Betrachtung ein Anpassungspfad, der von den aktuellen Zielsetzungen (z.B. Klimaneutralität bis 2050) abweicht. Die Schwächen gerade dieser Argumentation führe ich weiter unten noch aus.

Zunächst aber zum Autor Bjorn Lomborg selbst. Er ist kein Unbekannter in der Klima-Szene, und hochumstritten. Er gilt als „Renegat“ (er war früher Greenpeace-Aktivist) bzw. Öko-Konvertit; der Wikipedia-Eintrag zu Bjørn Lomborg führt aus:

“Er stand bzw. steht zudem in Verbindung mit vielen konservativen und libertären Think Tanks wie dem Competitive Enterprise Institute, der Hoover Institution, dem Heartland Institute, dem Environmental Assessment Institute, der Cooler Heads Coalition und dem Fraser Institute, die unter anderem gezielt die Klimawandelleugnung vorantreiben.“ (…)

In Rezensionen zu seinen Büchern finden sich zahlreiche sehr kritische Auseinandersetzungen, ihm werden unseriöse, populistische Thesen vorgeworfen, statistische Auswertungen würden irreführend zur Stützung seiner Thesen eingesetzt. Die bei Extinction Rebellion Österreich engagierte Martha Sophie Krumpeck attestiert in einem Artikel im Netz etwa: “Björn Lomborg hat in Klimafragen ungefähr die Glaubwürdigkeit eines Clowns“, sie verweist darauf, dass Lomborgs Fehler so zahlreich und auffällig seien, dass ihm gar eine Webseite gewidmet sei: www.lomborg-errors.dk

Der verkürzte ökonomische Blick

Die ökonomische Perspektive auf den Klimawandel ist zentral im Lomborgs Buch. Er reduziert die Betrachtung der Klimakrise und der Handlungsoptionen auf eine Kosten-Nutzen-Analyse. Dabei setzt er Kosten bzw. Schäden immer ins Verhältnis zum BIP, um die relativen Kosten bezogen auf den Wohlstand einer Gesellschaft (bzw. der Weltgemeinschaft) messbar zu machen. Für die Hochwasserschäden sieht eine solche statistische Auswertung etwa wie folgt aus:

Wie man sieht, nimmt die Schadenshöhe gemessen in Prozent des BIP im Zeitverlauf ab.

Diese Argumentationslogik ist zentral in Lomborg’s Buch; er extrapoliert bei diesen Betrachtungen die Entwicklung des globalen BIP aus der Vergangenheit in die Zukunft, und rechnet mit einer Vervielfachung (z.B. einer Verfünffachung). Bezogen auf das Extremwetterereignis „Wirbelstürme“ liest sich das dann wie folgt:

Aktuell kosten Wirbelstürme einer oft zitierten „Nature“-Studie zufolge die Menschheit etwa 0,04 Prozent des globalen BIP. Bis 2100, so die Prognose, wird das weltweite BIP auf das Fünffache ansteigen (…). Würde die Wirbelsturmsituation bleiben, wie sie heute ist, also ohne Klimawandel, betrügen die Wirbelsturmschäden im Jahr 2100 nur 0,01 Prozent des BIP. Legt man hingegen die Prognose des IPCC zugrunde, wonach Wirbelstürme seltener, aber heftiger werden, verdoppelt sich der Schaden im Jahr 2100 auf 0,02 Prozent des BIP.“ (S. 85)

Diese Kosten-Nutzen-Analyse wendet Lomborg nun auf die Klimapolitik insgesamt an; für moderate Maßnahmen sieht er ein positives Nutzenverhältnis; für die Klimapolitik, die auf Klimaneutralität rund um 2050 ausgerichtet ist, kommt Lomborg zum Ergebnis, dass das ein „bad deal“ wäre (so in etwa würde das Donald Trump etwa ausdrücken):

“[zu moderaten Maßnahmen:] Wir bezahlen mit 0,4 Prozent unseres BIP und bekommen dafür einen Nutzen in Höhe von 0,8 Prozent. Insgesamt gewinnen wir dadurch gerade einmal 0,4 Prozent des weltweiten BIP. Eine gute gemachte CO2-Steuer kann die Welt verbessern, aber nicht um viel. (…) Eine rigorose Kosten-Nutzen-Analyse zeigt uns vor allem, was wir nicht tun sollten. [zum aktuellen Ziel einer Klimaneutralität rund um 2050:] Wir sollten nicht versuchen, in kürzester Zeit die C02-Emissionen fast auf null herunterzufahren. Doch genau das fordern die meisten Aktivisten und versprechen viele Politiker. (…) Das würde uns weitere 3,4 Prozent des weltweiten BIP kosten. Der zusätzliche Nutzen läge aber viel niedriger, etwa bei 1 Prozent des BIP. Die Welt würde bei einer solchen Politik also draufzahlen.“ (S. 19)

Zwei Statistiken sind für diese Kosten-Nutzen-Analyse zentral: Zum eine Szenarien für die Entwicklung des BIP bis zum Jahr 2100 (vgl. Seite 150):

Und Schätzungen zu den Kosten verursacht durch Klimawandel, die in folgender Graphik abgetragen sind (S. 97):

Diese Argumentation und diese Statistiken sind aus verschiedenen Gründen problematisch. Fangen wir einmal an:

Erstens, Lomborg führt gerne aus, dass die Kostenschätzung vom Nobelpreisträger Prof. Nordhaus entwickelt wurde. Eben dieses Argument suggeriert, die Zahlen seien über jeden Zweifel erhaben; das stimmt so natürlich nicht. Was richtig ist: Nordhaus legte im Jahr 1979 eines der ersten Integrated Assessment Modelle (IAM) zur ökonomischen Untersuchung des Klimawandels vor, eben dafür wurde er 2018 (zusammen mit Paul M. Romer) mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, nämlich für die „Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse“. Er hat den Nobelpreis NICHT für die Zahlen erhalten, die Lomborg in seinem Buch anführt.

Man darf eines nicht vergessen: Wir sprechen über einen Zeitraum von 75 Jahren, Prognosen mit einem solchen Zeithorizont unterliegen einer Vielzahl von Annahmen, Vereinfachungen undsoweiter; Ergebnisse solcher langfristigen Prognosen verschiedener Modelle gehen folglich immer weit auseinander. Nach dem Wissenschaftler Vaclav Smil (vgl. das Buch „How the world really works“) haben einzig demographische Prognosen eine praktisch relevante Relevanz. Es kommt hinzu, dass Klimamodelle äußerst komplex sind und nicht alle klimatologischen Aspekte ausreichend verstanden und modellierbar sind, gerade die ökologischen Kipppunkte nicht exakt bestimmbar. Und zwar macht sich Lomborg lustig über die Warnung des Club of Rome in den 1970er Jahren bezüglich der Verknappung wichtiger Rohstoffe, dennoch ist nicht auszuschließen, dass wir auf einem endlichen Planeten irgendwann tatsächlich an Grenzen des Wachstums stoßen werden – und damit die Verfünffachung des BIP (wie von Lomborg angeführt) nicht eintritt. Kurz: Die von Lomborg präsentierten Zahlen sind kein wissenschaftlicher Konsens.

Schauen wir uns dagegen eine ökonomische Bewertung mit einem deutlich kürzeren Betrachtungshorizont an (also: nicht bis 2100), nämlich bis zum Jahr 2050. Der Akteur: Die Rückversicherungsgesellschaft Swiss Re, die – wie wenige Unternehmen sonst – eine exzellente Datengrundlage besitzt, um Schadensentwicklungen und Schadensprognosen zu entwickeln. In einem Interview (von 2021) mit www.capital.de formulierte der SwissRe-Chefökonom Dr. Jérôme Haegeli:

“Der Welt droht bis zum Jahr 2050 durch den Klimawandel ein Verlust von bis zu 18 Prozent der Wirtschaftskraft, wobei der Rückgang in einigen Schwellenländern sogar mehr als 40 Prozent betragen könnte. (…) Die Klimakrise ist langfristig mit Abstand das größte Risiko für die Weltwirtschaft. Unser Worst-Case-Szenario, wenn wir nichts gegen den Klimawandel unternähmen, von 18 Prozent Verlust an Wirtschaftskraft bis 2050 ist sogar noch schlimmer, als es auf den ersten Blick vielleicht erscheint. Denn die Weltbevölkerung wächst ja weiter. Bis dahin werden nach Schätzung der UN noch einmal zwei Milliarden Menschen dazu kommen, für die wir eigentlich zusätzliches Wachstum benötigen. Jetzt nichts zu tun gegen den Klimawandel – das ist unsere Botschaft – ist die teuerste aller Alternativen. Klimapolitik ist Wirtschaftspolitik!“

Das klingt schon ganz anders als es uns Lomborg glauben machen will.

Eines aber ist klar: Die „net-zero transition“ oder „Grüne Transformation“ wird sehr, sehr teuer. Das steht völlig außer Frage. Eine McKinsey Analyse kommt hier auf folgende Zahlen, basierend auf der Modellierung einer Transformation unter Verwendung des Szenarios Net Zero 2050 des Network for Greening the Financial System (NGFS).:

Die Umgestaltung der Weltwirtschaft, die erforderlich ist, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, wäre universell und bedeutend und würde jährliche durchschnittliche Ausgaben für Sachanlagen in Höhe von 9,2 Billionen Dollar erfordern, 3,5 Billionen Dollar mehr als heute. Zum Vergleich: Dieser Anstieg entspricht der Hälfte der weltweiten Unternehmensgewinne und einem Viertel der gesamten Steuereinnahmen im Jahr 2020. Unter Berücksichtigung des erwarteten Ausgabenanstiegs aufgrund des Einkommens- und Bevölkerungswachstums sowie der derzeit geltenden Übergangsmaßnahmen wäre der erforderliche Ausgabenanstieg geringer, aber immer noch etwa 1 Billion Dollar.

Dem müssen wir selbstverständlich die (ökonomischen) Kosten gegenüberstellen. Eine aktuelle Studie des World Economic Forum kommt auf folgende Zahlen:

“Die weltweiten Kosten der durch den Klimawandel verursachten Schäden werden bis 2050 auf 1,7 bis 3,1 Billionen Dollar pro Jahr geschätzt. Darin enthalten sind die Kosten für Schäden an Infrastruktur, Eigentum, Landwirtschaft und menschlicher Gesundheit. Es wird erwartet, dass diese Kosten im Laufe der Zeit steigen werden, da die Auswirkungen des Klimawandels immer gravierender werden.“

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kosten nach 2050 weiter jährlich anfallen, während die Transformation der Wirtschaft bis dahin abgeschlossen ist. Selbst wenn die Kosten im Zeitraum bis 2050 höher ausfallen als die (zusätzlichen) Investitionen, amortisiert sich die Investition absehbar in den Folgejahren.

Es stellt sich zudem die grundsätzlich Frage im Hinblick auf die Klimakrise, ob eine rein ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse ein adäquater Massstab ist, um über die Frage von politischen Maßnahmen zu diskutieren. Ein ganz praktisches Beispiel: Zur Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 an: Die Anzahl der Toten lag bei 180. Die Flutschäden belaufen auf rund 40 Milliarden Euro, bezogen auf das BIP in Deutschlands (4.000 Milliarden) macht dieser Schaden also ca. 1 Prozent des BIP aus.

Es ist klar, dass wir gar nicht schnell genug Dämme hochziehen, Überschwemmungsflächen ausweisen, Infrastrukturabsicherungsmaßnahmen vornehmen können, um Katastrophen zu vermeiden. Klimakosten wie Lomborg sie meint, setzen sich folglich zusammen aus (a) Kosten für Anpassungsmaßnahmen UND (b) Kosten für die Behebungen von Katastrophenschäden (vgl. Ahrtal). Hier sollten wir berücksichtigen, dass die Erwartung an den modernen Staat auch in einer Prävention von Katastrophen besteht, insbesondere, wenn diese Menschenleben kosten können. Und das gilt im besonderen Maße für Deutschland; schauen Sie sich hierzulande einmal die Brandschutzvorschriften an (und die damit verbundenen Kosten in Milliardenhöhe), die Vorschriften zur Wegesicherung (etwa vor herabfallenden Ästen), und Vieles mehr. Hurrikane wiederum gefährden Menschenleben, Wald- und Buschbrände gehen einher mit Toten und zerstören ganze Siedlungen … eine rein ökonomische Betrachtung ist zynisch … wie etwa wollen Sie den Verlust von Menschenleben in dieser Kosten-Nutzen-Analyse einfließen lassen? Wie viel ist ein Menschenleben wert? … Ein zynisches Beispiel dazu: Wussten Sie, als die USA im Rahmen des Kriegs gegen den Terror in Afghanistan versehentlich eine Hochzeit bombardierten, zahlten sie den Familien für jeden getöteten Angehörigen jeweils umgerechnet 200 Dollar und für jeden Verwundeten 75 Dollar …

Wenn Sie einmal den aktuellen Synthesebericht des IPCC (von 2023) ansehen, dann weist dieser darauf hin, dass “approximately 3.3 to 3.6 billion people live in contexts that are highly vulnerable to climate change.“. Dazu eine griffige Erläuterung in der FAZ: „In der Biologie ist es recht einfach: Lebewesen siedeln sich immer dort an, wo sie gute Bedingungen finden, wo es ausreichend Nahrung gibt und angenehme Temperaturen herrschen. Deshalb leben die meisten Menschen in Regionen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur zwischen sechs und 28 Grad Celsius – in ihrer Klima-Nische. Aber mit dem Klimawandel werden diese sogenannten Nischen weniger werden. (…) Bislang leben bereits neun Prozent und damit über 600 Millionen Menschen außerhalb dieser Nische“, schreiben die Autoren. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es ein Drittel der Menschheit sein. Zumindest dann, wenn die derzeitige Klimapolitik sich nicht drastisch ändern würde – und somit eine globale Erwärmung von 2,7 Grad Celsius erreicht würde.“

Fehldarstellung zum Stand heutiger Technologien

Der Autor Lomborg zieht in Zweifel, dass eine „Grüne Transformation“ mit den heute verfügbaren Technologien machbar sei. Wer das Thema verfolgt, ist sich bewusst, dass noch Lücken bei Speicher- und Batterietechnologie geschlossen werden müssen. Es erstaunt aber dann doch zu lesen, dass Lomborg ausgerechnet die Solartechnologie mit Zweifel überzieht, zumal deren Einsatz in Ländern wie Indien, wo der Sonnenertrag rund zwei Mal höher liegt als etwa in vielen Teilen Deutschlands. Lomborg schreibt:

“Ein Solarpanel liefert vielleicht genug Strom für eine Lampe oder das Laden von Handys, aber nicht genug zum Kochen (…), für einen Kühlschrank (…) oder für landwirtschaftliche Maschinen.“ (S. 17)

Heutige Solarpanels haben einen Wirkungsgrad von 25% (!), und es gibt zahlreiche Beispiele für die verlässliche Energieversorgung mit Solarenergie. Auf dem Portal t3n etwa findet sich eine passende Success Story, die die absurden Behauptungen von Lomborg entkräften. In dem Artikel “Komplett solarbetrieben: Dieses indische Dorf erzeugt gratis Strom für seine Einwohner“ heißt es: “Das Dorf erzeugt genügend Energie, um sich selbst zu versorgen und den Rest an das Netz zu verkaufen. Ein Energiespeicher sorgt dafür, dass die Bewohner auch nachts mit Strom versorgt werden können. Die Bewohner selbst nutzen den Strom gratis.“

Das irreführende Postulat: „Der Einzelne kann den Klimawandel nicht stoppen“

Lomborg spricht vom “Mythos des Klimaschutzes: dass der Einzelne einen wesentlichen Beitrag leisten könne.“ (S. 104)

Diese Idee ist schlicht falsch. Erstens ist die rechnerische Begründung dieser Hypothese falsch (darauf komme ich gleich). Zweitens ist es auch ein Irrglaube, dass der Einzelne nichts tun müssen, sondern eines Tages eben keinen Kohlestrom mehr aus der Steckdose bezieht, sondern 100% klimafreundlichen Naturstrom. Es ist eigentlich naheliegend, dass die Transformation so nicht funktioniert. Die Modernisierungen der Gebäude ist ein Beispiel dafür, wo der Einzelne (Hausbesitzer, Immobilieneigner) gefragt sein wird (lassen wir einmal das handwerklich schlechte gemacht Gesetz zur Heizungsmodernisierung beiseite): Es sind eben die Hauseigentümer, die dämmen müssen, eine Umstellung der Wärmeversorgung umsetzen müssen undsoweiter. Wer denn sonst? Und hier (und an anderen Stellen auch) kann der Einzelne eben doch einen sehr wesentlichen Beitrag leisten – ohne den „Einzelnen“ wird das natürlich nicht gehen.

Ich will – nur weil ich das Beispiel so schön griffig finde – einmal auf einen ethischen Beitrag eingehen, auch wenn der nicht (nur) mit Klimaschutz zu tun hat. Die pflanzliche Ernährung: Wussten Sie, dass jeder Deutsche rund 1.000 Tiere in seinem Leben isst? Kühe, Hühner, Schweine, Ziegen undsoweiter. Jetzt stellen Sie sich auf einer Weide einmal 1.000 Tiere vor … und machen sich klar, dass eben diese 1.000 Tiere NICHT durch unsere industrielle Tierproduktion müssen, wenn ein Mensch in Deutschland auf pflanzliche Ernährung umstellt (ich bin im Übrigen nur Flexitarier, kein super-konsequenter Vegetarier oder gar Veganer). Das macht doch einen Riesen-Unterschied, finden Sie nicht?

Nun zurück zur Kritik an Lomborgs Argumentation. Seine Argumentation folgt häufig folgendem Muster: Wenn ein Einzelner seine Emissionen bis 2050 auf Null reduziert, dann resultieren die mit hohen Kosten und persönlichen Entbehrungen verbundenen Anstrengungen in einer Verringerung des Temperaturanstiegs im Jahr 2100 lauf Standardschätzung des IPCC im um läppische 0,0000000005 Grad Celsius. Noch Fragen? Dafür soll ich mich anstrengen? Wenn man das so betrachtet, lohnt sich natürlich keine Anstrengung. Während Lomborg bei der Prognose der Wohlstandsentwicklung auf den Zinseszinseffekt setzt, wo geringste Unterschiede im wirtschaftlichen Wachstum in einen gigantischen Wohlstandszugewinn am Ende dieses Jahrhunderts (!) münden, macht er das bei den individuellen Anstrengungen zum Klimaschutz genau umgekehrt. Er bricht den Effekt auf den Einzelnen herunter, so dass eben dieser Effekt völlig lächerlich wird.

Es kommt ein ganz wesentlicher Rechenfehler hinzu. Lomborg setzt unsere individuellen Anstrengungen ins Verhältnis zu absurd niedrigen Kompensationszahlungen (die ganz grundsätzlich fragwürdig sind). Seine Rechnung sieht wie folgt aus: “Der RGGI ist ein Markt für Emissionsrechte im Nordosten der USA. Damit ist er nur einer von vielen weltweit, aber der erste und größte in den Vereinigten Staaten. Der RGGI beschränkt über Emissionszertifikate, wie viel CO2 (…) Kraftwerke in der Region ausstoßen dürfen. Diese Zertifikate dürfen gehandelt werden. Das Recht, eine Tonne CO2 auszustoßen, kostet etwa 6 Dollar. Wenn Sie ein Zertifikat über eine Tonne kaufen, bedeutet das, dass diese eine Tonne nicht mehr von den Energieerzeugern emittiert werden kann.“ (S. 105) Und weiter: “Das ist der Maßstab für den Wert aller privaten Umstellungen.

Nun rechnen Sie mal aus: Im Schnitt verursacht ein Deutscher rund 10 Tonnen CO2 pro Jahr. Nach Lomborgs lächerlicher Kompensationsrechnung kann man das mit 10 * 6 Dollar kompensieren. 60 Dollar. Ich muss das hoffentlich nicht mehr erläutern, dass das nicht stimmen kann.

Dabei belasse ich es einmal zu diesem Kapital, dieser Blogpost ist ohnehin schon so viel länger geworden, als ich mir das vorgenommen hatte. Wenn Sie bis hierhin gekommen sind: Herzlichen Glückwunsch … und vielen Dank für Ihre Geduld und Ihr Interesse.

Fazit

Was mich sehr beunruhigt: Auf Amazon gibt es selbstverständlich einige Rezensionen, die kritisch mit den Inhalten umgehen („Achtung: Wissenschaftlich fraglich“, „Trash“, „Standardpopulismus“, „Dieser Mann wird von der Oel lobby bezahlt“). Aber ganz überwiegend sind die Rezensionen sehr positiv – klar, ist doch toll, dass alles gar nicht so schlimm wird, wer würde eine solche Botschaft nicht begrüßen (aber es stimmt halt nicht).

Auf Amazon liegt das Rating für die Deutsche Version des Buches bei 4,4 (basierend auf 137 Bewertungen); die Englische Originalversion (Titel: „False Alarm“) hat gar eine Wertung von 4,7 (basierend auf 2.535 Bewertungen).

Was ich jetzt als nächstes mache: Eine SEHR kritische Rezension auf Amazon zu diesem Buch schreiben.

Zum Weiterlesen

  • „Weltuntergang fällt aus!“ von Jan Hegenberg – eine Buchkritik
  • Die 3 META-Themen für unsere Zukunft (3K-Regel): Klima, KI und China
  • Unter meinen TOP10 Sachbüchern: “How the world really works“
  • Erziehung zur Nachhaltigkeit: Ein Dad packt aus
  • Wo ist die Produktivitätsrevolution der 4ten Industriellen Revolution? Oder: Wie Effizienzgewinne aufgefressen werden
  • Das Buch „Erde 5.0“: Chancen und Grenzen digitaler Technologie im Kampf gegen den Klimawandel
  • Buchempfehlung zu Climate Fiction: „Loosed upon the World”
  • Buchempfehlung: „Mission Economy“ – über eine missionsorientierte Gestaltung der Märkte
  • Erfolgsrezept für sozio-ökonomische Transformationen: Missionsorientierte Innovationsstrategien
  • Author

    Der Autor ist Manager in der Softwareindustrie mit internationaler Expertise: Prokurist bei einem der großen Beratungshäuser - Verantwortung für den Aufbau eines IT Entwicklungszentrums am Offshore-Standort Bangalore - Director M&A bei einem Softwarehaus in Berlin.